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Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.

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ein Schauspiel.
D. a. Moor. Habe Dauk, o Gott! Erschienen
ist die Stunde der Erlösung.
Moor. Geist des alten Moors! Was hat dich
beunruhigt in deinem Grab? Hast du eine Sünde
in jene Welt geschleppt, die der den Eingang in die
Pforten des Paradises verrammelt? Jch will Messen
lesen lassen, den irrenden Geist in seine Heymath zu
senden. Hast du das Gold der Wittwen und Way-
sen unter die Erde vergraben, das dich zu dieser
mitternächtlichen Stunde heulend herumtreibt, ich
will den unterirrdischen Schaz aus den Klauen
des Zauberdrachen reissen, udd wenn er tausend ro-
the Flammen auf mi#h speyt, und seine spizen Zäh-
ne gegen meinem Degen blekt, oder kommst du auf
meine Fragen die Räthsel der Ewigkeit zu entfalten?
Rede, rede! ich bin der Mann der bleichen Furcht
nicht.
D. a. Moor. Jch bin kein Geist. Taste mich
an, ich lebe, oh ein elendes erbärmliches Leben!
Moor. Was? Du bist nicht begraben worden?
D. a. Moor. Jch bin begraben worden
-- das heißt: ein toder Hund ligt in meiner
Väter Grufft; und ich -- drey volle Monde schmacht
ich schon in diesem finstern unterirrdischen Gewöl-
be, von keinem Strahle beschienen, von keinem
warmen Lüftchen angeweht, von keinem Freunde
besucht, wo wilde Raben krächzen, und mitternächt-
iche Uhus heulen --
Moor.
ein Schauſpiel.
D. a. Moor. Habe Dauk, o Gott! Erſchienen
iſt die Stunde der Erloͤſung.
Moor. Geiſt des alten Moors! Was hat dich
beunruhigt in deinem Grab? Haſt du eine Suͤnde
in jene Welt geſchleppt, die der den Eingang in die
Pforten des Paradiſes verrammelt? Jch will Meſſen
leſen laſſen, den irrenden Geiſt in ſeine Heymath zu
ſenden. Haſt du das Gold der Wittwen und Way-
ſen unter die Erde vergraben, das dich zu dieſer
mitternaͤchtlichen Stunde heulend herumtreibt, ich
will den unterirrdiſchen Schaz aus den Klauen
des Zauberdrachen reiſſen, udd wenn er tauſend ro-
the Flammen auf mi#h ſpeyt, und ſeine ſpizen Zaͤh-
ne gegen meinem Degen blekt, oder kommſt du auf
meine Fragen die Raͤthſel der Ewigkeit zu entfalten?
Rede, rede! ich bin der Mann der bleichen Furcht
nicht.
D. a. Moor. Jch bin kein Geiſt. Taſte mich
an, ich lebe, oh ein elendes erbaͤrmliches Leben!
Moor. Was? Du biſt nicht begraben worden?
D. a. Moor. Jch bin begraben worden
— das heißt: ein toder Hund ligt in meiner
Vaͤter Grufft; und ich — drey volle Monde ſchmacht
ich ſchon in dieſem finſtern unterirrdiſchen Gewoͤl-
be, von keinem Strahle beſchienen, von keinem
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iche Uhus heulen —
Moor.
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[175/0197] ein Schauſpiel. D. a. Moor. Habe Dauk, o Gott! Erſchienen iſt die Stunde der Erloͤſung. Moor. Geiſt des alten Moors! Was hat dich beunruhigt in deinem Grab? Haſt du eine Suͤnde in jene Welt geſchleppt, die der den Eingang in die Pforten des Paradiſes verrammelt? Jch will Meſſen leſen laſſen, den irrenden Geiſt in ſeine Heymath zu ſenden. Haſt du das Gold der Wittwen und Way- ſen unter die Erde vergraben, das dich zu dieſer mitternaͤchtlichen Stunde heulend herumtreibt, ich will den unterirrdiſchen Schaz aus den Klauen des Zauberdrachen reiſſen, udd wenn er tauſend ro- the Flammen auf mi#h ſpeyt, und ſeine ſpizen Zaͤh- ne gegen meinem Degen blekt, oder kommſt du auf meine Fragen die Raͤthſel der Ewigkeit zu entfalten? Rede, rede! ich bin der Mann der bleichen Furcht nicht. D. a. Moor. Jch bin kein Geiſt. Taſte mich an, ich lebe, oh ein elendes erbaͤrmliches Leben! Moor. Was? Du biſt nicht begraben worden? D. a. Moor. Jch bin begraben worden — das heißt: ein toder Hund ligt in meiner Vaͤter Grufft; und ich — drey volle Monde ſchmacht ich ſchon in dieſem finſtern unterirrdiſchen Gewoͤl- be, von keinem Strahle beſchienen, von keinem warmen Luͤftchen angeweht, von keinem Freunde beſucht, wo wilde Raben kraͤchzen, und mitternaͤcht- iche Uhus heulen — Moor.

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/197>, abgerufen am 02.05.2024.