Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.Künstler seyn mußte, der er war, daß er, um So scheinbar dieses klingt -- mein Herz kann tung
Künſtler ſeyn mußte, der er war, daß er, um So ſcheinbar dieſes klingt — mein Herz kann tung
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0167" n="159"/> Künſtler ſeyn mußte, der er war, daß er, um<lb/> dieſes zu ſeyn, gerade durch ſo viele Grade der<lb/> Uebung und Kunſtfertigkeit gegangen ſeyn mußte,<lb/> als er wirklich durchwandert hatte, und daß alſo<lb/> ſein ganzes vorher gegangenes Künſtlerleben an<lb/> dieſem Augenblick des Triumphes Theil nimmt.<lb/> War jener erſte Brutus zwanzig Jahre unnützlich,<lb/> weil er zwanzig Jahre den Blödſinnigen ſpielte?<lb/> Seine <hi rendition="#g">erſte</hi> That war die Gründung einer Repub¬<lb/> lick, die noch jezt als die größte Erſcheinung in<lb/> der Weltgeſchichte da ſteht. Und ſo wäre es denk¬<lb/> bar, daß meine <hi rendition="#g">Nothwendigkeit</hi> oder Ihre<lb/> Vorſehung einen Menſchen ein ganzes Menſchenal¬<lb/> ter lang ſchweigend einer That zubereitet hätte,<lb/> die ſie ihm erſt in ſeiner lezten Stunde abfordert.“</p><lb/> <p>So ſcheinbar dieſes klingt — mein Herz kann<lb/> ſich nicht an die Idee gewöhnen, daß alle Kräfte,<lb/> alle Beſtrebungen des Menſchen nur für ſeinen<lb/> Einfluß in dieſer Zeitlichkeit arbeiten ſollen. Der<lb/> große, patriotiſche, erfahrene Staatsmann, der<lb/> heute vom Ruder geſtürzt wird, trägt alle ſeine<lb/> erworbenen Kenntniſſe, ſeine geübten Kräfte, ſeine<lb/> zeitigenden Plane in ſein vergeßnes Privatleben<lb/> hinein, worin er ſtirbt. Vielleicht hatte er nur<lb/> noch den <hi rendition="#g">lezten</hi> Stein an die Pyramide zu ſetzen,<lb/> die hinter ihm zuſammen ſtürzt, die ſeine Nachfol¬<lb/> ger ganz von dem unterſten Steine wieder anfan¬<lb/> gen müſſen. Mußte er in funfzig Lebens jahren,<lb/> mußte er während ſeiner anſtrengenden Reichsver¬<lb/> waltung nur für die unthätige Stille ſeines Pri¬<lb/> vatlebens ſammeln? Daß er durch dieſe Verwal¬<lb/> <fw place="bottom" type="catch">tung<lb/></fw> </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [159/0167]
Künſtler ſeyn mußte, der er war, daß er, um
dieſes zu ſeyn, gerade durch ſo viele Grade der
Uebung und Kunſtfertigkeit gegangen ſeyn mußte,
als er wirklich durchwandert hatte, und daß alſo
ſein ganzes vorher gegangenes Künſtlerleben an
dieſem Augenblick des Triumphes Theil nimmt.
War jener erſte Brutus zwanzig Jahre unnützlich,
weil er zwanzig Jahre den Blödſinnigen ſpielte?
Seine erſte That war die Gründung einer Repub¬
lick, die noch jezt als die größte Erſcheinung in
der Weltgeſchichte da ſteht. Und ſo wäre es denk¬
bar, daß meine Nothwendigkeit oder Ihre
Vorſehung einen Menſchen ein ganzes Menſchenal¬
ter lang ſchweigend einer That zubereitet hätte,
die ſie ihm erſt in ſeiner lezten Stunde abfordert.“
So ſcheinbar dieſes klingt — mein Herz kann
ſich nicht an die Idee gewöhnen, daß alle Kräfte,
alle Beſtrebungen des Menſchen nur für ſeinen
Einfluß in dieſer Zeitlichkeit arbeiten ſollen. Der
große, patriotiſche, erfahrene Staatsmann, der
heute vom Ruder geſtürzt wird, trägt alle ſeine
erworbenen Kenntniſſe, ſeine geübten Kräfte, ſeine
zeitigenden Plane in ſein vergeßnes Privatleben
hinein, worin er ſtirbt. Vielleicht hatte er nur
noch den lezten Stein an die Pyramide zu ſetzen,
die hinter ihm zuſammen ſtürzt, die ſeine Nachfol¬
ger ganz von dem unterſten Steine wieder anfan¬
gen müſſen. Mußte er in funfzig Lebens jahren,
mußte er während ſeiner anſtrengenden Reichsver¬
waltung nur für die unthätige Stille ſeines Pri¬
vatlebens ſammeln? Daß er durch dieſe Verwal¬
tung
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