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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Unterthanen über seine grenzenlosen Bedrückungen zu Hülfe gerufen, seine Treue verdächtig gemacht, und über seine geheimen Absichten ein schreckhafter Wink hingeworfen. Diese Anklagen, durch das ganze übrige Betragen des Herzogs nur zu sehr gerechtfertigt, unterließen nicht in Ferdinands Gemüth tiefe Wurzeln zu schlagen; aber der Schritt war einmal geschehn, und die große Gewalt, womit man den Herzog bekleidet hatte, konnte ihm ohne große Gefahr nicht entrissen werden. Sie unmerklich zu vermindern, war alles, was dem Kaiser übrig blieb; und um dieß mit einigem Erfolg zu können, mußte man sie zu theilen, vor allen Dingen aber sich außer Abhängigkeit von seinem guten Willen zu setzen suchen. Aber selbst dieses Rechtes hatte man sich in dem Vertrage begeben, den man mit ihm errichtete, und gegen jeden Versuch, ihm einen andern General an die Seite zu setzen, oder einen unmittelbaren Einfluß auf seine Truppen zu haben, schützte ihn die eigenhändige Unterschrift des Kaisers. Da man diesen nachtheiligen Vertrag weder halten noch vernichten konnte, so mußte man sich durch einen Kunstgriff heraushelfen. Wallenstein war kaiserlicher Generalissimus in Deutschland; aber weiter erstreckte sich sein Gebiet nicht, und über eine auswärtige Armee konnte er sich keine Herrschaft anmaßen. Man läßt also in Mailand eine Spanische Armee errichten und unter einem Spanischen General in Deutschland fechten. Wallenstein ist also der Unentbehrliche nicht mehr, weil er aufgehört hat, der Einzige zu seyn, und im Nothfall hat man gegen ihn selbst eine Stütze.

Der Herzog fühlte es schnell und tief, woher dieser Streich kam, und wohin er zielte. Umsonst protestirte er bey dem Kardinal Infanten gegen diese vertragwidrige Neuerung; die Italienische Armee rückte ein, und man zwang ihn, ihr den General Altringer mit Verstärkung zuzusenden. Zwar wußte er diesem durch strenge Verhaltungsbefehle die Hände so sehr zu binden, daß die Italienische Armee in dem

Unterthanen über seine grenzenlosen Bedrückungen zu Hülfe gerufen, seine Treue verdächtig gemacht, und über seine geheimen Absichten ein schreckhafter Wink hingeworfen. Diese Anklagen, durch das ganze übrige Betragen des Herzogs nur zu sehr gerechtfertigt, unterließen nicht in Ferdinands Gemüth tiefe Wurzeln zu schlagen; aber der Schritt war einmal geschehn, und die große Gewalt, womit man den Herzog bekleidet hatte, konnte ihm ohne große Gefahr nicht entrissen werden. Sie unmerklich zu vermindern, war alles, was dem Kaiser übrig blieb; und um dieß mit einigem Erfolg zu können, mußte man sie zu theilen, vor allen Dingen aber sich außer Abhängigkeit von seinem guten Willen zu setzen suchen. Aber selbst dieses Rechtes hatte man sich in dem Vertrage begeben, den man mit ihm errichtete, und gegen jeden Versuch, ihm einen andern General an die Seite zu setzen, oder einen unmittelbaren Einfluß auf seine Truppen zu haben, schützte ihn die eigenhändige Unterschrift des Kaisers. Da man diesen nachtheiligen Vertrag weder halten noch vernichten konnte, so mußte man sich durch einen Kunstgriff heraushelfen. Wallenstein war kaiserlicher Generalissimus in Deutschland; aber weiter erstreckte sich sein Gebiet nicht, und über eine auswärtige Armee konnte er sich keine Herrschaft anmaßen. Man läßt also in Mailand eine Spanische Armee errichten und unter einem Spanischen General in Deutschland fechten. Wallenstein ist also der Unentbehrliche nicht mehr, weil er aufgehört hat, der Einzige zu seyn, und im Nothfall hat man gegen ihn selbst eine Stütze.

Der Herzog fühlte es schnell und tief, woher dieser Streich kam, und wohin er zielte. Umsonst protestirte er bey dem Kardinal Infanten gegen diese vertragwidrige Neuerung; die Italienische Armee rückte ein, und man zwang ihn, ihr den General Altringer mit Verstärkung zuzusenden. Zwar wußte er diesem durch strenge Verhaltungsbefehle die Hände so sehr zu binden, daß die Italienische Armee in dem

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[382/0390] Unterthanen über seine grenzenlosen Bedrückungen zu Hülfe gerufen, seine Treue verdächtig gemacht, und über seine geheimen Absichten ein schreckhafter Wink hingeworfen. Diese Anklagen, durch das ganze übrige Betragen des Herzogs nur zu sehr gerechtfertigt, unterließen nicht in Ferdinands Gemüth tiefe Wurzeln zu schlagen; aber der Schritt war einmal geschehn, und die große Gewalt, womit man den Herzog bekleidet hatte, konnte ihm ohne große Gefahr nicht entrissen werden. Sie unmerklich zu vermindern, war alles, was dem Kaiser übrig blieb; und um dieß mit einigem Erfolg zu können, mußte man sie zu theilen, vor allen Dingen aber sich außer Abhängigkeit von seinem guten Willen zu setzen suchen. Aber selbst dieses Rechtes hatte man sich in dem Vertrage begeben, den man mit ihm errichtete, und gegen jeden Versuch, ihm einen andern General an die Seite zu setzen, oder einen unmittelbaren Einfluß auf seine Truppen zu haben, schützte ihn die eigenhändige Unterschrift des Kaisers. Da man diesen nachtheiligen Vertrag weder halten noch vernichten konnte, so mußte man sich durch einen Kunstgriff heraushelfen. Wallenstein war kaiserlicher Generalissimus in Deutschland; aber weiter erstreckte sich sein Gebiet nicht, und über eine auswärtige Armee konnte er sich keine Herrschaft anmaßen. Man läßt also in Mailand eine Spanische Armee errichten und unter einem Spanischen General in Deutschland fechten. Wallenstein ist also der Unentbehrliche nicht mehr, weil er aufgehört hat, der Einzige zu seyn, und im Nothfall hat man gegen ihn selbst eine Stütze. Der Herzog fühlte es schnell und tief, woher dieser Streich kam, und wohin er zielte. Umsonst protestirte er bey dem Kardinal Infanten gegen diese vertragwidrige Neuerung; die Italienische Armee rückte ein, und man zwang ihn, ihr den General Altringer mit Verstärkung zuzusenden. Zwar wußte er diesem durch strenge Verhaltungsbefehle die Hände so sehr zu binden, daß die Italienische Armee in dem

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/390>, abgerufen am 23.11.2024.