Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

"Gnädigster Herr," sagte dieser, "wissen Sie
auch, wer der Mensch ist, für welchen Sie sich so
großmüthig verwenden? Der Betrug, den er Ih¬
nen zu spielen gedachte, ist sein geringstes Verbre¬
chen. Wir haben seine Helfershelfer. Sie sagen
abscheuliche Dinge von ihm aus. Er mag sich noch
glücklich preisen, wenn er mit der Galeere davon
kommt."

Unterdessen sahen wir auch den Wirth nebst sei¬
nen Hausgenossen mit Stricken gebunden über den
Hof führen -- "Auch dieser?" rief der Prinz.
"Was hat denn dieser verschuldet?" -- Er war
sein Mitschuldiger und Hehler," antwortete der
Anführer der Häscher, "der ihm zu seinen Taschen¬
spielerstückchen und Diebereyen behülflich gewesen,
und seinen Raub mit ihm getheilt hat. Gleich
sollen Sie überzeugt seyn, gnädigster Herr, (in¬
dem er sich zu seinen Begleitern kehrte.) Man
durchsuche das ganze Haus, und bringe mir so¬
gleich Nachricht, was man gefunden hat."

Jezt sahe sich der Prinz nach dem Armenier um
-- aber er war nicht mehr vorhanden; in der all¬
gemeinen Verwirrung, welche dieser Ueberfall
anrichtete, hatte er Mittel gefunden, unbemerkt
zu entkommen. Der Prinz war untröstlich; gleich,
wollte er ihm alle seine Leute nachschicken; er selbst
wollte ihn aufsuchen und mich mit sich fortreißen.
Ich eilte ans Fenster; das ganze Haus war von
Neugierigen umringt, die das Gerücht dieser Be¬
gebenheit herbey geführt hatte. Unmöglich war es,

durch
d. Geisterseher. C

„Gnädigſter Herr,“ ſagte dieſer, „wiſſen Sie
auch, wer der Menſch iſt, für welchen Sie ſich ſo
großmüthig verwenden? Der Betrug, den er Ih¬
nen zu ſpielen gedachte, iſt ſein geringſtes Verbre¬
chen. Wir haben ſeine Helfershelfer. Sie ſagen
abſcheuliche Dinge von ihm aus. Er mag ſich noch
glücklich preiſen, wenn er mit der Galeere davon
kommt.“

Unterdeſſen ſahen wir auch den Wirth nebſt ſei¬
nen Hausgenoſſen mit Stricken gebunden über den
Hof führen — „Auch dieſer?“ rief der Prinz.
„Was hat denn dieſer verſchuldet?“ — Er war
ſein Mitſchuldiger und Hehler,“ antwortete der
Anführer der Häſcher, „der ihm zu ſeinen Taſchen¬
ſpielerſtückchen und Diebereyen behülflich geweſen,
und ſeinen Raub mit ihm getheilt hat. Gleich
ſollen Sie überzeugt ſeyn, gnädigſter Herr, (in¬
dem er ſich zu ſeinen Begleitern kehrte.) Man
durchſuche das ganze Haus, und bringe mir ſo¬
gleich Nachricht, was man gefunden hat.“

Jezt ſahe ſich der Prinz nach dem Armenier um
— aber er war nicht mehr vorhanden; in der all¬
gemeinen Verwirrung, welche dieſer Ueberfall
anrichtete, hatte er Mittel gefunden, unbemerkt
zu entkommen. Der Prinz war untröſtlich; gleich,
wollte er ihm alle ſeine Leute nachſchicken; er ſelbſt
wollte ihn aufſuchen und mich mit ſich fortreißen.
Ich eilte ans Fenſter; das ganze Haus war von
Neugierigen umringt, die das Gerücht dieſer Be¬
gebenheit herbey geführt hatte. Unmöglich war es,

durch
d. Geiſterſeher. C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0041" n="33"/>
          <p>&#x201E;Gnädig&#x017F;ter Herr,&#x201C; &#x017F;agte die&#x017F;er, &#x201E;wi&#x017F;&#x017F;en Sie<lb/>
auch, wer der Men&#x017F;ch i&#x017F;t, für welchen Sie &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
großmüthig verwenden? Der Betrug, den er Ih¬<lb/>
nen zu &#x017F;pielen gedachte, i&#x017F;t &#x017F;ein gering&#x017F;tes Verbre¬<lb/>
chen. Wir haben &#x017F;eine Helfershelfer. Sie &#x017F;agen<lb/>
ab&#x017F;cheuliche Dinge von ihm aus. Er mag &#x017F;ich noch<lb/>
glücklich prei&#x017F;en, wenn er mit der Galeere davon<lb/>
kommt.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Unterde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ahen wir auch den Wirth neb&#x017F;t &#x017F;ei¬<lb/>
nen Hausgeno&#x017F;&#x017F;en mit Stricken gebunden über den<lb/>
Hof führen &#x2014; &#x201E;Auch die&#x017F;er?&#x201C; rief der Prinz.<lb/>
&#x201E;Was hat denn die&#x017F;er ver&#x017F;chuldet?&#x201C; &#x2014; Er war<lb/>
&#x017F;ein Mit&#x017F;chuldiger und Hehler,&#x201C; antwortete der<lb/>
Anführer der Hä&#x017F;cher, &#x201E;der ihm zu &#x017F;einen Ta&#x017F;chen¬<lb/>
&#x017F;pieler&#x017F;tückchen und Diebereyen behülflich gewe&#x017F;en,<lb/>
und &#x017F;einen Raub mit ihm getheilt hat. Gleich<lb/>
&#x017F;ollen Sie überzeugt &#x017F;eyn, gnädig&#x017F;ter Herr, (in¬<lb/>
dem er &#x017F;ich zu &#x017F;einen Begleitern kehrte.) Man<lb/>
durch&#x017F;uche das ganze Haus, und bringe mir &#x017F;<lb/>
gleich Nachricht, was man gefunden hat.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Jezt &#x017F;ahe &#x017F;ich der Prinz nach dem Armenier um<lb/>
&#x2014; aber er war nicht mehr vorhanden; in der all¬<lb/>
gemeinen Verwirrung, welche die&#x017F;er Ueberfall<lb/>
anrichtete, hatte er Mittel gefunden, unbemerkt<lb/>
zu entkommen. Der Prinz war untrö&#x017F;tlich; gleich,<lb/>
wollte er ihm alle &#x017F;eine Leute nach&#x017F;chicken; er &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
wollte ihn auf&#x017F;uchen und mich mit &#x017F;ich fortreißen.<lb/>
Ich eilte ans Fen&#x017F;ter; das ganze Haus war von<lb/>
Neugierigen umringt, die das Gerücht die&#x017F;er Be¬<lb/>
gebenheit herbey geführt hatte. Unmöglich war es,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">d. Gei&#x017F;ter&#x017F;eher. C<lb/></fw> <fw place="bottom" type="catch">durch<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0041] „Gnädigſter Herr,“ ſagte dieſer, „wiſſen Sie auch, wer der Menſch iſt, für welchen Sie ſich ſo großmüthig verwenden? Der Betrug, den er Ih¬ nen zu ſpielen gedachte, iſt ſein geringſtes Verbre¬ chen. Wir haben ſeine Helfershelfer. Sie ſagen abſcheuliche Dinge von ihm aus. Er mag ſich noch glücklich preiſen, wenn er mit der Galeere davon kommt.“ Unterdeſſen ſahen wir auch den Wirth nebſt ſei¬ nen Hausgenoſſen mit Stricken gebunden über den Hof führen — „Auch dieſer?“ rief der Prinz. „Was hat denn dieſer verſchuldet?“ — Er war ſein Mitſchuldiger und Hehler,“ antwortete der Anführer der Häſcher, „der ihm zu ſeinen Taſchen¬ ſpielerſtückchen und Diebereyen behülflich geweſen, und ſeinen Raub mit ihm getheilt hat. Gleich ſollen Sie überzeugt ſeyn, gnädigſter Herr, (in¬ dem er ſich zu ſeinen Begleitern kehrte.) Man durchſuche das ganze Haus, und bringe mir ſo¬ gleich Nachricht, was man gefunden hat.“ Jezt ſahe ſich der Prinz nach dem Armenier um — aber er war nicht mehr vorhanden; in der all¬ gemeinen Verwirrung, welche dieſer Ueberfall anrichtete, hatte er Mittel gefunden, unbemerkt zu entkommen. Der Prinz war untröſtlich; gleich, wollte er ihm alle ſeine Leute nachſchicken; er ſelbſt wollte ihn aufſuchen und mich mit ſich fortreißen. Ich eilte ans Fenſter; das ganze Haus war von Neugierigen umringt, die das Gerücht dieſer Be¬ gebenheit herbey geführt hatte. Unmöglich war es, durch d. Geiſterſeher. C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/41
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/41>, abgerufen am 24.11.2024.