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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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redung gleichfalls mit angehört hatte, zog mich
auf die Seite.

"Ihr Prinz ist ein edler Mann; es thut mir
leid um ihn. Ich verwette meine Seele, daß er
mit einem Schurken zu thun hat."

"Es wird darauf ankommen," sagte ich, "wie
er sich aus dem Handel zieht."

"Wissen Sie was?" sagte der Engländer:
"Jezt macht der arme Teufel sich kostbar. Er
wird seine Kunst nicht auskramen, bis er Geld
klingen hört. Es sind unser Neune. Wir wollen
eine Collekte machen. Das bricht ihm den Hals
und öffnet vielleicht Ihrem Prinzen die Augen."

"Ich bins zufrieden."

Der Engländer warf sechs Guineen auf einen
Teller, und sammelte in der Reihe herum. Jeder
gab einige Louis; dem Russen besonders gefiel un¬
ser Vorschlag ungemein, er legte eine Banknote
von hundert Zechinen auf den Teller -- eine Ver¬
schwendung, über welche der Engländer erschrak.
Wir brachten die Collekte dem Prinzen. "Haben Sie
die Güte," sagte der Engländer, "bey diesem Herrn
für uns fürzusprechen, daß er uns eine Probe seiner
Kunst sehen lasse und diesen kleinen Beweis unsrer Er¬
kenntlichkeit annehme." Der Prinz legte noch einen
kostbaren Ring auf den Teller, und reichte ihn dem Si¬
cilianer. Dieser bedachte sich einige Sekunden. --
"Meine Herren," fing er darauf an, "diese Gro߬
muth erniedrigt mich -- aber ich gebe Ihrem Ver¬
langen nach. Ihr Wunsch soll erfüllt werden, (in¬
dem er eine Glocke zog.) Was dieses Gold betrifft,

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redung gleichfalls mit angehört hatte, zog mich
auf die Seite.

„Ihr Prinz iſt ein edler Mann; es thut mir
leid um ihn. Ich verwette meine Seele, daß er
mit einem Schurken zu thun hat.“

„Es wird darauf ankommen,“ ſagte ich, „wie
er ſich aus dem Handel zieht.“

„Wiſſen Sie was?“ ſagte der Engländer:
„Jezt macht der arme Teufel ſich koſtbar. Er
wird ſeine Kunſt nicht auskramen, bis er Geld
klingen hört. Es ſind unſer Neune. Wir wollen
eine Collekte machen. Das bricht ihm den Hals
und öffnet vielleicht Ihrem Prinzen die Augen.“

„Ich bins zufrieden.“

Der Engländer warf ſechs Guineen auf einen
Teller, und ſammelte in der Reihe herum. Jeder
gab einige Louis; dem Ruſſen beſonders gefiel un¬
ſer Vorſchlag ungemein, er legte eine Banknote
von hundert Zechinen auf den Teller — eine Ver¬
ſchwendung, über welche der Engländer erſchrak.
Wir brachten die Collekte dem Prinzen. „Haben Sie
die Güte,“ ſagte der Engländer, „bey dieſem Herrn
für uns fürzuſprechen, daß er uns eine Probe ſeiner
Kunſt ſehen laſſe und dieſen kleinen Beweis unſrer Er¬
kenntlichkeit annehme.“ Der Prinz legte noch einen
koſtbaren Ring auf den Teller, und reichte ihn dem Si¬
cilianer. Dieſer bedachte ſich einige Sekunden. —
„Meine Herren,“ fing er darauf an, „dieſe Gro߬
muth erniedrigt mich — aber ich gebe Ihrem Ver¬
langen nach. Ihr Wunſch ſoll erfüllt werden, (in¬
dem er eine Glocke zog.) Was dieſes Gold betrifft,

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[23/0031] redung gleichfalls mit angehört hatte, zog mich auf die Seite. „Ihr Prinz iſt ein edler Mann; es thut mir leid um ihn. Ich verwette meine Seele, daß er mit einem Schurken zu thun hat.“ „Es wird darauf ankommen,“ ſagte ich, „wie er ſich aus dem Handel zieht.“ „Wiſſen Sie was?“ ſagte der Engländer: „Jezt macht der arme Teufel ſich koſtbar. Er wird ſeine Kunſt nicht auskramen, bis er Geld klingen hört. Es ſind unſer Neune. Wir wollen eine Collekte machen. Das bricht ihm den Hals und öffnet vielleicht Ihrem Prinzen die Augen.“ „Ich bins zufrieden.“ Der Engländer warf ſechs Guineen auf einen Teller, und ſammelte in der Reihe herum. Jeder gab einige Louis; dem Ruſſen beſonders gefiel un¬ ſer Vorſchlag ungemein, er legte eine Banknote von hundert Zechinen auf den Teller — eine Ver¬ ſchwendung, über welche der Engländer erſchrak. Wir brachten die Collekte dem Prinzen. „Haben Sie die Güte,“ ſagte der Engländer, „bey dieſem Herrn für uns fürzuſprechen, daß er uns eine Probe ſeiner Kunſt ſehen laſſe und dieſen kleinen Beweis unſrer Er¬ kenntlichkeit annehme.“ Der Prinz legte noch einen koſtbaren Ring auf den Teller, und reichte ihn dem Si¬ cilianer. Dieſer bedachte ſich einige Sekunden. — „Meine Herren,“ fing er darauf an, „dieſe Gro߬ muth erniedrigt mich — aber ich gebe Ihrem Ver¬ langen nach. Ihr Wunſch ſoll erfüllt werden, (in¬ dem er eine Glocke zog.) Was dieſes Gold betrifft, wor¬ B 4

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/31>, abgerufen am 28.11.2024.