Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Deutscher. Wenn man nun aber seine Vorzüge wirklich vergißt? Poesie. Es hat damit bey Nazionen eben so wenig auf sich, als bey einzelnen Menschen. Man soll ja nicht im Bewußtseyn ihres Besitzes unthätig werden. Wenn man nur die Vorzüge nicht vergißt, nach welchen man zu streben hat. Deutscher. So wird man uns doch freyen Ausdruck unsrer Eigenthümlichkeit erlauben? Poesie. Der wird verfehlt, so bald man ihn sich vornimmt. Überdieß müßt ihr über euern Karakter erst mit euch selbst einig werden. Was ihr für Deutschheit ausgebt, ist meistens, bey Licht besehn, nur die Nordischheit. Jch kann am besten wissen, ob ihr nazionale Eigenthümlichkeit habt. Deutscher. Freylich keine einseitig beschränkte. Grammatik. Zur Sache. Die Sprache des Griechen hat den Vorrang der Würde und des Alterthums; und Klopstock macht sich, eben weil er sie am meisten ehrt, fast immer mit ihr zu thun, um die seinige mit ihr zu messen. Was er von ihr sagt, gilt zum Theil die römische mit. Auf die neueren wirft er nur einige schnöde Seitenblicke. Der Grieche sey also Wortführer der Klage, die andern mögen sie bey den Punkten, die auf sie Bezug haben, unterstützen; und wenn ihnen besondre Beleidigungen widerfahren sind, nachher reden. Deutscher. Sollen unsre Sprachen sich einfinden, Grieche? Sie sind Schwestern. Deutscher. Wenn man nun aber seine Vorzuͤge wirklich vergißt? Poesie. Es hat damit bey Nazionen eben so wenig auf sich, als bey einzelnen Menschen. Man soll ja nicht im Bewußtseyn ihres Besitzes unthaͤtig werden. Wenn man nur die Vorzuͤge nicht vergißt, nach welchen man zu streben hat. Deutscher. So wird man uns doch freyen Ausdruck unsrer Eigenthuͤmlichkeit erlauben? Poesie. Der wird verfehlt, so bald man ihn sich vornimmt. Überdieß muͤßt ihr uͤber euern Karakter erst mit euch selbst einig werden. Was ihr fuͤr Deutschheit ausgebt, ist meistens, bey Licht besehn, nur die Nordischheit. Jch kann am besten wissen, ob ihr nazionale Eigenthuͤmlichkeit habt. Deutscher. Freylich keine einseitig beschraͤnkte. Grammatik. Zur Sache. Die Sprache des Griechen hat den Vorrang der Wuͤrde und des Alterthums; und Klopstock macht sich, eben weil er sie am meisten ehrt, fast immer mit ihr zu thun, um die seinige mit ihr zu messen. Was er von ihr sagt, gilt zum Theil die roͤmische mit. Auf die neueren wirft er nur einige schnoͤde Seitenblicke. Der Grieche sey also Wortfuͤhrer der Klage, die andern moͤgen sie bey den Punkten, die auf sie Bezug haben, unterstuͤtzen; und wenn ihnen besondre Beleidigungen widerfahren sind, nachher reden. Deutscher. Sollen unsre Sprachen sich einfinden, Grieche? Sie sind Schwestern. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0019" n="8"/> <p><hi rendition="#g">Deutscher</hi>. Wenn man nun aber seine Vorzuͤge wirklich vergißt?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Poesie</hi>. Es hat damit bey Nazionen eben so wenig auf sich, als bey einzelnen Menschen. Man soll ja nicht im Bewußtseyn ihres Besitzes unthaͤtig werden. Wenn man nur die Vorzuͤge nicht vergißt, nach welchen man zu streben hat.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutscher</hi>. So wird man uns doch freyen Ausdruck unsrer Eigenthuͤmlichkeit erlauben?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Poesie</hi>. Der wird verfehlt, so bald man ihn sich vornimmt. Überdieß muͤßt ihr uͤber euern Karakter erst mit euch selbst einig werden. Was ihr fuͤr <hi rendition="#u">D</hi>eutschheit ausgebt, ist meistens, bey Licht besehn, nur die Nordischheit. Jch kann am besten wissen, ob ihr nazionale Eigenthuͤmlichkeit habt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutscher</hi>. Freylich keine einseitig beschraͤnkte.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Grammatik</hi>. Zur Sache. Die Sprache des Griechen hat den Vorrang der Wuͤrde und des Alterthums; und Klopstock macht sich, eben weil er sie am meisten ehrt, fast immer mit ihr zu thun, um die seinige mit ihr zu messen. Was er von ihr sagt, gilt zum Theil die roͤmische mit. Auf die neueren wirft er nur einige schnoͤde Seitenblicke. Der Grieche sey also Wortfuͤhrer der Klage, die andern moͤgen sie bey den Punkten, die auf sie Bezug haben, unterstuͤtzen; und wenn ihnen besondre Beleidigungen widerfahren sind, nachher reden.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutscher</hi>. Sollen unsre Sprachen sich einfinden, Grieche? Sie sind Schwestern.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0019]
Deutscher. Wenn man nun aber seine Vorzuͤge wirklich vergißt?
Poesie. Es hat damit bey Nazionen eben so wenig auf sich, als bey einzelnen Menschen. Man soll ja nicht im Bewußtseyn ihres Besitzes unthaͤtig werden. Wenn man nur die Vorzuͤge nicht vergißt, nach welchen man zu streben hat.
Deutscher. So wird man uns doch freyen Ausdruck unsrer Eigenthuͤmlichkeit erlauben?
Poesie. Der wird verfehlt, so bald man ihn sich vornimmt. Überdieß muͤßt ihr uͤber euern Karakter erst mit euch selbst einig werden. Was ihr fuͤr Deutschheit ausgebt, ist meistens, bey Licht besehn, nur die Nordischheit. Jch kann am besten wissen, ob ihr nazionale Eigenthuͤmlichkeit habt.
Deutscher. Freylich keine einseitig beschraͤnkte.
Grammatik. Zur Sache. Die Sprache des Griechen hat den Vorrang der Wuͤrde und des Alterthums; und Klopstock macht sich, eben weil er sie am meisten ehrt, fast immer mit ihr zu thun, um die seinige mit ihr zu messen. Was er von ihr sagt, gilt zum Theil die roͤmische mit. Auf die neueren wirft er nur einige schnoͤde Seitenblicke. Der Grieche sey also Wortfuͤhrer der Klage, die andern moͤgen sie bey den Punkten, die auf sie Bezug haben, unterstuͤtzen; und wenn ihnen besondre Beleidigungen widerfahren sind, nachher reden.
Deutscher. Sollen unsre Sprachen sich einfinden, Grieche? Sie sind Schwestern.
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