Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.Die Räuber, und dich mit der tollen Sucht zum grosen Mann an-steckte? Küzelt dich nach Namen und Ehre? willst du Unsterblichkeit mit Mordbrennereyen erkaufen? Merk dirs, ehrgeiziger Jüngling! Für Mordbren- ner grünet kein Loorbeer! Auf Banditen-Siege ist kein Triumf gesezt -- aber Fluch, Gefahr, Tod Schande -- siehst du auch das Hochgericht dort auf dem Hügel? Spiegelberg unwillig auf und abgehend. Ey wie dumm! wie abscheulich, wie unverzeihlich dumm! das ist die Manier nicht! Jch habs anderst gemacht. Kosinsky. Was soll der fürchten, der den Tod nicht fürchtet? Moor. Brav! Unvergleichlich! Du hast dich waker in den Schulen gehalten, du hast deinen Se- neka meisterlich auswendig gelernt. -- Aber lieber Freund, mit dergleichen Sentenzen wirst du die lei- dende Natur nicht beschwäzen, damit wirst du die Pfeile des Schmerzens nimmermehr stumpf machen. -- Besinne dich recht, mein Sohn! Er mimmt seine Hand. Denk, ich rathe dir als ein Vater -- lern erst die Tiefe des Abgrunds kennen, eh du hinei#- springst! Wenn du noch in der Welt eime einzige Freude zu erhaschen weist -- es könnten A#ugenblike kommen, wo du -- aufwachst -- und dann -- möcht es zu spät seyn. Du tritst hier gleichsam aus dem Kreise der Menschheit -- entwe#der must du ein höherer Mensch seyn, oder du bist ein Teu- fel --
Die Raͤuber, und dich mit der tollen Sucht zum groſen Mann an-ſteckte? Kuͤzelt dich nach Namen und Ehre? willſt du Unſterblichkeit mit Mordbrennereyen erkaufen? Merk dirs, ehrgeiziger Juͤngling! Fuͤr Mordbren- ner gruͤnet kein Loorbeer! Auf Banditen-Siege iſt kein Triumf geſezt — aber Fluch, Gefahr, Tod Schande — ſiehſt du auch das Hochgericht dort auf dem Huͤgel? Spiegelberg unwillig auf und abgehend. Ey wie dumm! wie abſcheulich, wie unverzeihlich dumm! das iſt die Manier nicht! Jch habs anderſt gemacht. Koſinsky. Was ſoll der fuͤrchten, der den Tod nicht fuͤrchtet? Moor. Brav! Unvergleichlich! Du haſt dich waker in den Schulen gehalten, du haſt deinen Se- neka meiſterlich auswendig gelernt. — Aber lieber Freund, mit dergleichen Sentenzen wirſt du die lei- dende Natur nicht beſchwaͤzen, damit wirſt du die Pfeile des Schmerzens nimmermehr ſtumpf machen. — Beſinne dich recht, mein Sohn! Er mimmt ſeine Hand. Denk, ich rathe dir als ein Vater — lern erſt die Tiefe des Abgrunds kennen, eh du hinei#- ſpringſt! Wenn du noch in der Welt eime einzige Freude zu erhaſchen weiſt — es koͤnnten A#ugenblike kommen, wo du — aufwachſt — und dann — moͤcht es zu ſpaͤt ſeyn. Du tritſt hier gleichſam aus dem Kreiſe der Menſchheit — entwe#der muſt du ein hoͤherer Menſch ſeyn, oder du biſt ein Teu- fel —
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Die Raͤuber,
und dich mit der tollen Sucht zum groſen Mann an-
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du Unſterblichkeit mit Mordbrennereyen erkaufen?
Merk dirs, ehrgeiziger Juͤngling! Fuͤr Mordbren-
ner gruͤnet kein Loorbeer! Auf Banditen-Siege iſt
kein Triumf geſezt — aber Fluch, Gefahr, Tod
Schande — ſiehſt du auch das Hochgericht dort auf
dem Huͤgel?
Spiegelberg unwillig auf und abgehend. Ey wie
dumm! wie abſcheulich, wie unverzeihlich dumm!
das iſt die Manier nicht! Jch habs anderſt gemacht.
Koſinsky. Was ſoll der fuͤrchten, der den Tod
nicht fuͤrchtet?
Moor. Brav! Unvergleichlich! Du haſt dich
waker in den Schulen gehalten, du haſt deinen Se-
neka meiſterlich auswendig gelernt. — Aber lieber
Freund, mit dergleichen Sentenzen wirſt du die lei-
dende Natur nicht beſchwaͤzen, damit wirſt du die
Pfeile des Schmerzens nimmermehr ſtumpf machen.
— Beſinne dich recht, mein Sohn! Er mimmt ſeine
Hand. Denk, ich rathe dir als ein Vater — lern
erſt die Tiefe des Abgrunds kennen, eh du hinei#-
ſpringſt! Wenn du noch in der Welt eime einzige
Freude zu erhaſchen weiſt — es koͤnnten A#ugenblike
kommen, wo du — aufwachſt — und dann —
moͤcht es zu ſpaͤt ſeyn. Du tritſt hier gleichſam
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/150>, abgerufen am 16.02.2025. |