Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Frauenzimmer selbst an heiliger Stätte. Und alles dieß geschah nicht in Feindes Land - es geschah gegen die Unterthanen eines Fürsten, von welchem der Kaiser nicht beleidigt war, dem er troz diesem allen noch zumuthete, die Waffen gegen den König von Schweden zu ergreifen. Der Anblick dieser entsezlichen Ausschweifungen, welche sie aus Mangel an Ansehen und aus Geldnoth geschehen lassen mußten, erweckte selbst den Unwillen der kaiserlichen Generale, und ihr oberster Chef, Graf von Schaumburg, wollte schamroth das Commando niederlegen. Zu arm an Soldaten, um sein Land zu vertheidigen, und ohne Hülfe gelassen von dem Kaiser, der zu den beweglichsten Vorstellungen schwieg, befahl endlich der Churfürst von Brandenburg seinen Unterthanen in einem Edikt, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, und jeden kaiserlichen Soldaten, der über der Plünderung ergriffen würde, ohne Schonung zu ermorden. Zu einem solchen Grade war der Greuel der Mißhandlung und das Elend der Regierung gestiegen, daß dem Landesherrn nur das verzweifelte Mittel übrig blieb, die Selbstrache durch Geseze einzuschärfen.

Die Kaiserlichen hatten die Schweden in die Mark Brandenburg nachgezogen, und nur die Weigerung des Churfürsten, ihm die Festung Cüstrin zum Durchmarsch zu öffnen, hatte den König abhalten können, Frankfurt an der Oder zu belagern. Er ging zurück, die Eroberung Pommerns durch Einnahme von Demmin und Colberg zu vollenden; unterdessen war der Feldmarschall Tilly im Anzuge, die Mark Brandenburg zu vertheidigen.

Dieser General, der sich rühmen konnte, noch keine Schlacht verloren zu haben, der Ueberwinder Mansfelds, Christians von Braunschweig, des Markgrafen von Baden und des Königs von Dänemark, sollte jezt an dem König von Schweden einen würdigen Gegner finden. Tilly stammte aus einer

Frauenzimmer selbst an heiliger Stätte. Und alles dieß geschah nicht in Feindes Land – es geschah gegen die Unterthanen eines Fürsten, von welchem der Kaiser nicht beleidigt war, dem er troz diesem allen noch zumuthete, die Waffen gegen den König von Schweden zu ergreifen. Der Anblick dieser entsezlichen Ausschweifungen, welche sie aus Mangel an Ansehen und aus Geldnoth geschehen lassen mußten, erweckte selbst den Unwillen der kaiserlichen Generale, und ihr oberster Chef, Graf von Schaumburg, wollte schamroth das Commando niederlegen. Zu arm an Soldaten, um sein Land zu vertheidigen, und ohne Hülfe gelassen von dem Kaiser, der zu den beweglichsten Vorstellungen schwieg, befahl endlich der Churfürst von Brandenburg seinen Unterthanen in einem Edikt, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, und jeden kaiserlichen Soldaten, der über der Plünderung ergriffen würde, ohne Schonung zu ermorden. Zu einem solchen Grade war der Greuel der Mißhandlung und das Elend der Regierung gestiegen, daß dem Landesherrn nur das verzweifelte Mittel übrig blieb, die Selbstrache durch Geseze einzuschärfen.

Die Kaiserlichen hatten die Schweden in die Mark Brandenburg nachgezogen, und nur die Weigerung des Churfürsten, ihm die Festung Cüstrin zum Durchmarsch zu öffnen, hatte den König abhalten können, Frankfurt an der Oder zu belagern. Er ging zurück, die Eroberung Pommerns durch Einnahme von Demmin und Colberg zu vollenden; unterdessen war der Feldmarschall Tilly im Anzuge, die Mark Brandenburg zu vertheidigen.

Dieser General, der sich rühmen konnte, noch keine Schlacht verloren zu haben, der Ueberwinder Mansfelds, Christians von Braunschweig, des Markgrafen von Baden und des Königs von Dänemark, sollte jezt an dem König von Schweden einen würdigen Gegner finden. Tilly stammte aus einer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0191" n="183"/>
Frauenzimmer selbst an heiliger Stätte. Und alles dieß geschah nicht in Feindes Land &#x2013; es           geschah gegen die Unterthanen eines Fürsten, von welchem der Kaiser nicht beleidigt war,           dem er troz diesem allen noch zumuthete, die Waffen gegen den König von Schweden zu           ergreifen. Der Anblick dieser entsezlichen Ausschweifungen, welche sie aus Mangel an           Ansehen und aus Geldnoth geschehen lassen mußten, erweckte selbst den Unwillen der           kaiserlichen Generale, und ihr oberster Chef, Graf von Schaumburg, wollte schamroth das           Commando niederlegen. Zu arm an Soldaten, um sein Land zu vertheidigen, und ohne Hülfe           gelassen von dem Kaiser, der zu den beweglichsten Vorstellungen schwieg, befahl endlich           der Churfürst von Brandenburg seinen Unterthanen in einem Edikt, Gewalt mit Gewalt zu           vertreiben, und jeden kaiserlichen Soldaten, der über der Plünderung ergriffen würde, ohne           Schonung zu ermorden. Zu einem solchen Grade war der Greuel der Mißhandlung und das Elend           der Regierung gestiegen, daß dem Landesherrn nur das verzweifelte Mittel übrig blieb, die           Selbstrache durch Geseze einzuschärfen.</p>
        <p>Die Kaiserlichen hatten die Schweden in die Mark Brandenburg nachgezogen, und nur die           Weigerung des Churfürsten, ihm die Festung Cüstrin zum Durchmarsch zu öffnen, hatte den           König abhalten können, Frankfurt an der Oder zu belagern. Er ging zurück, die Eroberung           Pommerns durch Einnahme von Demmin und Colberg zu vollenden; unterdessen war der           Feldmarschall Tilly im Anzuge, die Mark Brandenburg zu vertheidigen.</p>
        <p>Dieser General, der sich rühmen konnte, noch keine Schlacht verloren zu haben, der           Ueberwinder Mansfelds, Christians von Braunschweig, des Markgrafen von Baden und des           Königs von Dänemark, sollte jezt an dem König von Schweden einen würdigen Gegner finden.           Tilly stammte aus einer
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0191] Frauenzimmer selbst an heiliger Stätte. Und alles dieß geschah nicht in Feindes Land – es geschah gegen die Unterthanen eines Fürsten, von welchem der Kaiser nicht beleidigt war, dem er troz diesem allen noch zumuthete, die Waffen gegen den König von Schweden zu ergreifen. Der Anblick dieser entsezlichen Ausschweifungen, welche sie aus Mangel an Ansehen und aus Geldnoth geschehen lassen mußten, erweckte selbst den Unwillen der kaiserlichen Generale, und ihr oberster Chef, Graf von Schaumburg, wollte schamroth das Commando niederlegen. Zu arm an Soldaten, um sein Land zu vertheidigen, und ohne Hülfe gelassen von dem Kaiser, der zu den beweglichsten Vorstellungen schwieg, befahl endlich der Churfürst von Brandenburg seinen Unterthanen in einem Edikt, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, und jeden kaiserlichen Soldaten, der über der Plünderung ergriffen würde, ohne Schonung zu ermorden. Zu einem solchen Grade war der Greuel der Mißhandlung und das Elend der Regierung gestiegen, daß dem Landesherrn nur das verzweifelte Mittel übrig blieb, die Selbstrache durch Geseze einzuschärfen. Die Kaiserlichen hatten die Schweden in die Mark Brandenburg nachgezogen, und nur die Weigerung des Churfürsten, ihm die Festung Cüstrin zum Durchmarsch zu öffnen, hatte den König abhalten können, Frankfurt an der Oder zu belagern. Er ging zurück, die Eroberung Pommerns durch Einnahme von Demmin und Colberg zu vollenden; unterdessen war der Feldmarschall Tilly im Anzuge, die Mark Brandenburg zu vertheidigen. Dieser General, der sich rühmen konnte, noch keine Schlacht verloren zu haben, der Ueberwinder Mansfelds, Christians von Braunschweig, des Markgrafen von Baden und des Königs von Dänemark, sollte jezt an dem König von Schweden einen würdigen Gegner finden. Tilly stammte aus einer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/191
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/191>, abgerufen am 04.05.2024.