Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.einiger Übung muß man in diesem Studium wirklich etwas leisten können. Ein Blatt vorn und ein Blatt hinten geben schon viel Licht; besonders aber sind die Vorreden von unschätzbarem Werth. Gäbe es litterarische Reichstage, so würde gewiß von Seiten der Beurtheiler der Vorschlag zu einem Gesetze geschehn, daß es erlaubt seyn solle, eine Vorrede ohne Buch, aber nicht ein Buch ohne Vorrede zu schreiben. Zwar wenn alle Schriftsteller so redlich und naiv zu Werke gingen, wie Jean Paul, so könnte man sich mit den bloßen Titeln begnügen. Aber leider haben die mancherley Kunstgriffe der verderbten Welt auch aus diesem Theile der Schriftstellerey die Unschuld verbannt. So wenige Titel gehören dem Verfasser, oder zu seinem Werke. Wer einen Aufmerksamkeit erregenden ersinnt, hat einen außerordentlichen Fund gethan, der ihm aber durch den Druck sogleich entgeht und ein Gemeingut wird. Die trostlose Schwierigkeit neu zu seyn, kann gerade hier auch den besten, wenn er noch nicht Ruhm genug hat, um fremder Hülfsmittel zu entrathen, aus seinem Karakter heraustreiben. Ein Hauptnachtheil der allgemeinen kritischen Jnstitute ist es, daß sie die verschiedenartigsten Dinge auf einerley Fuß behandeln müssen. Zuerst die guten Bücher und die schlechten. Von jenen muß dargethan werden, daß sie gut, und von diesen, daß sie schlecht sind. Wie sehr dieß auch dem heiligen Grundsatze der Gleichheit gemäß scheint, so kann die Gerechtigkeit doch niemals verpflichten, etwas überflüßiges zu thun. Entweder man nimmt an, daß alle Bücher einiger Übung muß man in diesem Studium wirklich etwas leisten koͤnnen. Ein Blatt vorn und ein Blatt hinten geben schon viel Licht; besonders aber sind die Vorreden von unschaͤtzbarem Werth. Gaͤbe es litterarische Reichstage, so wuͤrde gewiß von Seiten der Beurtheiler der Vorschlag zu einem Gesetze geschehn, daß es erlaubt seyn solle, eine Vorrede ohne Buch, aber nicht ein Buch ohne Vorrede zu schreiben. Zwar wenn alle Schriftsteller so redlich und naiv zu Werke gingen, wie Jean Paul, so koͤnnte man sich mit den bloßen Titeln begnuͤgen. Aber leider haben die mancherley Kunstgriffe der verderbten Welt auch aus diesem Theile der Schriftstellerey die Unschuld verbannt. So wenige Titel gehoͤren dem Verfasser, oder zu seinem Werke. Wer einen Aufmerksamkeit erregenden ersinnt, hat einen außerordentlichen Fund gethan, der ihm aber durch den Druck sogleich entgeht und ein Gemeingut wird. Die trostlose Schwierigkeit neu zu seyn, kann gerade hier auch den besten, wenn er noch nicht Ruhm genug hat, um fremder Huͤlfsmittel zu entrathen, aus seinem Karakter heraustreiben. Ein Hauptnachtheil der allgemeinen kritischen Jnstitute ist es, daß sie die verschiedenartigsten Dinge auf einerley Fuß behandeln muͤssen. Zuerst die guten Buͤcher und die schlechten. Von jenen muß dargethan werden, daß sie gut, und von diesen, daß sie schlecht sind. Wie sehr dieß auch dem heiligen Grundsatze der Gleichheit gemaͤß scheint, so kann die Gerechtigkeit doch niemals verpflichten, etwas uͤberfluͤßiges zu thun. Entweder man nimmt an, daß alle Buͤcher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0155" n="144"/> einiger Übung muß man in diesem Studium wirklich etwas leisten koͤnnen. Ein Blatt vorn und ein Blatt hinten geben schon viel Licht; besonders aber sind die Vorreden von unschaͤtzbarem Werth. Gaͤbe es litterarische Reichstage, so wuͤrde gewiß von Seiten der Beurtheiler der Vorschlag zu einem Gesetze geschehn, daß es erlaubt seyn solle, eine Vorrede ohne Buch, aber nicht ein Buch ohne Vorrede zu schreiben. Zwar wenn alle Schriftsteller so redlich und naiv zu Werke gingen, wie Jean Paul, so koͤnnte man sich mit den bloßen Titeln begnuͤgen. Aber leider haben die mancherley Kunstgriffe der verderbten Welt auch aus diesem Theile der Schriftstellerey die Unschuld verbannt. So wenige Titel gehoͤren dem Verfasser, oder zu seinem Werke. Wer einen Aufmerksamkeit erregenden ersinnt, hat einen außerordentlichen Fund gethan, der ihm aber durch den Druck sogleich entgeht und ein Gemeingut wird. Die trostlose Schwierigkeit neu zu seyn, kann gerade hier auch den besten, wenn er noch nicht Ruhm genug hat, um fremder Huͤlfsmittel zu entrathen, aus seinem Karakter heraustreiben.</p><lb/> <p>Ein Hauptnachtheil der allgemeinen kritischen Jnstitute ist es, daß sie die verschiedenartigsten Dinge auf einerley Fuß behandeln muͤssen. Zuerst die guten Buͤcher und die schlechten. Von jenen muß dargethan werden, daß sie gut, und von diesen, daß sie schlecht sind. Wie sehr dieß auch dem heiligen Grundsatze der Gleichheit gemaͤß scheint, so kann die Gerechtigkeit doch niemals verpflichten, etwas uͤberfluͤßiges zu thun. Entweder man nimmt an, daß alle Buͤcher<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [144/0155]
einiger Übung muß man in diesem Studium wirklich etwas leisten koͤnnen. Ein Blatt vorn und ein Blatt hinten geben schon viel Licht; besonders aber sind die Vorreden von unschaͤtzbarem Werth. Gaͤbe es litterarische Reichstage, so wuͤrde gewiß von Seiten der Beurtheiler der Vorschlag zu einem Gesetze geschehn, daß es erlaubt seyn solle, eine Vorrede ohne Buch, aber nicht ein Buch ohne Vorrede zu schreiben. Zwar wenn alle Schriftsteller so redlich und naiv zu Werke gingen, wie Jean Paul, so koͤnnte man sich mit den bloßen Titeln begnuͤgen. Aber leider haben die mancherley Kunstgriffe der verderbten Welt auch aus diesem Theile der Schriftstellerey die Unschuld verbannt. So wenige Titel gehoͤren dem Verfasser, oder zu seinem Werke. Wer einen Aufmerksamkeit erregenden ersinnt, hat einen außerordentlichen Fund gethan, der ihm aber durch den Druck sogleich entgeht und ein Gemeingut wird. Die trostlose Schwierigkeit neu zu seyn, kann gerade hier auch den besten, wenn er noch nicht Ruhm genug hat, um fremder Huͤlfsmittel zu entrathen, aus seinem Karakter heraustreiben.
Ein Hauptnachtheil der allgemeinen kritischen Jnstitute ist es, daß sie die verschiedenartigsten Dinge auf einerley Fuß behandeln muͤssen. Zuerst die guten Buͤcher und die schlechten. Von jenen muß dargethan werden, daß sie gut, und von diesen, daß sie schlecht sind. Wie sehr dieß auch dem heiligen Grundsatze der Gleichheit gemaͤß scheint, so kann die Gerechtigkeit doch niemals verpflichten, etwas uͤberfluͤßiges zu thun. Entweder man nimmt an, daß alle Buͤcher
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