Schiller, Friedrich: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? (Antrittsvorlesung in Jena, 26. 5. 1789 ). Jena, 1789.was um ihn geschiehet und gedacht wird, in sein Ei- be-
was um ihn geſchiehet und gedacht wird, in ſein Ei- be-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="10"/> was um ihn geſchiehet und gedacht wird, in ſein Ei-<lb/> genthum zu verwandeln — zwiſchen denkenden Koͤpfen<lb/> gilt eine innige Gemeinſchaft aller Guͤter des Geiſtes;<lb/> was Einer im Reiche der Wahrheit erwirbt, hat er<lb/> Allen erworben — Der Brodgelehrte verzaͤunet ſich gegen<lb/> alle ſeine Nachbarn, denen er neidiſch Licht und Sonne<lb/> mißgoͤnnt, und bewacht mit Sorge die baufaͤllige<lb/> Schranke, die ihn nur ſchwach gegen die ſiegende Ver-<lb/> nunft vertheidigt. Zu allem was der Brodgelehrte<lb/> unternimmt, muß er Reiz und Aufmunterung von<lb/> auſſen her borgen: der philoſophiſche Geiſt findet in<lb/> ſeinem Gegenſtand, in ſeinem Fleiße ſelbſt, Reiz und<lb/> Belohnung. Wie viel begeiſterter kan er ſein Werk<lb/> angreiffen, wieviel lebendiger wird ſein Eifer, wieviel<lb/> ausdaurender ſein Muth und ſeine Thaͤtigkeit ſeyn, da<lb/> bey ihm die Arbeit ſich durch die Arbeit verjuͤnget.<lb/> Das Kleine ſelbſt gewinnt Groͤße unter ſeiner ſchoͤpfe-<lb/> riſchen Hand, da er dabey immer das Große im Auge<lb/> hat, dem es dienet, wenn der Brodgelehrte in dem<lb/> Großen ſelbſt nur das Kleine ſieht. Nicht was er<lb/> treibt, ſondern wie er das, was er treibt, behandelt,<lb/> unterſcheidet den philoſophiſchen Geiſt. Wo er auch<lb/> ſtehe und wirke, er ſteht immer im Mittelpunkt des<lb/> Ganzen; und ſo weit ihn auch das Objekt ſeines<lb/> Wirkens von ſeinen uͤbrigen Bruͤdern entferne, er iſt<lb/> ihnen verwandt und nahe durch einen harmoniſch wir-<lb/> kenden Verſtand, er begegnet ihnen wo alle helle Koͤpfe<lb/> einander finden. Soll ich dieſe Schilderung noch wei-<lb/> ter fortfuͤhren, m. H. H. oder darf ich hoffen, daß es<lb/> <fw place="bottom" type="catch">be-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [10/0012]
was um ihn geſchiehet und gedacht wird, in ſein Ei-
genthum zu verwandeln — zwiſchen denkenden Koͤpfen
gilt eine innige Gemeinſchaft aller Guͤter des Geiſtes;
was Einer im Reiche der Wahrheit erwirbt, hat er
Allen erworben — Der Brodgelehrte verzaͤunet ſich gegen
alle ſeine Nachbarn, denen er neidiſch Licht und Sonne
mißgoͤnnt, und bewacht mit Sorge die baufaͤllige
Schranke, die ihn nur ſchwach gegen die ſiegende Ver-
nunft vertheidigt. Zu allem was der Brodgelehrte
unternimmt, muß er Reiz und Aufmunterung von
auſſen her borgen: der philoſophiſche Geiſt findet in
ſeinem Gegenſtand, in ſeinem Fleiße ſelbſt, Reiz und
Belohnung. Wie viel begeiſterter kan er ſein Werk
angreiffen, wieviel lebendiger wird ſein Eifer, wieviel
ausdaurender ſein Muth und ſeine Thaͤtigkeit ſeyn, da
bey ihm die Arbeit ſich durch die Arbeit verjuͤnget.
Das Kleine ſelbſt gewinnt Groͤße unter ſeiner ſchoͤpfe-
riſchen Hand, da er dabey immer das Große im Auge
hat, dem es dienet, wenn der Brodgelehrte in dem
Großen ſelbſt nur das Kleine ſieht. Nicht was er
treibt, ſondern wie er das, was er treibt, behandelt,
unterſcheidet den philoſophiſchen Geiſt. Wo er auch
ſtehe und wirke, er ſteht immer im Mittelpunkt des
Ganzen; und ſo weit ihn auch das Objekt ſeines
Wirkens von ſeinen uͤbrigen Bruͤdern entferne, er iſt
ihnen verwandt und nahe durch einen harmoniſch wir-
kenden Verſtand, er begegnet ihnen wo alle helle Koͤpfe
einander finden. Soll ich dieſe Schilderung noch wei-
ter fortfuͤhren, m. H. H. oder darf ich hoffen, daß es
be-
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