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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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selbst erst geschaffen hatte. Mit der Taktik der Griechen und Römer vertraut, hatte er eine bessere Kriegskunst erfunden, welche den größten Feldherrn der folgenden Zeiten zum Muster diente. Die unbehülflichen großen Eskadrons verringerte er, um die Bewegungen der Reiterey leichter und schneller zu machen; zu eben dem Zwecke rückte er die Bataillons in weitern Entfernungen aus einander. Er stellte seine Armee, welche gewöhnlich nur eine einzige Linie einnahm, in einer gedoppelten Linie in Schlachtordnung, daß die zwote anrücken konnte, wenn die erste zum Weichen gebracht war. Den Mangel an Reiterey wußte er dadurch zu ersezen, daß er Fußgänger zwischen die Reiter stellte, welches sehr oft den Sieg entschied; die Wichtigkeit des Fußvolks in Schlachten lernte Europa erst von ihm. Ganz Deutschland hat die Mannszucht bewundert, durch welche sich die Schwedischen Heere auf Deutschem Boden so rühmlich unterschieden. Alle Ausschweifungen wurden aufs strengste geahndet; am strengsten Gotteslästerung, Raub, Spiel, und Duelle. In den Schwedischen Kriegsgesezen ward die Mäßigkeit befohlen; auch erblickte man in dem Schwedischen Lager, das Gezelt des Königs nicht ausgenommen, weder Silber noch Gold. Das Auge des Feldherrn wachte mit eben der Sorgfalt über die Sitten des Soldaten, wie über die kriegerische Tapferkeit. Jedes Regiment mußte zum Morgen- und Abendgebet einen Kreis um seinen Prediger schließen, und unter freyem Himmel seine Andacht halten. In allem diesem war der Gesezgeber zugleich Muster. Eine ungekünstelte lebendige Gottesfurcht erhöhte den Muth, der sein großes Herz beseelte. Gleich frey von dem rohen Unglauben, der den wilden Begierden des Barbaren ihren nothwendigen Zügel nimmt, und von der kriechenden Andächteley eines Ferdinands, die sich vor der Gottheit zum Wurm erniedrigt, und auf dem Nacken der Menschheit trozig einher wandelt, blieb er auch in der Trunkenheit seines Glückes noch Mensch und noch Christ, aber auch in seiner

selbst erst geschaffen hatte. Mit der Taktik der Griechen und Römer vertraut, hatte er eine bessere Kriegskunst erfunden, welche den größten Feldherrn der folgenden Zeiten zum Muster diente. Die unbehülflichen großen Eskadrons verringerte er, um die Bewegungen der Reiterey leichter und schneller zu machen; zu eben dem Zwecke rückte er die Bataillons in weitern Entfernungen aus einander. Er stellte seine Armee, welche gewöhnlich nur eine einzige Linie einnahm, in einer gedoppelten Linie in Schlachtordnung, daß die zwote anrücken konnte, wenn die erste zum Weichen gebracht war. Den Mangel an Reiterey wußte er dadurch zu ersezen, daß er Fußgänger zwischen die Reiter stellte, welches sehr oft den Sieg entschied; die Wichtigkeit des Fußvolks in Schlachten lernte Europa erst von ihm. Ganz Deutschland hat die Mannszucht bewundert, durch welche sich die Schwedischen Heere auf Deutschem Boden so rühmlich unterschieden. Alle Ausschweifungen wurden aufs strengste geahndet; am strengsten Gotteslästerung, Raub, Spiel, und Duelle. In den Schwedischen Kriegsgesezen ward die Mäßigkeit befohlen; auch erblickte man in dem Schwedischen Lager, das Gezelt des Königs nicht ausgenommen, weder Silber noch Gold. Das Auge des Feldherrn wachte mit eben der Sorgfalt über die Sitten des Soldaten, wie über die kriegerische Tapferkeit. Jedes Regiment mußte zum Morgen- und Abendgebet einen Kreis um seinen Prediger schließen, und unter freyem Himmel seine Andacht halten. In allem diesem war der Gesezgeber zugleich Muster. Eine ungekünstelte lebendige Gottesfurcht erhöhte den Muth, der sein großes Herz beseelte. Gleich frey von dem rohen Unglauben, der den wilden Begierden des Barbaren ihren nothwendigen Zügel nimmt, und von der kriechenden Andächteley eines Ferdinands, die sich vor der Gottheit zum Wurm erniedrigt, und auf dem Nacken der Menschheit trozig einher wandelt, blieb er auch in der Trunkenheit seines Glückes noch Mensch und noch Christ, aber auch in seiner

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[170/0178] selbst erst geschaffen hatte. Mit der Taktik der Griechen und Römer vertraut, hatte er eine bessere Kriegskunst erfunden, welche den größten Feldherrn der folgenden Zeiten zum Muster diente. Die unbehülflichen großen Eskadrons verringerte er, um die Bewegungen der Reiterey leichter und schneller zu machen; zu eben dem Zwecke rückte er die Bataillons in weitern Entfernungen aus einander. Er stellte seine Armee, welche gewöhnlich nur eine einzige Linie einnahm, in einer gedoppelten Linie in Schlachtordnung, daß die zwote anrücken konnte, wenn die erste zum Weichen gebracht war. Den Mangel an Reiterey wußte er dadurch zu ersezen, daß er Fußgänger zwischen die Reiter stellte, welches sehr oft den Sieg entschied; die Wichtigkeit des Fußvolks in Schlachten lernte Europa erst von ihm. Ganz Deutschland hat die Mannszucht bewundert, durch welche sich die Schwedischen Heere auf Deutschem Boden so rühmlich unterschieden. Alle Ausschweifungen wurden aufs strengste geahndet; am strengsten Gotteslästerung, Raub, Spiel, und Duelle. In den Schwedischen Kriegsgesezen ward die Mäßigkeit befohlen; auch erblickte man in dem Schwedischen Lager, das Gezelt des Königs nicht ausgenommen, weder Silber noch Gold. Das Auge des Feldherrn wachte mit eben der Sorgfalt über die Sitten des Soldaten, wie über die kriegerische Tapferkeit. Jedes Regiment mußte zum Morgen- und Abendgebet einen Kreis um seinen Prediger schließen, und unter freyem Himmel seine Andacht halten. In allem diesem war der Gesezgeber zugleich Muster. Eine ungekünstelte lebendige Gottesfurcht erhöhte den Muth, der sein großes Herz beseelte. Gleich frey von dem rohen Unglauben, der den wilden Begierden des Barbaren ihren nothwendigen Zügel nimmt, und von der kriechenden Andächteley eines Ferdinands, die sich vor der Gottheit zum Wurm erniedrigt, und auf dem Nacken der Menschheit trozig einher wandelt, blieb er auch in der Trunkenheit seines Glückes noch Mensch und noch Christ, aber auch in seiner

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/178>, abgerufen am 04.05.2024.