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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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Ich konnte das Gespräch noch nicht abgebro¬
chen sehen.

Gnädigster Prinz, hub ich von neuem an, hab'
ich Sie auch recht verstanden? Der lezte Zweck des
Menschen ist nicht im Menschen, sondern ausser
ihm? Er ist nur um seiner Folgen willen vor¬
handen?

"Lassen Sie uns diesen Ausdruck vermeiden,
der uns irre führt."

"Sagen Sie, er ist da, weil die Ursachen sei¬
nes Daseyns da waren, und weil seine Wirkungen
existiren, oder, welches eben so viel sagt, weil die
Ursachen, die ihm vorhergingen, eine Wirkung ha¬
ben mußten, und die Wirkungen, die er hervor¬
bringt, eine Ursache haben müssen."

Wenn ich ihm also einen Werth beylegen will,
so kann ich diesen nur nach der Menge und Wichtig¬
keit der Wirkungen abwägen, deren Ursache er ist?

"Nach der Menge seiner Wirkungen. Wich¬
tig nennen wir eine Wirkung bloß, weil sie eine
größre Menge von Wirkungen nach sich ziehet.
Der Mensch hat keinen andern Werth als seine
Wirkungen."

Derjenige Mensch also, in welchem der Grund
mehrerer Wirkungen enthalten ist, wäre der vor¬
trefflichere Mensch?

"Unwidersprechlich."

Wie? So ist zwischen dem Guten und Schlim¬
men kein Unterschied mehr! So ist die moralische
Schönheit verloren!

"Das

Ich konnte das Geſpräch noch nicht abgebro¬
chen ſehen.

Gnädigſter Prinz, hub ich von neuem an, hab'
ich Sie auch recht verſtanden? Der lezte Zweck des
Menſchen iſt nicht im Menſchen, ſondern auſſer
ihm? Er iſt nur um ſeiner Folgen willen vor¬
handen?

„Laſſen Sie uns dieſen Ausdruck vermeiden,
der uns irre führt.“

„Sagen Sie, er iſt da, weil die Urſachen ſei¬
nes Daſeyns da waren, und weil ſeine Wirkungen
exiſtiren, oder, welches eben ſo viel ſagt, weil die
Urſachen, die ihm vorhergingen, eine Wirkung ha¬
ben mußten, und die Wirkungen, die er hervor¬
bringt, eine Urſache haben müſſen.“

Wenn ich ihm alſo einen Werth beylegen will,
ſo kann ich dieſen nur nach der Menge und Wichtig¬
keit der Wirkungen abwägen, deren Urſache er iſt?

„Nach der Menge ſeiner Wirkungen. Wich¬
tig nennen wir eine Wirkung bloß, weil ſie eine
größre Menge von Wirkungen nach ſich ziehet.
Der Menſch hat keinen andern Werth als ſeine
Wirkungen.“

Derjenige Menſch alſo, in welchem der Grund
mehrerer Wirkungen enthalten iſt, wäre der vor¬
trefflichere Menſch?

„Unwiderſprechlich.“

Wie? So iſt zwiſchen dem Guten und Schlim¬
men kein Unterſchied mehr! So iſt die moraliſche
Schönheit verloren!

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[139/0147] Ich konnte das Geſpräch noch nicht abgebro¬ chen ſehen. Gnädigſter Prinz, hub ich von neuem an, hab' ich Sie auch recht verſtanden? Der lezte Zweck des Menſchen iſt nicht im Menſchen, ſondern auſſer ihm? Er iſt nur um ſeiner Folgen willen vor¬ handen? „Laſſen Sie uns dieſen Ausdruck vermeiden, der uns irre führt.“ „Sagen Sie, er iſt da, weil die Urſachen ſei¬ nes Daſeyns da waren, und weil ſeine Wirkungen exiſtiren, oder, welches eben ſo viel ſagt, weil die Urſachen, die ihm vorhergingen, eine Wirkung ha¬ ben mußten, und die Wirkungen, die er hervor¬ bringt, eine Urſache haben müſſen.“ Wenn ich ihm alſo einen Werth beylegen will, ſo kann ich dieſen nur nach der Menge und Wichtig¬ keit der Wirkungen abwägen, deren Urſache er iſt? „Nach der Menge ſeiner Wirkungen. Wich¬ tig nennen wir eine Wirkung bloß, weil ſie eine größre Menge von Wirkungen nach ſich ziehet. Der Menſch hat keinen andern Werth als ſeine Wirkungen.“ Derjenige Menſch alſo, in welchem der Grund mehrerer Wirkungen enthalten iſt, wäre der vor¬ trefflichere Menſch? „Unwiderſprechlich.“ Wie? So iſt zwiſchen dem Guten und Schlim¬ men kein Unterſchied mehr! So iſt die moraliſche Schönheit verloren! „Das

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/147>, abgerufen am 24.11.2024.