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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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daß sie sehr blond war. War dieses bloßer Zu¬
fall oder woher schöpften Sie dieselbe?"

"Eure Durchlaucht erinnern sich, daß Sie über
Tische eine Dose neben sich hatten liegen gehabt,
auf welcher das Portrait eines Offiziers in **scher
Uniform in Emaille war. Ich fragte Sie, ob Sie
von Ihrem Freunde nicht irgend ein Andenken bey
sich führten? worauf Sie mit Ja antworteten;
daraus schloß ich, daß es vielleicht die Dose seyn
möchte. Ich hatte das Bild über Tische gut ins
Auge gefaßt, und weil ich im Zeichnen sehr geübt,
auch im Treffen sehr glücklich bin, so war es mir
ein leichtes, dem Bilde diese flüchtige Aehnlichkeit
zu geben, die Sie wahrgenommen haben; und um
so mehr, da die Gesichtszüge des Marquis sehr ins
Auge fallen.

"Aber die Gestalt schien sich doch zu bewe¬
gen. --"

"So schien es -- aber es war nicht die Ge¬
stalt, sondern der Rauch, der von ihrem Scheine
beleuchtet war."

"Und der Mensch, welcher aus dem Schlot her¬
ab stürzte, antwortete also für die Erscheinung?"

"Eben dieser."

"Aber er konnte ja die Fragen nicht wohl hören."

"Dieses brauchte er auch nicht. Sie besinnen
sich, gnädigster Prinz, daß ich Ihnen allen auf
das strengste verbot, selbst eine Frage an das Ge¬
spenst zu richten. Was ich ihn fragen würde und
er mir antworten sollte, war abgeredet; und da¬
mit ja kein Versehen vorfiele, ließ ich ihn große

Pausen

daß ſie ſehr blond war. War dieſes bloßer Zu¬
fall oder woher ſchöpften Sie dieſelbe?“

„Eure Durchlaucht erinnern ſich, daß Sie über
Tiſche eine Doſe neben ſich hatten liegen gehabt,
auf welcher das Portrait eines Offiziers in **ſcher
Uniform in Emaille war. Ich fragte Sie, ob Sie
von Ihrem Freunde nicht irgend ein Andenken bey
ſich führten? worauf Sie mit Ja antworteten;
daraus ſchloß ich, daß es vielleicht die Doſe ſeyn
möchte. Ich hatte das Bild über Tiſche gut ins
Auge gefaßt, und weil ich im Zeichnen ſehr geübt,
auch im Treffen ſehr glücklich bin, ſo war es mir
ein leichtes, dem Bilde dieſe flüchtige Aehnlichkeit
zu geben, die Sie wahrgenommen haben; und um
ſo mehr, da die Geſichtszüge des Marquis ſehr ins
Auge fallen.

„Aber die Geſtalt ſchien ſich doch zu bewe¬
gen. —“

„So ſchien es — aber es war nicht die Ge¬
ſtalt, ſondern der Rauch, der von ihrem Scheine
beleuchtet war.“

„Und der Menſch, welcher aus dem Schlot her¬
ab ſtürzte, antwortete alſo für die Erſcheinung?“

„Eben dieſer.“

„Aber er konnte ja die Fragen nicht wohl hören.“

„Dieſes brauchte er auch nicht. Sie beſinnen
ſich, gnädigſter Prinz, daß ich Ihnen allen auf
das ſtrengſte verbot, ſelbſt eine Frage an das Ge¬
ſpenſt zu richten. Was ich ihn fragen würde und
er mir antworten ſollte, war abgeredet; und da¬
mit ja kein Verſehen vorfiele, ließ ich ihn große

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[46/0054] daß ſie ſehr blond war. War dieſes bloßer Zu¬ fall oder woher ſchöpften Sie dieſelbe?“ „Eure Durchlaucht erinnern ſich, daß Sie über Tiſche eine Doſe neben ſich hatten liegen gehabt, auf welcher das Portrait eines Offiziers in **ſcher Uniform in Emaille war. Ich fragte Sie, ob Sie von Ihrem Freunde nicht irgend ein Andenken bey ſich führten? worauf Sie mit Ja antworteten; daraus ſchloß ich, daß es vielleicht die Doſe ſeyn möchte. Ich hatte das Bild über Tiſche gut ins Auge gefaßt, und weil ich im Zeichnen ſehr geübt, auch im Treffen ſehr glücklich bin, ſo war es mir ein leichtes, dem Bilde dieſe flüchtige Aehnlichkeit zu geben, die Sie wahrgenommen haben; und um ſo mehr, da die Geſichtszüge des Marquis ſehr ins Auge fallen. „Aber die Geſtalt ſchien ſich doch zu bewe¬ gen. —“ „So ſchien es — aber es war nicht die Ge¬ ſtalt, ſondern der Rauch, der von ihrem Scheine beleuchtet war.“ „Und der Menſch, welcher aus dem Schlot her¬ ab ſtürzte, antwortete alſo für die Erſcheinung?“ „Eben dieſer.“ „Aber er konnte ja die Fragen nicht wohl hören.“ „Dieſes brauchte er auch nicht. Sie beſinnen ſich, gnädigſter Prinz, daß ich Ihnen allen auf das ſtrengſte verbot, ſelbſt eine Frage an das Ge¬ ſpenſt zu richten. Was ich ihn fragen würde und er mir antworten ſollte, war abgeredet; und da¬ mit ja kein Verſehen vorfiele, ließ ich ihn große Pauſen

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/54>, abgerufen am 28.11.2024.