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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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hatte die Baselische Kirchenversammlung in einem eignen Vertrage (den Böhmischen Compaktaten) Hussens Anhängern zugestanden, und wiewohl es nachher von den Päbsten widersprochen ward, so fuhren sie dennoch fort, es unter dem Schuz der Geseze zu genießen. Da der Gebrauch des Kelchs das einzige erhebliche Unterscheidungszeichen dieser Sekte ausmachte, so bezeichnete man sie mit dem Namen der Utraquisten (der in beyderley Gestalt Communicierenden) und sie gefielen sich in diesem Namen, weil er sie an ihr so theures Vorrecht erinnerte. Aber in diesem Namen verbarg sich auch die weit strengere Sekte der Böhmischen und Mährischen Brüder, welche in weit bedeutendern Punkten von der herrschenden Kirche abwichen, und mit den Deutschen Protestanten sehr viel ähnliches hatten. Bey beyden machten die Deutschen sowohl als die Schweizerischen Religionsneuerungen ein schnelles Glück, und der Name der Utraquisten, womit sie ihre veränderten Grundsäze noch immer zu bedecken wußten, schüzte sie vor der Verfolgung.

Im Grunde war es nichts mehr als der Name, was sie mit jenen Utraquisten gemein hatten; dem Wesen nach waren sie ganz Protestanten. Voll Zuversicht auf ihren mächtigen Anhang und auf des Kaisers Toleranz, wagten sie sich unter Maximilians Regierung mit ihren wahren Gesinnungen an das Licht. Sie sezten, nach dem Beyspiel der Deutschen, eine eigene Konfession auf, in welcher sowohl Lutheraner als Reformirte ihre Meinungen erkannten, und wollten alle Privilegien der ehemaligen utraquistischen Kirche auf diese neue Konfession übertragen haben. Dieses Gesuch fand Widerspruch bey ihren katholischen Mitständen, und sie mußten sich mit einem bloßen Wort der Versicherung aus dem Munde des Kaisers begnügen.

So lange Maximilian lebte, genossen sie einer

hatte die Baselische Kirchenversammlung in einem eignen Vertrage (den Böhmischen Compaktaten) Hussens Anhängern zugestanden, und wiewohl es nachher von den Päbsten widersprochen ward, so fuhren sie dennoch fort, es unter dem Schuz der Geseze zu genießen. Da der Gebrauch des Kelchs das einzige erhebliche Unterscheidungszeichen dieser Sekte ausmachte, so bezeichnete man sie mit dem Namen der Utraquisten (der in beyderley Gestalt Communicierenden) und sie gefielen sich in diesem Namen, weil er sie an ihr so theures Vorrecht erinnerte. Aber in diesem Namen verbarg sich auch die weit strengere Sekte der Böhmischen und Mährischen Brüder, welche in weit bedeutendern Punkten von der herrschenden Kirche abwichen, und mit den Deutschen Protestanten sehr viel ähnliches hatten. Bey beyden machten die Deutschen sowohl als die Schweizerischen Religionsneuerungen ein schnelles Glück, und der Name der Utraquisten, womit sie ihre veränderten Grundsäze noch immer zu bedecken wußten, schüzte sie vor der Verfolgung.

Im Grunde war es nichts mehr als der Name, was sie mit jenen Utraquisten gemein hatten; dem Wesen nach waren sie ganz Protestanten. Voll Zuversicht auf ihren mächtigen Anhang und auf des Kaisers Toleranz, wagten sie sich unter Maximilians Regierung mit ihren wahren Gesinnungen an das Licht. Sie sezten, nach dem Beyspiel der Deutschen, eine eigene Konfession auf, in welcher sowohl Lutheraner als Reformirte ihre Meinungen erkannten, und wollten alle Privilegien der ehemaligen utraquistischen Kirche auf diese neue Konfession übertragen haben. Dieses Gesuch fand Widerspruch bey ihren katholischen Mitständen, und sie mußten sich mit einem bloßen Wort der Versicherung aus dem Munde des Kaisers begnügen.

So lange Maximilian lebte, genossen sie einer

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[35/0043] hatte die Baselische Kirchenversammlung in einem eignen Vertrage (den Böhmischen Compaktaten) Hussens Anhängern zugestanden, und wiewohl es nachher von den Päbsten widersprochen ward, so fuhren sie dennoch fort, es unter dem Schuz der Geseze zu genießen. Da der Gebrauch des Kelchs das einzige erhebliche Unterscheidungszeichen dieser Sekte ausmachte, so bezeichnete man sie mit dem Namen der Utraquisten (der in beyderley Gestalt Communicierenden) und sie gefielen sich in diesem Namen, weil er sie an ihr so theures Vorrecht erinnerte. Aber in diesem Namen verbarg sich auch die weit strengere Sekte der Böhmischen und Mährischen Brüder, welche in weit bedeutendern Punkten von der herrschenden Kirche abwichen, und mit den Deutschen Protestanten sehr viel ähnliches hatten. Bey beyden machten die Deutschen sowohl als die Schweizerischen Religionsneuerungen ein schnelles Glück, und der Name der Utraquisten, womit sie ihre veränderten Grundsäze noch immer zu bedecken wußten, schüzte sie vor der Verfolgung. Im Grunde war es nichts mehr als der Name, was sie mit jenen Utraquisten gemein hatten; dem Wesen nach waren sie ganz Protestanten. Voll Zuversicht auf ihren mächtigen Anhang und auf des Kaisers Toleranz, wagten sie sich unter Maximilians Regierung mit ihren wahren Gesinnungen an das Licht. Sie sezten, nach dem Beyspiel der Deutschen, eine eigene Konfession auf, in welcher sowohl Lutheraner als Reformirte ihre Meinungen erkannten, und wollten alle Privilegien der ehemaligen utraquistischen Kirche auf diese neue Konfession übertragen haben. Dieses Gesuch fand Widerspruch bey ihren katholischen Mitständen, und sie mußten sich mit einem bloßen Wort der Versicherung aus dem Munde des Kaisers begnügen. So lange Maximilian lebte, genossen sie einer

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/43>, abgerufen am 28.03.2024.