Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804.
Die Römerkron' ihm auf das Haupt zu setzen. Daheim regierten sie sich fröhlich selbst Nach altem Brauch und eigenem Gesetz, Der höchste Blutbann war allein des Kaisers. Und dazu ward bestellt ein großer Graf, Der hatte seinen Sitz nicht in dem Lande, Wenn Blutschuld kam, so rief man ihn herein, Und unter offnem Himmel, schlicht und klar, Sprach er das Recht und ohne Furcht der Menschen. Wo sind hier Spuren, daß wir Knechte sind? Ist einer, der es anders weiß, der rede! Im Hofe Nein, so verhält sich alles wie ihr sprecht, Gewaltherrschaft ward nie bei uns geduldet. Stauffacher Dem Kaiser selbst versagten wir Gehorsam, Da er das Recht zu Gunst der Pfaffen bog. Denn als die Leute von dem Gotteshaus Einsiedeln uns die Alp in Anspruch nahmen, Die wir beweidet seit der Väter Zeit, Der Abt herfürzog einen alten Brief,
Die Roͤmerkron’ ihm auf das Haupt zu ſetzen. Daheim regierten ſie ſich froͤhlich ſelbſt Nach altem Brauch und eigenem Geſetz, Der hoͤchſte Blutbann war allein des Kaiſers. Und dazu ward beſtellt ein großer Graf, Der hatte ſeinen Sitz nicht in dem Lande, Wenn Blutſchuld kam, ſo rief man ihn herein, Und unter offnem Himmel, ſchlicht und klar, Sprach er das Recht und ohne Furcht der Menſchen. Wo ſind hier Spuren, daß wir Knechte ſind? Iſt einer, der es anders weiß, der rede! Im Hofe Nein, ſo verhaͤlt ſich alles wie ihr ſprecht, Gewaltherrſchaft ward nie bei uns geduldet. Stauffacher Dem Kaiſer ſelbſt verſagten wir Gehorſam, Da er das Recht zu Gunſt der Pfaffen bog. Denn als die Leute von dem Gotteshaus Einſiedeln uns die Alp in Anſpruch nahmen, Die wir beweidet ſeit der Vaͤter Zeit, Der Abt herfuͤrzog einen alten Brief, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#STA"> <p><pb facs="#f0102" n="88"/> Die Roͤmerkron’ ihm auf das Haupt zu ſetzen.<lb/> Daheim regierten ſie ſich froͤhlich ſelbſt<lb/> Nach altem Brauch und eigenem Geſetz,<lb/> Der hoͤchſte Blutbann war allein des Kaiſers.<lb/> Und dazu ward beſtellt ein großer Graf,<lb/> Der hatte ſeinen Sitz nicht in dem Lande,<lb/> Wenn Blutſchuld kam, ſo rief man ihn herein,<lb/> Und unter offnem Himmel, ſchlicht und klar,<lb/> Sprach er das Recht und ohne Furcht der Menſchen.<lb/> Wo ſind hier Spuren, daß wir Knechte ſind?<lb/> Iſt einer, der es anders weiß, der rede!</p><lb/> </sp> <sp who="#IM "> <speaker> <hi rendition="#g">Im Hofe</hi> </speaker><lb/> <p>Nein, ſo verhaͤlt ſich alles wie ihr ſprecht,<lb/> Gewaltherrſchaft ward nie bei uns geduldet.</p><lb/> </sp> <sp who="#STA"> <speaker> <hi rendition="#g">Stauffacher</hi> </speaker><lb/> <p>Dem Kaiſer ſelbſt verſagten wir Gehorſam,<lb/> Da er das Recht zu Gunſt der Pfaffen bog.<lb/> Denn als die Leute von dem Gotteshaus<lb/><hi rendition="#g">Einſiedeln</hi> uns die Alp in Anſpruch nahmen,<lb/> Die wir beweidet ſeit der Vaͤter Zeit,<lb/> Der Abt herfuͤrzog einen alten Brief,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0102]
Die Roͤmerkron’ ihm auf das Haupt zu ſetzen.
Daheim regierten ſie ſich froͤhlich ſelbſt
Nach altem Brauch und eigenem Geſetz,
Der hoͤchſte Blutbann war allein des Kaiſers.
Und dazu ward beſtellt ein großer Graf,
Der hatte ſeinen Sitz nicht in dem Lande,
Wenn Blutſchuld kam, ſo rief man ihn herein,
Und unter offnem Himmel, ſchlicht und klar,
Sprach er das Recht und ohne Furcht der Menſchen.
Wo ſind hier Spuren, daß wir Knechte ſind?
Iſt einer, der es anders weiß, der rede!
Im Hofe
Nein, ſo verhaͤlt ſich alles wie ihr ſprecht,
Gewaltherrſchaft ward nie bei uns geduldet.
Stauffacher
Dem Kaiſer ſelbſt verſagten wir Gehorſam,
Da er das Recht zu Gunſt der Pfaffen bog.
Denn als die Leute von dem Gotteshaus
Einſiedeln uns die Alp in Anſpruch nahmen,
Die wir beweidet ſeit der Vaͤter Zeit,
Der Abt herfuͤrzog einen alten Brief,
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_tell_1804/102>, abgerufen am 25.07.2024. |