Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.ein Schauspiel. am Blut meiner Mutter -- von Schauer geschüttelt. Warum hat mein Perillus einen Ochsen aus mir gemacht, daß die Menschheit in meinem glühenden Bauche bratet? Er sezt die Pistolen an. Zeit und Ewigkeit -- ge- kettet aneinander durch ein einzig Moment! -- Grauser Schlüssel, der das Gefängniß des Lebens hinter mir schließt, und vor mir aufriegelt die Be- hausung der ewigen Nacht -- sage mir -- o sa- ge mir -- wohin -- wohin wirst du mich füh- ren? -- Fremdes, nie umsegeltes Land! -- Siehe, die Menschheit erschlappt unter diesem Bilde, die Spannkrafft des Endlichen läßt nach, und die Phantasey, der muthwillige Affe der Sinne gaukelt unserer Leichtglä#bigkeit seltsame Schat- ten vor -- Nein! Nein! Ein Mann muß nicht straucheln -- Sei wie du wilt namenloses Jenseits -- bleibt mir nur dieses mein Selbst getreu -- Sei wie du willt, wenn ich nur mich selbst mit hinübernehme -- Außendinge sind uur der Anstrich des Manns -- Jch bin mein Him- mel und meine Hölle. Wenn Du mir irgend einen eingeäscherten Welt- kreis allein liessest, den Du aus deinen Augen verbannt hast, wo die einsame Nacht, und die ewige Wüste meine Aussichten sind? -- Jch würde dann die schweigende Oede mit meinen Phantasien bevölkern, und hätte die Ewigkeit zur Muße, das ver-
ein Schauſpiel. am Blut meiner Mutter — von Schauer geſchuͤttelt. Warum hat mein Perillus einen Ochſen aus mir gemacht, daß die Menſchheit in meinem gluͤhenden Bauche bratet? Er ſezt die Piſtolen an. Zeit und Ewigkeit — ge- kettet aneinander durch ein einzig Moment! — Grauſer Schluͤſſel, der das Gefaͤngniß des Lebens hinter mir ſchließt, und vor mir aufriegelt die Be- hauſung der ewigen Nacht — ſage mir — o ſa- ge mir — wohin — wohin wirſt du mich fuͤh- ren? — Fremdes, nie umſegeltes Land! — Siehe, die Menſchheit erſchlappt unter dieſem Bilde, die Spannkrafft des Endlichen laͤßt nach, und die Phantaſey, der muthwillige Affe der Sinne gaukelt unſerer Leichtglaͤ#bigkeit ſeltſame Schat- ten vor — Nein! Nein! Ein Mann muß nicht ſtraucheln — Sei wie du wilt namenloſes Jenſeits — bleibt mir nur dieſes mein Selbſt getreu — Sei wie du willt, wenn ich nur mich ſelbſt mit hinuͤbernehme — Außendinge ſind uur der Anſtrich des Manns — Jch bin mein Him- mel und meine Hoͤlle. Wenn Du mir irgend einen eingeaͤſcherten Welt- kreis allein lieſſeſt, den Du aus deinen Augen verbannt haſt, wo die einſame Nacht, und die ewige Wuͤſte meine Auſſichten ſind? — Jch wuͤrde dann die ſchweigende Oede mit meinen Phantaſien bevoͤlkern, und haͤtte die Ewigkeit zur Muße, das ver-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#BRU"> <p><pb facs="#f0193" n="171"/><fw place="top" type="header">ein Schauſpiel.</fw><lb/> am Blut meiner Mutter — <stage>von Schauer geſchuͤttelt.</stage><lb/> Warum hat mein Perillus einen Ochſen aus mir<lb/> gemacht, daß die Menſchheit in meinem gluͤhenden<lb/> Bauche bratet?</p><lb/> <p><stage>Er ſezt die Piſtolen an.</stage><hi rendition="#fr">Zeit</hi> und <hi rendition="#fr">Ewigkeit</hi> — ge-<lb/> kettet aneinander durch ein einzig Moment! —<lb/> Grauſer Schluͤſſel, der das Gefaͤngniß des Lebens<lb/> hinter mir ſchließt, und vor mir aufriegelt die Be-<lb/> hauſung der ewigen Nacht — ſage mir — o ſa-<lb/> ge mir — <hi rendition="#fr">wohin — wohin</hi> wirſt du mich fuͤh-<lb/> ren? — Fremdes, nie umſegeltes Land! — Siehe,<lb/> die Menſchheit erſchlappt unter <hi rendition="#fr">dieſem</hi> Bilde, die<lb/> Spannkrafft des Endlichen laͤßt nach, und die<lb/> Phantaſey, der muthwillige Affe der Sinne<lb/> gaukelt unſerer Leichtglaͤ#bigkeit ſeltſame Schat-<lb/> ten vor — Nein! Nein! Ein Mann muß nicht<lb/> ſtraucheln — Sei wie du wilt <hi rendition="#fr">namenloſes<lb/> Jenſeits</hi> — bleibt mir nur dieſes mein <hi rendition="#fr">Selbſt</hi><lb/> getreu — Sei wie du willt, wenn ich nur <hi rendition="#fr">mich<lb/> ſelbſt</hi> mit hinuͤbernehme — Außendinge ſind uur<lb/> der Anſtrich des Manns — <hi rendition="#fr">Jch</hi> bin mein Him-<lb/> mel und meine Hoͤlle.</p><lb/> <p>Wenn Du mir irgend einen eingeaͤſcherten Welt-<lb/> kreis <hi rendition="#fr">allein</hi> lieſſeſt, den Du aus deinen Augen<lb/> verbannt haſt, wo die einſame Nacht, und die<lb/> ewige Wuͤſte meine Auſſichten ſind? — Jch wuͤrde<lb/> dann die ſchweigende Oede mit meinen Phantaſien<lb/> bevoͤlkern, und haͤtte die Ewigkeit zur Muße, das<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0193]
ein Schauſpiel.
am Blut meiner Mutter — von Schauer geſchuͤttelt.
Warum hat mein Perillus einen Ochſen aus mir
gemacht, daß die Menſchheit in meinem gluͤhenden
Bauche bratet?
Er ſezt die Piſtolen an. Zeit und Ewigkeit — ge-
kettet aneinander durch ein einzig Moment! —
Grauſer Schluͤſſel, der das Gefaͤngniß des Lebens
hinter mir ſchließt, und vor mir aufriegelt die Be-
hauſung der ewigen Nacht — ſage mir — o ſa-
ge mir — wohin — wohin wirſt du mich fuͤh-
ren? — Fremdes, nie umſegeltes Land! — Siehe,
die Menſchheit erſchlappt unter dieſem Bilde, die
Spannkrafft des Endlichen laͤßt nach, und die
Phantaſey, der muthwillige Affe der Sinne
gaukelt unſerer Leichtglaͤ#bigkeit ſeltſame Schat-
ten vor — Nein! Nein! Ein Mann muß nicht
ſtraucheln — Sei wie du wilt namenloſes
Jenſeits — bleibt mir nur dieſes mein Selbſt
getreu — Sei wie du willt, wenn ich nur mich
ſelbſt mit hinuͤbernehme — Außendinge ſind uur
der Anſtrich des Manns — Jch bin mein Him-
mel und meine Hoͤlle.
Wenn Du mir irgend einen eingeaͤſcherten Welt-
kreis allein lieſſeſt, den Du aus deinen Augen
verbannt haſt, wo die einſame Nacht, und die
ewige Wuͤſte meine Auſſichten ſind? — Jch wuͤrde
dann die ſchweigende Oede mit meinen Phantaſien
bevoͤlkern, und haͤtte die Ewigkeit zur Muße, das
ver-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/193 |
Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/193>, abgerufen am 16.02.2025. |