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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Eroberer; und diese Stadt, stolzer auf den Titel einer Königsstadt, als auf den rühmlichern Vorzug der Reichsfreyheit, schmeichelte sich schon im voraus, der Sitz seines neuen Reichs zu werden. Seine nicht genug verhehlten Absichten auf das Erzstift Mainz, welches er anfangs dem Churprinzen von Brandenburg, als Mitgift seiner Tochter Christina, und nachher seinem Kanzler und Freund Oxenstierna bestimmte, legte deutlich an den Tag, wie viel er sich gegen die Verfassung des Reichs zu erlauben fähig war. Die mit ihm verbundenen protestantischen Fürsten machten Ansprüche an seine Dankbarkeit, die nicht anders, als auf Unkosten ihrer Mitstände, und besonders der unmittelbaren Stifter, zu befriedigen waren; und vielleicht war der Entwurf schon gemacht, die eroberten Provinzen, nach Art jener alten barbarischen Horden, die das alte Römerreich überschwemmten, unter seine Deutschen und Schwedischen Kriegsgenossen, wie einen gemeinschaftlichen Raub zu vertheilen. In seinem Betragen gegen den Pfalzgrafen Friedrich verläugnete er ganz die Großmuth des Helden, und den heiligen Charakter eines Beschützers. Die Pfalz war in seinen Händen, und die Pflichten sowohl der Gerechtigkeit als der Ehre foderten ihn auf, diese den Spaniern entrissene Provinz ihrem rechtmäßigen Eigenthümer in vollkommenem Stande zurück zu geben. Aber durch eine Spitzfindigkeit, die eines großen Mannes nicht würdig ist, und den ehrwürdigen Namen eines Vertheidigers der Unterdrückten schändet, wußte er dieser Verbindlichkeit zu entschlüpfen. Er betrachtete die Pfalz als eine Eroberung, die aus Feindeshänden an ihn gekommen sey, und glaubte daraus ein Recht abzuleiten, nach Willkühr darüber zu verfügen. Aus Gnade also, und nicht aus Pflichtgefühl, trat er sie dem Pfalzgrafen ab, und zwar als ein Lehen der Schwedischen Krone, unter Bedingungen, die den Werth derselben um die Hälfte verringerten, und diesen Fürsten zu

Eroberer; und diese Stadt, stolzer auf den Titel einer Königsstadt, als auf den rühmlichern Vorzug der Reichsfreyheit, schmeichelte sich schon im voraus, der Sitz seines neuen Reichs zu werden. Seine nicht genug verhehlten Absichten auf das Erzstift Mainz, welches er anfangs dem Churprinzen von Brandenburg, als Mitgift seiner Tochter Christina, und nachher seinem Kanzler und Freund Oxenstierna bestimmte, legte deutlich an den Tag, wie viel er sich gegen die Verfassung des Reichs zu erlauben fähig war. Die mit ihm verbundenen protestantischen Fürsten machten Ansprüche an seine Dankbarkeit, die nicht anders, als auf Unkosten ihrer Mitstände, und besonders der unmittelbaren Stifter, zu befriedigen waren; und vielleicht war der Entwurf schon gemacht, die eroberten Provinzen, nach Art jener alten barbarischen Horden, die das alte Römerreich überschwemmten, unter seine Deutschen und Schwedischen Kriegsgenossen, wie einen gemeinschaftlichen Raub zu vertheilen. In seinem Betragen gegen den Pfalzgrafen Friedrich verläugnete er ganz die Großmuth des Helden, und den heiligen Charakter eines Beschützers. Die Pfalz war in seinen Händen, und die Pflichten sowohl der Gerechtigkeit als der Ehre foderten ihn auf, diese den Spaniern entrissene Provinz ihrem rechtmäßigen Eigenthümer in vollkommenem Stande zurück zu geben. Aber durch eine Spitzfindigkeit, die eines großen Mannes nicht würdig ist, und den ehrwürdigen Namen eines Vertheidigers der Unterdrückten schändet, wußte er dieser Verbindlichkeit zu entschlüpfen. Er betrachtete die Pfalz als eine Eroberung, die aus Feindeshänden an ihn gekommen sey, und glaubte daraus ein Recht abzuleiten, nach Willkühr darüber zu verfügen. Aus Gnade also, und nicht aus Pflichtgefühl, trat er sie dem Pfalzgrafen ab, und zwar als ein Lehen der Schwedischen Krone, unter Bedingungen, die den Werth derselben um die Hälfte verringerten, und diesen Fürsten zu

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Eroberer; und diese Stadt, stolzer auf den Titel einer Königsstadt, als auf den rühmlichern Vorzug der Reichsfreyheit, schmeichelte sich schon im voraus, der Sitz seines neuen Reichs zu werden. Seine nicht genug verhehlten Absichten auf das Erzstift Mainz, welches er anfangs dem Churprinzen von Brandenburg, als Mitgift seiner Tochter Christina, und nachher seinem Kanzler und Freund Oxenstierna bestimmte, legte deutlich an den Tag, wie viel er sich gegen die Verfassung des Reichs zu erlauben fähig war. Die mit ihm verbundenen protestantischen Fürsten machten Ansprüche an seine Dankbarkeit, die nicht anders, als auf Unkosten ihrer Mitstände, und besonders der unmittelbaren Stifter, zu befriedigen waren; und vielleicht war der Entwurf schon gemacht, die eroberten Provinzen, nach Art jener alten barbarischen Horden, die das alte Römerreich überschwemmten, unter seine Deutschen und Schwedischen Kriegsgenossen, wie einen gemeinschaftlichen Raub zu vertheilen. In seinem Betragen gegen den Pfalzgrafen Friedrich verläugnete er ganz die Großmuth des Helden, und den heiligen Charakter eines Beschützers. Die Pfalz war in seinen Händen, und die Pflichten sowohl der Gerechtigkeit als der Ehre foderten ihn auf, diese den Spaniern entrissene Provinz ihrem rechtmäßigen Eigenthümer in vollkommenem Stande zurück zu geben. Aber durch eine Spitzfindigkeit, die eines großen Mannes nicht würdig ist, und den ehrwürdigen Namen eines Vertheidigers der Unterdrückten schändet, wußte er dieser Verbindlichkeit zu entschlüpfen. Er betrachtete die Pfalz als eine Eroberung, die aus Feindeshänden an ihn gekommen sey, und glaubte daraus ein Recht abzuleiten, nach Willkühr darüber zu verfügen. Aus Gnade also, und nicht aus Pflichtgefühl, trat er sie dem Pfalzgrafen ab, und zwar als ein Lehen der Schwedischen Krone, unter Bedingungen, die den Werth derselben um die Hälfte verringerten, und diesen Fürsten zu
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[351/0359] Eroberer; und diese Stadt, stolzer auf den Titel einer Königsstadt, als auf den rühmlichern Vorzug der Reichsfreyheit, schmeichelte sich schon im voraus, der Sitz seines neuen Reichs zu werden. Seine nicht genug verhehlten Absichten auf das Erzstift Mainz, welches er anfangs dem Churprinzen von Brandenburg, als Mitgift seiner Tochter Christina, und nachher seinem Kanzler und Freund Oxenstierna bestimmte, legte deutlich an den Tag, wie viel er sich gegen die Verfassung des Reichs zu erlauben fähig war. Die mit ihm verbundenen protestantischen Fürsten machten Ansprüche an seine Dankbarkeit, die nicht anders, als auf Unkosten ihrer Mitstände, und besonders der unmittelbaren Stifter, zu befriedigen waren; und vielleicht war der Entwurf schon gemacht, die eroberten Provinzen, nach Art jener alten barbarischen Horden, die das alte Römerreich überschwemmten, unter seine Deutschen und Schwedischen Kriegsgenossen, wie einen gemeinschaftlichen Raub zu vertheilen. In seinem Betragen gegen den Pfalzgrafen Friedrich verläugnete er ganz die Großmuth des Helden, und den heiligen Charakter eines Beschützers. Die Pfalz war in seinen Händen, und die Pflichten sowohl der Gerechtigkeit als der Ehre foderten ihn auf, diese den Spaniern entrissene Provinz ihrem rechtmäßigen Eigenthümer in vollkommenem Stande zurück zu geben. Aber durch eine Spitzfindigkeit, die eines großen Mannes nicht würdig ist, und den ehrwürdigen Namen eines Vertheidigers der Unterdrückten schändet, wußte er dieser Verbindlichkeit zu entschlüpfen. Er betrachtete die Pfalz als eine Eroberung, die aus Feindeshänden an ihn gekommen sey, und glaubte daraus ein Recht abzuleiten, nach Willkühr darüber zu verfügen. Aus Gnade also, und nicht aus Pflichtgefühl, trat er sie dem Pfalzgrafen ab, und zwar als ein Lehen der Schwedischen Krone, unter Bedingungen, die den Werth derselben um die Hälfte verringerten, und diesen Fürsten zu

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/359>, abgerufen am 26.11.2024.