Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.Heinrich Matthias, Graf von Thurn, kein geborner Böhme, aber Besizer einiger Güter in diesem Königreiche, hatte sich durch Eifer für die protestantische Religion, und durch eine schwärmerische Anhänglichkeit an sein neues Vaterland des ganzen Vertrauens der Utraquisten bemächtigt, welches ihm den Weg zu den wichtigsten Posten bahnte. Seinen Degen hatte er gegen die Türken mit vielem Ruhme geführt; durch ein einschmeichelndes Betragen gewann er sich die Herzen der Menge. Ein heißer, ungestümer Kopf, der die Verwirrung liebte, weil seine Talente darin glänzten; unbesonnen und tolldreist genug, Dinge zu unternehmen, die eine kalte Klugheit und ein ruhigeres Blut nicht wagt; ungewissenhaft genug, wenn es die Befriedigung seiner Leidenschaften galt, mit dem Schicksale von Tausenden zu spielen, und eben fein genug, eine Nation, wie damals die Böhmische war, an seinem Gängelbande zu führen. Schon an den Unruhen unter Rudolphs Regierung hatte er den thätigsten Antheil genommen, und der Majestätsbrief, den die Stände von diesem Kaiser erpreßten, war vorzüglich sein Verdienst. Der Hof hatte ihm, als Burggrafen von Carlstein, die Böhmische Krone und die Freyheitsbriefe des Königreichs zur Bewahrung anvertraut; aber etwas weit wichtigeres - sich selbst - hatte ihm die Nation mit der Stelle eines Defensors, oder Glaubensbeschüzers übergeben. Die Aristokraten, welche den Kaiser beherrschten, entrissen ihm unklug die Aufsicht über das Todte, um ihm den Einfluß auf das Lebendige zu lassen. Sie nahmen ihm die Burggrafenstelle, die ihn von der Hofgunst abhängig machte, um ihm die Augen über die Wichtigkeit der andern zu öffnen, die ihm übrig blieb, und kränkten seine Eitelkeit, die doch seinen Ehrgeiz unschädlich machte. Von dieser Zeit an beherrschte ihn die Begierde nach Rache, und die Gelegenheit fehlte nicht lange, sie zu befriedigen. Im Majestätsbriefe, welchen die Böhmen von Heinrich Matthias, Graf von Thurn, kein geborner Böhme, aber Besizer einiger Güter in diesem Königreiche, hatte sich durch Eifer für die protestantische Religion, und durch eine schwärmerische Anhänglichkeit an sein neues Vaterland des ganzen Vertrauens der Utraquisten bemächtigt, welches ihm den Weg zu den wichtigsten Posten bahnte. Seinen Degen hatte er gegen die Türken mit vielem Ruhme geführt; durch ein einschmeichelndes Betragen gewann er sich die Herzen der Menge. Ein heißer, ungestümer Kopf, der die Verwirrung liebte, weil seine Talente darin glänzten; unbesonnen und tolldreist genug, Dinge zu unternehmen, die eine kalte Klugheit und ein ruhigeres Blut nicht wagt; ungewissenhaft genug, wenn es die Befriedigung seiner Leidenschaften galt, mit dem Schicksale von Tausenden zu spielen, und eben fein genug, eine Nation, wie damals die Böhmische war, an seinem Gängelbande zu führen. Schon an den Unruhen unter Rudolphs Regierung hatte er den thätigsten Antheil genommen, und der Majestätsbrief, den die Stände von diesem Kaiser erpreßten, war vorzüglich sein Verdienst. Der Hof hatte ihm, als Burggrafen von Carlstein, die Böhmische Krone und die Freyheitsbriefe des Königreichs zur Bewahrung anvertraut; aber etwas weit wichtigeres – sich selbst – hatte ihm die Nation mit der Stelle eines Defensors, oder Glaubensbeschüzers übergeben. Die Aristokraten, welche den Kaiser beherrschten, entrissen ihm unklug die Aufsicht über das Todte, um ihm den Einfluß auf das Lebendige zu lassen. Sie nahmen ihm die Burggrafenstelle, die ihn von der Hofgunst abhängig machte, um ihm die Augen über die Wichtigkeit der andern zu öffnen, die ihm übrig blieb, und kränkten seine Eitelkeit, die doch seinen Ehrgeiz unschädlich machte. Von dieser Zeit an beherrschte ihn die Begierde nach Rache, und die Gelegenheit fehlte nicht lange, sie zu befriedigen. Im Majestätsbriefe, welchen die Böhmen von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0081" n="73"/> <p><persName>Heinrich Matthias, Graf von Thurn</persName>, kein geborner Böhme, aber Besizer einiger Güter in diesem Königreiche, hatte sich durch Eifer für die protestantische Religion, und durch eine schwärmerische Anhänglichkeit an sein neues Vaterland des ganzen Vertrauens der Utraquisten bemächtigt, welches ihm den Weg zu den wichtigsten Posten bahnte. Seinen Degen hatte er gegen die Türken mit vielem Ruhme geführt; durch ein einschmeichelndes Betragen gewann er sich die Herzen der Menge. Ein heißer, ungestümer Kopf, der die Verwirrung liebte, weil seine Talente darin glänzten; unbesonnen und tolldreist genug, Dinge zu unternehmen, die eine kalte Klugheit und ein ruhigeres Blut nicht wagt; ungewissenhaft genug, wenn es die Befriedigung seiner Leidenschaften galt, mit dem Schicksale von Tausenden zu spielen, und eben fein genug, eine Nation, wie damals die Böhmische war, an seinem Gängelbande zu führen. Schon an den Unruhen unter <persName>Rudolphs</persName> Regierung hatte er den thätigsten Antheil genommen, und der Majestätsbrief, den die Stände von diesem Kaiser erpreßten, war vorzüglich sein Verdienst. Der Hof hatte ihm, als Burggrafen von Carlstein, die Böhmische Krone und die Freyheitsbriefe des Königreichs zur Bewahrung anvertraut; aber etwas weit wichtigeres – sich selbst – hatte ihm die Nation mit der Stelle eines Defensors, oder Glaubensbeschüzers übergeben. Die Aristokraten, welche den Kaiser beherrschten, entrissen ihm unklug die Aufsicht über das Todte, um ihm den Einfluß auf das Lebendige zu lassen. Sie nahmen ihm die Burggrafenstelle, die ihn von der Hofgunst abhängig machte, um ihm die Augen über die Wichtigkeit der andern zu öffnen, die ihm übrig blieb, und kränkten seine <hi rendition="#fr">Eitelkeit</hi>, die doch seinen <hi rendition="#fr">Ehrgeiz</hi> unschädlich machte. Von dieser Zeit an beherrschte ihn die Begierde nach Rache, und die Gelegenheit fehlte nicht lange, sie zu befriedigen.</p> <p>Im Majestätsbriefe, welchen die Böhmen von </p> </div> </body> </text> </TEI> [73/0081]
Heinrich Matthias, Graf von Thurn, kein geborner Böhme, aber Besizer einiger Güter in diesem Königreiche, hatte sich durch Eifer für die protestantische Religion, und durch eine schwärmerische Anhänglichkeit an sein neues Vaterland des ganzen Vertrauens der Utraquisten bemächtigt, welches ihm den Weg zu den wichtigsten Posten bahnte. Seinen Degen hatte er gegen die Türken mit vielem Ruhme geführt; durch ein einschmeichelndes Betragen gewann er sich die Herzen der Menge. Ein heißer, ungestümer Kopf, der die Verwirrung liebte, weil seine Talente darin glänzten; unbesonnen und tolldreist genug, Dinge zu unternehmen, die eine kalte Klugheit und ein ruhigeres Blut nicht wagt; ungewissenhaft genug, wenn es die Befriedigung seiner Leidenschaften galt, mit dem Schicksale von Tausenden zu spielen, und eben fein genug, eine Nation, wie damals die Böhmische war, an seinem Gängelbande zu führen. Schon an den Unruhen unter Rudolphs Regierung hatte er den thätigsten Antheil genommen, und der Majestätsbrief, den die Stände von diesem Kaiser erpreßten, war vorzüglich sein Verdienst. Der Hof hatte ihm, als Burggrafen von Carlstein, die Böhmische Krone und die Freyheitsbriefe des Königreichs zur Bewahrung anvertraut; aber etwas weit wichtigeres – sich selbst – hatte ihm die Nation mit der Stelle eines Defensors, oder Glaubensbeschüzers übergeben. Die Aristokraten, welche den Kaiser beherrschten, entrissen ihm unklug die Aufsicht über das Todte, um ihm den Einfluß auf das Lebendige zu lassen. Sie nahmen ihm die Burggrafenstelle, die ihn von der Hofgunst abhängig machte, um ihm die Augen über die Wichtigkeit der andern zu öffnen, die ihm übrig blieb, und kränkten seine Eitelkeit, die doch seinen Ehrgeiz unschädlich machte. Von dieser Zeit an beherrschte ihn die Begierde nach Rache, und die Gelegenheit fehlte nicht lange, sie zu befriedigen.
Im Majestätsbriefe, welchen die Böhmen von
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |