Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.Die Räuber, Roller nimmt den Brief von der Erde, und ließt. "Unglücklicher Bruder!" der Anfang klingt lustig. "Nur kürzlich mus ich dir melden, daß deine Hoff- nung vereitelt ist -- du sollst hingehen, läßt dir der Vater sagen, wohin dich deine Schandthaten führen. Auch, sagt er, werdest du dir keine Hoff- nung machen, jemals Gnade zu seinen Füssen zu erwimmern, wenn du nicht gewärtig seyn wollest, im untersten Gewölb seiner Thürme mit Wasser und Brod so lang traktirt zu werden, bis deine Haare wachsen wie Adlers-Federn, und deine Nä- gel wie Vogelsklauen werden. Das sind seine eige- ne Worte. Er befiehlt mir den Brief zu schliessen. Leb wohl auf ewig! Jch bedaure dich -- Franz von Moor." Schweizer. Ein zukersüßes Brüdergen! Jn der That! -- Franz heißt die Kanaille? Spiegelberg sachte herbey schleichend. Von Wasser und Brod ist die Rede? Ein schönes Leben! Da hab ich anders für euch gesorgt! Sagt' ichs nicht, ich müßt' am Ende für euch alle denken? Schweizer. Was sagt der Schafskopf? der Esel will für uns alle denken? Spiegelberg. Haasen, Krüppel, lahme Hun- de
Die Raͤuber, Roller nimmt den Brief von der Erde, und ließt. „Ungluͤcklicher Bruder!″ der Anfang klingt luſtig. „Nur kuͤrzlich mus ich dir melden, daß deine Hoff- nung vereitelt iſt — du ſollſt hingehen, laͤßt dir der Vater ſagen, wohin dich deine Schandthaten fuͤhren. Auch, ſagt er, werdeſt du dir keine Hoff- nung machen, jemals Gnade zu ſeinen Fuͤſſen zu erwimmern, wenn du nicht gewaͤrtig ſeyn wolleſt, im unterſten Gewoͤlb ſeiner Thuͤrme mit Waſſer und Brod ſo lang traktirt zu werden, bis deine Haare wachſen wie Adlers-Federn, und deine Naͤ- gel wie Vogelsklauen werden. Das ſind ſeine eige- ne Worte. Er befiehlt mir den Brief zu ſchlieſſen. Leb wohl auf ewig! Jch bedaure dich — Franz von Moor.″ Schweizer. Ein zukerſuͤßes Bruͤdergen! Jn der That! — Franz heißt die Kanaille? Spiegelberg ſachte herbey ſchleichend. Von Waſſer und Brod iſt die Rede? Ein ſchoͤnes Leben! Da hab ich anders fuͤr euch geſorgt! Sagt' ichs nicht, ich muͤßt' am Ende fuͤr euch alle denken? Schweizer. Was ſagt der Schafskopf? der Eſel will fuͤr uns alle denken? Spiegelberg. Haaſen, Kruͤppel, lahme Hun- de
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0052" n="30"/> <fw place="top" type="header">Die Raͤuber,</fw><lb/> <sp who="#ROL"> <speaker> <hi rendition="#b">Roller</hi> </speaker> <stage>nimmt den Brief von der Erde, und ließt.</stage><lb/> <p>„Ungluͤcklicher Bruder!″ der Anfang klingt luſtig.<lb/> „Nur kuͤrzlich mus ich dir melden, daß deine Hoff-<lb/> nung vereitelt iſt — du ſollſt hingehen, laͤßt dir<lb/> der Vater ſagen, wohin dich deine Schandthaten<lb/> fuͤhren. Auch, ſagt er, werdeſt du dir keine Hoff-<lb/> nung machen, jemals Gnade zu ſeinen Fuͤſſen zu<lb/> erwimmern, wenn du nicht gewaͤrtig ſeyn wolleſt,<lb/> im unterſten Gewoͤlb ſeiner Thuͤrme mit Waſſer<lb/> und Brod ſo lang traktirt zu werden, bis deine<lb/> Haare wachſen wie Adlers-Federn, und deine Naͤ-<lb/> gel wie Vogelsklauen werden. Das ſind ſeine eige-<lb/> ne Worte. Er befiehlt mir den Brief zu ſchlieſſen.<lb/> Leb wohl auf ewig! Jch bedaure dich —</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Franz von Moor.</hi>″</p><lb/> </sp> <sp who="#SCHWEI"> <speaker> <hi rendition="#b">Schweizer.</hi> </speaker> <p>Ein zukerſuͤßes Bruͤdergen! Jn<lb/> der That! — Franz heißt die Kanaille?</p> </sp><lb/> <sp who="#SPI"> <speaker> <hi rendition="#b">Spiegelberg</hi> </speaker> <stage>ſachte herbey ſchleichend.</stage> <p>Von Waſſer<lb/> und Brod iſt die Rede? Ein ſchoͤnes Leben! Da<lb/> hab ich anders fuͤr euch geſorgt! Sagt' ichs nicht,<lb/> ich muͤßt' am Ende fuͤr euch alle denken?</p> </sp><lb/> <sp who="#SCHWEI"> <speaker> <hi rendition="#b">Schweizer.</hi> </speaker> <p>Was ſagt der Schafskopf? der<lb/> Eſel will fuͤr uns alle denken?</p> </sp><lb/> <sp who="#SPI"> <speaker> <hi rendition="#b">Spiegelberg.</hi> </speaker> <p>Haaſen, Kruͤppel, lahme Hun-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">de</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0052]
Die Raͤuber,
Roller nimmt den Brief von der Erde, und ließt.
„Ungluͤcklicher Bruder!″ der Anfang klingt luſtig.
„Nur kuͤrzlich mus ich dir melden, daß deine Hoff-
nung vereitelt iſt — du ſollſt hingehen, laͤßt dir
der Vater ſagen, wohin dich deine Schandthaten
fuͤhren. Auch, ſagt er, werdeſt du dir keine Hoff-
nung machen, jemals Gnade zu ſeinen Fuͤſſen zu
erwimmern, wenn du nicht gewaͤrtig ſeyn wolleſt,
im unterſten Gewoͤlb ſeiner Thuͤrme mit Waſſer
und Brod ſo lang traktirt zu werden, bis deine
Haare wachſen wie Adlers-Federn, und deine Naͤ-
gel wie Vogelsklauen werden. Das ſind ſeine eige-
ne Worte. Er befiehlt mir den Brief zu ſchlieſſen.
Leb wohl auf ewig! Jch bedaure dich —
Franz von Moor.″
Schweizer. Ein zukerſuͤßes Bruͤdergen! Jn
der That! — Franz heißt die Kanaille?
Spiegelberg ſachte herbey ſchleichend. Von Waſſer
und Brod iſt die Rede? Ein ſchoͤnes Leben! Da
hab ich anders fuͤr euch geſorgt! Sagt' ichs nicht,
ich muͤßt' am Ende fuͤr euch alle denken?
Schweizer. Was ſagt der Schafskopf? der
Eſel will fuͤr uns alle denken?
Spiegelberg. Haaſen, Kruͤppel, lahme Hun-
de
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |