Ich nahm sogleich Post, reis'te Tag und Nacht, und in der dritten Woche war ich in Venedig. Meine Eilfertigkeit nützte mir nichts mehr. Ich war gekommen, einem Unglücklichen Trost und Hülfe zu bringen; ich fand einen Glücklichen, der meines schwachen Beystandes nicht mehr benöthigt war. F*** lag krank, und war nicht zu spre¬ chen, als ich anlangte; folgendes Billet überbrachte man mir von seiner Hand. "Reisen Sie zurück, liebster O***, wo sie hergekommen sind. Der Prinz bedarf ihrer nicht mehr, auch nicht meiner. Seine Schulden sind bezahlt, der Kardinal ver¬ söhnt, der Marchese wieder hergestellt. Erinnern Sie Sich des Armeniers, der uns voriges Jahr so zu verwirren wußte? In seinen Armen finden Sie den Prinzen, der seit fünf Tagen -- -- die erste Messe hörte."
Ich drängte mich nichts desto weniger zum Prinzen, ward aber abgewiesen. An dem Bette meines Freundes erfuhr ich endlich die unerhörte Geschichte.
Ende des ersten Bandes.
Ich nahm ſogleich Poſt, reiſ'te Tag und Nacht, und in der dritten Woche war ich in Venedig. Meine Eilfertigkeit nützte mir nichts mehr. Ich war gekommen, einem Unglücklichen Troſt und Hülfe zu bringen; ich fand einen Glücklichen, der meines ſchwachen Beyſtandes nicht mehr benöthigt war. F*** lag krank, und war nicht zu ſpre¬ chen, als ich anlangte; folgendes Billet überbrachte man mir von ſeiner Hand. „Reiſen Sie zurück, liebſter O***, wo ſie hergekommen ſind. Der Prinz bedarf ihrer nicht mehr, auch nicht meiner. Seine Schulden ſind bezahlt, der Kardinal ver¬ ſöhnt, der Marcheſe wieder hergeſtellt. Erinnern Sie Sich des Armeniers, der uns voriges Jahr ſo zu verwirren wußte? In ſeinen Armen finden Sie den Prinzen, der ſeit fünf Tagen — — die erſte Meſſe hörte.“
Ich drängte mich nichts deſto weniger zum Prinzen, ward aber abgewieſen. An dem Bette meines Freundes erfuhr ich endlich die unerhörte Geſchichte.
Ende des erſten Bandes.
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[206/0214]
Ich nahm ſogleich Poſt, reiſ'te Tag und Nacht,
und in der dritten Woche war ich in Venedig.
Meine Eilfertigkeit nützte mir nichts mehr. Ich
war gekommen, einem Unglücklichen Troſt und
Hülfe zu bringen; ich fand einen Glücklichen, der
meines ſchwachen Beyſtandes nicht mehr benöthigt
war. F*** lag krank, und war nicht zu ſpre¬
chen, als ich anlangte; folgendes Billet überbrachte
man mir von ſeiner Hand. „Reiſen Sie zurück,
liebſter O***, wo ſie hergekommen ſind. Der
Prinz bedarf ihrer nicht mehr, auch nicht meiner.
Seine Schulden ſind bezahlt, der Kardinal ver¬
ſöhnt, der Marcheſe wieder hergeſtellt. Erinnern
Sie Sich des Armeniers, der uns voriges Jahr
ſo zu verwirren wußte? In ſeinen Armen finden
Sie den Prinzen, der ſeit fünf Tagen — — die
erſte Meſſe hörte.“
Ich drängte mich nichts deſto weniger zum
Prinzen, ward aber abgewieſen. An dem Bette
meines Freundes erfuhr ich endlich die unerhörte
Geſchichte.
Ende des erſten Bandes.
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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/214>, abgerufen am 16.07.2024.
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