Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

andern forteilte, der Muth der protestantischen Stände dadurch wuchs, und ihr Widerstand lebhafter wurde, fuhr der Kaiser noch unverändert fort, durch Vollstreckung des Restitutionsediktes, und durch übertriebene Zumuthungen an die Stände ihre Geduld aufs äusserste zu treiben. Nothgedrungen schritt er jezt auf den gewaltthätigen Wegen fort, die er anfangs aus Uebermuth betreten hatte; den Verlegenheiten, in welche ihn sein willkührliches Verfahren gestürzt hatte, wußte er jezt nicht anders als durch eben so willkührliche Mittel zu entgehen. Aber in einem so künstlich organisirten Staatskörper, wie der Deutsche ist und immer war, mußte die Hand des Despotismus die unübersehlichsten Zerrüttungen anrichten. Mit Erstaunen sahen die Fürsten unvermerkt die ganze Reichsverfassung umgekehrt, und der eintretende Zustand der Natur führte sie zur Selbsthülfe, dem einzigen Rettungsmittel in dem Zustand der Natur. Endlich hatten doch die offenbaren Schritte des Kaisers gegen die evangelische Kirche von den Augen Johann Georgs die Binde weggezogen, welche ihm so lange die betrügerische Politik dieses Prinzen verbarg. Durch Ausschliessung seines Sohnes von dem Erzstifte zu Magdeburg hatte ihn Ferdinand persönlich beleidigt, und der Feldmarschall von Arnheim, sein neuer Günstling und Minister, verabsäumte nichts, die Empfindlichkeit seines Herrn aufs höchste zu treiben. Vormals kaiserlicher General unter Wallensteins Commando, und noch immer dessen eifrig ergebener Freund, suchte er seinen alten Wohlthäter und sich selbst an dem Kaiser zu rächen, und den Churfürsten von Sachsen von dem Oesterreichischen Interesse abzuziehen. Die Erscheinung der Schweden in Deutschland mußte ihm die Mittel dazu darbiethen. Gustav Adolph war unüberwindlich, sobald sich die protestantischen Stände mit ihm vereinigten, und nichts beunruhigte den Kaiser mehr. Chursachsens Beyspiel konnte die Erklärung aller übrigen nach

andern forteilte, der Muth der protestantischen Stände dadurch wuchs, und ihr Widerstand lebhafter wurde, fuhr der Kaiser noch unverändert fort, durch Vollstreckung des Restitutionsediktes, und durch übertriebene Zumuthungen an die Stände ihre Geduld aufs äusserste zu treiben. Nothgedrungen schritt er jezt auf den gewaltthätigen Wegen fort, die er anfangs aus Uebermuth betreten hatte; den Verlegenheiten, in welche ihn sein willkührliches Verfahren gestürzt hatte, wußte er jezt nicht anders als durch eben so willkührliche Mittel zu entgehen. Aber in einem so künstlich organisirten Staatskörper, wie der Deutsche ist und immer war, mußte die Hand des Despotismus die unübersehlichsten Zerrüttungen anrichten. Mit Erstaunen sahen die Fürsten unvermerkt die ganze Reichsverfassung umgekehrt, und der eintretende Zustand der Natur führte sie zur Selbsthülfe, dem einzigen Rettungsmittel in dem Zustand der Natur. Endlich hatten doch die offenbaren Schritte des Kaisers gegen die evangelische Kirche von den Augen Johann Georgs die Binde weggezogen, welche ihm so lange die betrügerische Politik dieses Prinzen verbarg. Durch Ausschliessung seines Sohnes von dem Erzstifte zu Magdeburg hatte ihn Ferdinand persönlich beleidigt, und der Feldmarschall von Arnheim, sein neuer Günstling und Minister, verabsäumte nichts, die Empfindlichkeit seines Herrn aufs höchste zu treiben. Vormals kaiserlicher General unter Wallensteins Commando, und noch immer dessen eifrig ergebener Freund, suchte er seinen alten Wohlthäter und sich selbst an dem Kaiser zu rächen, und den Churfürsten von Sachsen von dem Oesterreichischen Interesse abzuziehen. Die Erscheinung der Schweden in Deutschland mußte ihm die Mittel dazu darbiethen. Gustav Adolph war unüberwindlich, sobald sich die protestantischen Stände mit ihm vereinigten, und nichts beunruhigte den Kaiser mehr. Chursachsens Beyspiel konnte die Erklärung aller übrigen nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0195" n="187"/>
andern forteilte, der Muth der protestantischen Stände dadurch wuchs, und ihr Widerstand lebhafter wurde, fuhr der Kaiser noch unverändert fort, durch Vollstreckung des Restitutionsediktes, und durch übertriebene Zumuthungen an die Stände ihre Geduld aufs äusserste zu treiben. Nothgedrungen schritt er jezt auf den gewaltthätigen Wegen fort, die er anfangs aus Uebermuth betreten hatte; den Verlegenheiten, in welche ihn sein willkührliches Verfahren gestürzt hatte, wußte er jezt nicht anders als durch eben so willkührliche Mittel zu entgehen. Aber in einem so künstlich organisirten Staatskörper, wie der Deutsche ist und immer war, mußte die Hand des Despotismus die unübersehlichsten Zerrüttungen anrichten. Mit Erstaunen sahen die Fürsten unvermerkt die ganze Reichsverfassung umgekehrt, und der eintretende Zustand der Natur führte sie zur Selbsthülfe, dem einzigen Rettungsmittel in dem Zustand der Natur. Endlich hatten doch die offenbaren Schritte des Kaisers gegen die evangelische Kirche von den Augen Johann Georgs die Binde weggezogen, welche ihm so lange die betrügerische Politik dieses Prinzen verbarg. Durch Ausschliessung seines Sohnes von dem Erzstifte zu Magdeburg hatte ihn Ferdinand persönlich beleidigt, und der Feldmarschall von Arnheim, sein neuer Günstling und Minister, verabsäumte nichts, die Empfindlichkeit seines Herrn aufs höchste zu treiben. Vormals kaiserlicher General unter <persName>Wallensteins</persName> Commando, und noch immer dessen eifrig ergebener Freund, suchte er seinen alten Wohlthäter und sich selbst an dem Kaiser zu rächen, und den Churfürsten von Sachsen von dem Oesterreichischen Interesse abzuziehen. Die Erscheinung der Schweden in Deutschland mußte ihm die Mittel dazu darbiethen. <persName>Gustav Adolph</persName> war unüberwindlich, sobald sich die protestantischen Stände mit ihm vereinigten, und nichts beunruhigte den Kaiser mehr. Chursachsens Beyspiel konnte die Erklärung aller übrigen nach
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0195] andern forteilte, der Muth der protestantischen Stände dadurch wuchs, und ihr Widerstand lebhafter wurde, fuhr der Kaiser noch unverändert fort, durch Vollstreckung des Restitutionsediktes, und durch übertriebene Zumuthungen an die Stände ihre Geduld aufs äusserste zu treiben. Nothgedrungen schritt er jezt auf den gewaltthätigen Wegen fort, die er anfangs aus Uebermuth betreten hatte; den Verlegenheiten, in welche ihn sein willkührliches Verfahren gestürzt hatte, wußte er jezt nicht anders als durch eben so willkührliche Mittel zu entgehen. Aber in einem so künstlich organisirten Staatskörper, wie der Deutsche ist und immer war, mußte die Hand des Despotismus die unübersehlichsten Zerrüttungen anrichten. Mit Erstaunen sahen die Fürsten unvermerkt die ganze Reichsverfassung umgekehrt, und der eintretende Zustand der Natur führte sie zur Selbsthülfe, dem einzigen Rettungsmittel in dem Zustand der Natur. Endlich hatten doch die offenbaren Schritte des Kaisers gegen die evangelische Kirche von den Augen Johann Georgs die Binde weggezogen, welche ihm so lange die betrügerische Politik dieses Prinzen verbarg. Durch Ausschliessung seines Sohnes von dem Erzstifte zu Magdeburg hatte ihn Ferdinand persönlich beleidigt, und der Feldmarschall von Arnheim, sein neuer Günstling und Minister, verabsäumte nichts, die Empfindlichkeit seines Herrn aufs höchste zu treiben. Vormals kaiserlicher General unter Wallensteins Commando, und noch immer dessen eifrig ergebener Freund, suchte er seinen alten Wohlthäter und sich selbst an dem Kaiser zu rächen, und den Churfürsten von Sachsen von dem Oesterreichischen Interesse abzuziehen. Die Erscheinung der Schweden in Deutschland mußte ihm die Mittel dazu darbiethen. Gustav Adolph war unüberwindlich, sobald sich die protestantischen Stände mit ihm vereinigten, und nichts beunruhigte den Kaiser mehr. Chursachsens Beyspiel konnte die Erklärung aller übrigen nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/195
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/195>, abgerufen am 04.05.2024.