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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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migkeit meines bisherigen Lebens einmal heraus
gehe und herum schaue, ob nicht irgend anderswo
eine Quelle des Genusses für mich springt -- weil
ich --"

Wenn es ein Versuch war, gnädigster Herr,
dann hab' ich nichts mehr zu sagen -- dann sind
die Erfahrungen, die er Ihnen verschaft haben
wird, noch mit dreymal so viel nicht zu theuer er¬
kauft. Es that mir weh, ich gestehe es, daß die
Meynung der Welt über eine Frage, wie Sie
glücklich seyn sollen, zu entscheiden haben sollte.

"Wohl Ihnen, daß Sie verachten können
die Meynung der Welt! Ich bin ihr Geschöpf, ich
muß ihr Sklave seyn. Was sind wir anders als
Meynung? Alles an uns Fürsten ist Meynung.
Die Meynung ist unsre Amme und Erzieherinn in
der Kindheit, unsre Gesetzgeberinn und Geliebte in
männlichen Jahren, unsre Krücke im Alter. Neh¬
men Sie uns, was wir von der Meynung haben,
und der Schlechteste aus den untersten Klassen ist
besser daran als wir, denn sein Schicksal hat ihm
doch eine Philosophie seines Schicksals geschaffen.
Ein Fürst, der die Meynung verlacht, hebt sich
selbst auf, wie der Priester, der das Daseyn eines
Gottes läugnet."

Und dennoch, gnädigster Prinz --

"Ich weiß, was Sie sagen wollen. Ich kann
den Kreis überschreiten, den meine Geburt um
mich gezogen hat -- aber kann ich auch alle
Wahnbegriffe aus meinem Gedächtniß herausreis¬
sen, die Erziehung und frühe Gewohnheit darein

gepflanzt,

migkeit meines bisherigen Lebens einmal heraus
gehe und herum ſchaue, ob nicht irgend anderswo
eine Quelle des Genuſſes für mich ſpringt — weil
ich —“

Wenn es ein Verſuch war, gnädigſter Herr,
dann hab' ich nichts mehr zu ſagen — dann ſind
die Erfahrungen, die er Ihnen verſchaft haben
wird, noch mit dreymal ſo viel nicht zu theuer er¬
kauft. Es that mir weh, ich geſtehe es, daß die
Meynung der Welt über eine Frage, wie Sie
glücklich ſeyn ſollen, zu entſcheiden haben ſollte.

„Wohl Ihnen, daß Sie verachten können
die Meynung der Welt! Ich bin ihr Geſchöpf, ich
muß ihr Sklave ſeyn. Was ſind wir anders als
Meynung? Alles an uns Fürſten iſt Meynung.
Die Meynung iſt unſre Amme und Erzieherinn in
der Kindheit, unſre Geſetzgeberinn und Geliebte in
männlichen Jahren, unſre Krücke im Alter. Neh¬
men Sie uns, was wir von der Meynung haben,
und der Schlechteſte aus den unterſten Klaſſen iſt
beſſer daran als wir, denn ſein Schickſal hat ihm
doch eine Philoſophie ſeines Schickſals geſchaffen.
Ein Fürſt, der die Meynung verlacht, hebt ſich
ſelbſt auf, wie der Prieſter, der das Daſeyn eines
Gottes läugnet.“

Und dennoch, gnädigſter Prinz —

„Ich weiß, was Sie ſagen wollen. Ich kann
den Kreis überſchreiten, den meine Geburt um
mich gezogen hat — aber kann ich auch alle
Wahnbegriffe aus meinem Gedächtniß herausreiſ¬
ſen, die Erziehung und frühe Gewohnheit darein

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[125/0133] migkeit meines bisherigen Lebens einmal heraus gehe und herum ſchaue, ob nicht irgend anderswo eine Quelle des Genuſſes für mich ſpringt — weil ich —“ Wenn es ein Verſuch war, gnädigſter Herr, dann hab' ich nichts mehr zu ſagen — dann ſind die Erfahrungen, die er Ihnen verſchaft haben wird, noch mit dreymal ſo viel nicht zu theuer er¬ kauft. Es that mir weh, ich geſtehe es, daß die Meynung der Welt über eine Frage, wie Sie glücklich ſeyn ſollen, zu entſcheiden haben ſollte. „Wohl Ihnen, daß Sie verachten können die Meynung der Welt! Ich bin ihr Geſchöpf, ich muß ihr Sklave ſeyn. Was ſind wir anders als Meynung? Alles an uns Fürſten iſt Meynung. Die Meynung iſt unſre Amme und Erzieherinn in der Kindheit, unſre Geſetzgeberinn und Geliebte in männlichen Jahren, unſre Krücke im Alter. Neh¬ men Sie uns, was wir von der Meynung haben, und der Schlechteſte aus den unterſten Klaſſen iſt beſſer daran als wir, denn ſein Schickſal hat ihm doch eine Philoſophie ſeines Schickſals geſchaffen. Ein Fürſt, der die Meynung verlacht, hebt ſich ſelbſt auf, wie der Prieſter, der das Daſeyn eines Gottes läugnet.“ Und dennoch, gnädigſter Prinz — „Ich weiß, was Sie ſagen wollen. Ich kann den Kreis überſchreiten, den meine Geburt um mich gezogen hat — aber kann ich auch alle Wahnbegriffe aus meinem Gedächtniß herausreiſ¬ ſen, die Erziehung und frühe Gewohnheit darein gepflanzt,

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/133>, abgerufen am 24.11.2024.