Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.Vorrede. Franzen all die verworrenen Schauer des Ge-wissens in ohnmächtige Abstraktionen auf, skeletisirt die richtende Empfindung, und scherzt die ernsthafte Stimme der Religion hinweg. Wer es einmal so weit gebracht hat, (ein Ruhm, den wir ihm nicht beneiden) seinen Verstand auf Unkosten seines Herzens zu verfeinern, dem ist das Heiligste nicht heilig mehr -- dem ist die Menschheit, die Gottheit nichts -- Beide Welten sind nichts in seinen Augen. Jch habe versucht, von einem Mißmenschen dieser Art ein treffendes lebendiges Konterfey hinzuwerffen, die voll- ständige Mechanik seines Lastersystems ausein- ander zu gliedern -- und ihre Kraft an der Wahrheit zu prüfen. Man unterrichte sich demnach im Verfolg dieser Geschichte, wie weit ihr's gelungen hat -- Jch denke, ich habe die Natur getroffen. Nächst
Vorrede. Franzen all die verworrenen Schauer des Ge-wiſſens in ohnmaͤchtige Abſtraktionen auf, ſkeletiſirt die richtende Empfindung, und ſcherzt die ernſthafte Stimme der Religion hinweg. Wer es einmal ſo weit gebracht hat, (ein Ruhm, den wir ihm nicht beneiden) ſeinen Verſtand auf Unkoſten ſeines Herzens zu verfeinern, dem iſt das Heiligſte nicht heilig mehr — dem iſt die Menſchheit, die Gottheit nichts — Beide Welten ſind nichts in ſeinen Augen. Jch habe verſucht, von einem Mißmenſchen dieſer Art ein treffendes lebendiges Konterfey hinzuwerffen, die voll- ſtaͤndige Mechanik ſeines Laſterſyſtems ausein- ander zu gliedern — und ihre Kraft an der Wahrheit zu pruͤfen. Man unterrichte ſich demnach im Verfolg dieſer Geſchichte, wie weit ihr's gelungen hat — Jch denke, ich habe die Natur getroffen. Naͤchſt
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Vorrede.
Franzen all die verworrenen Schauer des Ge-
wiſſens in ohnmaͤchtige Abſtraktionen auf,
ſkeletiſirt die richtende Empfindung, und
ſcherzt die ernſthafte Stimme der Religion
hinweg. Wer es einmal ſo weit gebracht hat,
(ein Ruhm, den wir ihm nicht beneiden)
ſeinen Verſtand auf Unkoſten ſeines Herzens
zu verfeinern, dem iſt das Heiligſte nicht
heilig mehr — dem iſt die Menſchheit, die
Gottheit nichts — Beide Welten ſind nichts
in ſeinen Augen. Jch habe verſucht, von
einem Mißmenſchen dieſer Art ein treffendes
lebendiges Konterfey hinzuwerffen, die voll-
ſtaͤndige Mechanik ſeines Laſterſyſtems ausein-
ander zu gliedern — und ihre Kraft an der
Wahrheit zu pruͤfen. Man unterrichte ſich
demnach im Verfolg dieſer Geſchichte, wie
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habe die Natur getroffen.
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