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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Unter allen Provinzen Oesterreichs war Schlesien der größten Gefahr ausgesetzt. Drey verschiedene Armeen, eine Schwedische unter dem Grafen von Thurn, eine Sächsische unter Arnheim und dem Herzog von Lauenburg, und eine Brandenburgische unter Borgsdorf, hatten diese Provinz zu gleicher Zeit mit Krieg überzogen. Schon hatten sie die wichtigsten Plätze im Besitz, und selbst Breslau hatte die Partey der Alliirten ergriffen. Aber gerade diese Menge von Generalen und Armeen rettete dem Kaiser dieses Land; denn die Eifersucht der Generale und der gegenseitige Haß der Schweden und Sachsen ließ sie nie mit Einstimmigkeit verfahren. Arnheim und Thurn zankten sich um die Oberstelle; die Brandenburger und Sachsen hielten eifrig gegen die Schweden zusammen, die sie als überlästige Fremdlinge ansahen, und, wo es nur immer thunlich war, zu verkürzen suchten. Hingegen lebten die Sachsen mit den Kaiserlichen auf einem viel vertraulichern Fuß, und oft geschah es, daß die Offiziere beyder feindlichen Armeen einander Besuche abstatteten und Gastmähler gaben. Man ließ die Kaiserlichen ungehindert ihre Güter fortschaffen, und viele verhehlten es gar nicht, daß sie von Wien große Summen gezogen. Unter so zweydeutig gesinnten Alliirten sahen sich die Schweden verkauft und verrathen, und an große Unternehmungen war bey einem so schlechten Verständniß nicht zu denken. Auch war der General von Arnheim den größten Theil der Zeit abwesend, und als er endlich wieder bey der Armee anlangte, näherte sich Wallenstein schon mit einer furchtbaren Kriegsmacht den Grenzen.

Vierzigtausend Mann stark rückte er ein, und nicht mehr als vier und zwanzig tausend hatten ihm die Alliirten entgegen zu setzen. Nichts desto weniger wollten sie eine Schlacht versuchen, und erschienen bey Münsterberg, wo er ein verschanztes Lager bezogen hatte. Aber Wallenstein ließ sie acht Tage lang hier

Unter allen Provinzen Oesterreichs war Schlesien der größten Gefahr ausgesetzt. Drey verschiedene Armeen, eine Schwedische unter dem Grafen von Thurn, eine Sächsische unter Arnheim und dem Herzog von Lauenburg, und eine Brandenburgische unter Borgsdorf, hatten diese Provinz zu gleicher Zeit mit Krieg überzogen. Schon hatten sie die wichtigsten Plätze im Besitz, und selbst Breslau hatte die Partey der Alliirten ergriffen. Aber gerade diese Menge von Generalen und Armeen rettete dem Kaiser dieses Land; denn die Eifersucht der Generale und der gegenseitige Haß der Schweden und Sachsen ließ sie nie mit Einstimmigkeit verfahren. Arnheim und Thurn zankten sich um die Oberstelle; die Brandenburger und Sachsen hielten eifrig gegen die Schweden zusammen, die sie als überlästige Fremdlinge ansahen, und, wo es nur immer thunlich war, zu verkürzen suchten. Hingegen lebten die Sachsen mit den Kaiserlichen auf einem viel vertraulichern Fuß, und oft geschah es, daß die Offiziere beyder feindlichen Armeen einander Besuche abstatteten und Gastmähler gaben. Man ließ die Kaiserlichen ungehindert ihre Güter fortschaffen, und viele verhehlten es gar nicht, daß sie von Wien große Summen gezogen. Unter so zweydeutig gesinnten Alliirten sahen sich die Schweden verkauft und verrathen, und an große Unternehmungen war bey einem so schlechten Verständniß nicht zu denken. Auch war der General von Arnheim den größten Theil der Zeit abwesend, und als er endlich wieder bey der Armee anlangte, näherte sich Wallenstein schon mit einer furchtbaren Kriegsmacht den Grenzen.

Vierzigtausend Mann stark rückte er ein, und nicht mehr als vier und zwanzig tausend hatten ihm die Alliirten entgegen zu setzen. Nichts desto weniger wollten sie eine Schlacht versuchen, und erschienen bey Münsterberg, wo er ein verschanztes Lager bezogen hatte. Aber Wallenstein ließ sie acht Tage lang hier

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[379/0387] Unter allen Provinzen Oesterreichs war Schlesien der größten Gefahr ausgesetzt. Drey verschiedene Armeen, eine Schwedische unter dem Grafen von Thurn, eine Sächsische unter Arnheim und dem Herzog von Lauenburg, und eine Brandenburgische unter Borgsdorf, hatten diese Provinz zu gleicher Zeit mit Krieg überzogen. Schon hatten sie die wichtigsten Plätze im Besitz, und selbst Breslau hatte die Partey der Alliirten ergriffen. Aber gerade diese Menge von Generalen und Armeen rettete dem Kaiser dieses Land; denn die Eifersucht der Generale und der gegenseitige Haß der Schweden und Sachsen ließ sie nie mit Einstimmigkeit verfahren. Arnheim und Thurn zankten sich um die Oberstelle; die Brandenburger und Sachsen hielten eifrig gegen die Schweden zusammen, die sie als überlästige Fremdlinge ansahen, und, wo es nur immer thunlich war, zu verkürzen suchten. Hingegen lebten die Sachsen mit den Kaiserlichen auf einem viel vertraulichern Fuß, und oft geschah es, daß die Offiziere beyder feindlichen Armeen einander Besuche abstatteten und Gastmähler gaben. Man ließ die Kaiserlichen ungehindert ihre Güter fortschaffen, und viele verhehlten es gar nicht, daß sie von Wien große Summen gezogen. Unter so zweydeutig gesinnten Alliirten sahen sich die Schweden verkauft und verrathen, und an große Unternehmungen war bey einem so schlechten Verständniß nicht zu denken. Auch war der General von Arnheim den größten Theil der Zeit abwesend, und als er endlich wieder bey der Armee anlangte, näherte sich Wallenstein schon mit einer furchtbaren Kriegsmacht den Grenzen. Vierzigtausend Mann stark rückte er ein, und nicht mehr als vier und zwanzig tausend hatten ihm die Alliirten entgegen zu setzen. Nichts desto weniger wollten sie eine Schlacht versuchen, und erschienen bey Münsterberg, wo er ein verschanztes Lager bezogen hatte. Aber Wallenstein ließ sie acht Tage lang hier

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/387>, abgerufen am 24.11.2024.