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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Direction des ganzen Bundes wurde in Friedenszeiten Chur-Pfalz überlassen, doch mit eingeschränkter Gewalt, zu Bestreitung der Unkosten Vorschüsse gefodert, und ein Fond niedergelegt. Die Religionsverschiedenheit (zwischen Lutheranern und Kalvinisten) sollte auf den Bund keinen Einfluß haben; das Ganze auf zehen Jahre gelten. Jedes Mitglied der Union hatte sich zugleich anheischig machen müssen, neue Mitglieder anzuwerben. Chur-Brandenburg ließ sich bereitwillig finden; Chur-Sachsen mißbilligte den Bund. Hessen konnte keine freye Entschließung fassen; die Herzoge von Braunschweig und Lüneburg hatten gleichfalls Bedenklichkeiten. Aber die drey Reichsstädte, Straßburg, Nürnberg und Ulm, waren keine unwichtige Eroberung für den Bund, weil man ihres Geldes sehr bedürftig war, und ihr Beyspiel von mehrern andern Reichsstädten nachgeahmt werden konnte.

Die unirten Stände, einzeln muthlos und wenig gefürchtet, führten nach geschlossener Vereinigung eine kühnere Sprache. Sie brachten durch den Fürsten Christian von Anhalt ihre gemeinschaftlichen Beschwerden und Foderungen vor den Kaiser, unter denen die Wiederherstellung von Donauwerth, die Aufhebung der kaiserlichen Hofprozesse und die Reformen seines eignen Regiments und seiner Rathgeber den obersten Plaz einnahmen. Zu diesen Vorstellungen hatten sie gerade die Zeit gewählt, wo der Kaiser von den Unruhen in seinen Erbländern kaum zu Athem kommen konnte; wo er Oesterreich und Ungarn kürzlich an Matthias verloren, und seine Böhmische Krone bloß durch Bewilligung des Majestätsbriefs gerettet hatte; wo endlich durch die Jülichische Succeßion schon von fern ein neues Kriegsfeuer zubereitet wurde. Kein Wunder, daß dieser langsame Fürst sich jezt weniger als je in seinen Entschliessungen übereilte, und die Union früher zu dem Schwerte griff, als der Kaiser sich besonnen hatte.

Direction des ganzen Bundes wurde in Friedenszeiten Chur-Pfalz überlassen, doch mit eingeschränkter Gewalt, zu Bestreitung der Unkosten Vorschüsse gefodert, und ein Fond niedergelegt. Die Religionsverschiedenheit (zwischen Lutheranern und Kalvinisten) sollte auf den Bund keinen Einfluß haben; das Ganze auf zehen Jahre gelten. Jedes Mitglied der Union hatte sich zugleich anheischig machen müssen, neue Mitglieder anzuwerben. Chur-Brandenburg ließ sich bereitwillig finden; Chur-Sachsen mißbilligte den Bund. Hessen konnte keine freye Entschließung fassen; die Herzoge von Braunschweig und Lüneburg hatten gleichfalls Bedenklichkeiten. Aber die drey Reichsstädte, Straßburg, Nürnberg und Ulm, waren keine unwichtige Eroberung für den Bund, weil man ihres Geldes sehr bedürftig war, und ihr Beyspiel von mehrern andern Reichsstädten nachgeahmt werden konnte.

Die unirten Stände, einzeln muthlos und wenig gefürchtet, führten nach geschlossener Vereinigung eine kühnere Sprache. Sie brachten durch den Fürsten Christian von Anhalt ihre gemeinschaftlichen Beschwerden und Foderungen vor den Kaiser, unter denen die Wiederherstellung von Donauwerth, die Aufhebung der kaiserlichen Hofprozesse und die Reformen seines eignen Regiments und seiner Rathgeber den obersten Plaz einnahmen. Zu diesen Vorstellungen hatten sie gerade die Zeit gewählt, wo der Kaiser von den Unruhen in seinen Erbländern kaum zu Athem kommen konnte; wo er Oesterreich und Ungarn kürzlich an Matthias verloren, und seine Böhmische Krone bloß durch Bewilligung des Majestätsbriefs gerettet hatte; wo endlich durch die Jülichische Succeßion schon von fern ein neues Kriegsfeuer zubereitet wurde. Kein Wunder, daß dieser langsame Fürst sich jezt weniger als je in seinen Entschliessungen übereilte, und die Union früher zu dem Schwerte griff, als der Kaiser sich besonnen hatte.

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[54/0062] Direction des ganzen Bundes wurde in Friedenszeiten Chur-Pfalz überlassen, doch mit eingeschränkter Gewalt, zu Bestreitung der Unkosten Vorschüsse gefodert, und ein Fond niedergelegt. Die Religionsverschiedenheit (zwischen Lutheranern und Kalvinisten) sollte auf den Bund keinen Einfluß haben; das Ganze auf zehen Jahre gelten. Jedes Mitglied der Union hatte sich zugleich anheischig machen müssen, neue Mitglieder anzuwerben. Chur-Brandenburg ließ sich bereitwillig finden; Chur-Sachsen mißbilligte den Bund. Hessen konnte keine freye Entschließung fassen; die Herzoge von Braunschweig und Lüneburg hatten gleichfalls Bedenklichkeiten. Aber die drey Reichsstädte, Straßburg, Nürnberg und Ulm, waren keine unwichtige Eroberung für den Bund, weil man ihres Geldes sehr bedürftig war, und ihr Beyspiel von mehrern andern Reichsstädten nachgeahmt werden konnte. Die unirten Stände, einzeln muthlos und wenig gefürchtet, führten nach geschlossener Vereinigung eine kühnere Sprache. Sie brachten durch den Fürsten Christian von Anhalt ihre gemeinschaftlichen Beschwerden und Foderungen vor den Kaiser, unter denen die Wiederherstellung von Donauwerth, die Aufhebung der kaiserlichen Hofprozesse und die Reformen seines eignen Regiments und seiner Rathgeber den obersten Plaz einnahmen. Zu diesen Vorstellungen hatten sie gerade die Zeit gewählt, wo der Kaiser von den Unruhen in seinen Erbländern kaum zu Athem kommen konnte; wo er Oesterreich und Ungarn kürzlich an Matthias verloren, und seine Böhmische Krone bloß durch Bewilligung des Majestätsbriefs gerettet hatte; wo endlich durch die Jülichische Succeßion schon von fern ein neues Kriegsfeuer zubereitet wurde. Kein Wunder, daß dieser langsame Fürst sich jezt weniger als je in seinen Entschliessungen übereilte, und die Union früher zu dem Schwerte griff, als der Kaiser sich besonnen hatte.

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/62>, abgerufen am 29.11.2024.