Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

Domherr schnarchte in einem Sessel -- der Russe
blieb wie bisher gleichgültig sitzen.

"Sie wollten vielleicht nur einen Großsprecher
zum Gelächter machen," fing der Prinz wieder an,
nachdem jene hinaus waren -- "oder hätten Sie
wohl Lust uns Wort zu halten?"

"Es ist wahr," sagte der Sicilianer. "Mit
dem Abbe' war es mein Ernst nicht. Ich habe ihn
beym Wort genommen, weil ich wohl wußte, daß
die Memme es nicht so weit würde kommen lassen.
Die Sache selbst ist übrigens zu ernsthaft, um bloß
einen Scherz damit auszuführen."

"Sie räumen also doch ein, daß sie in Ihrer
Gewalt ist?"

Der Magier schwieg eine lange Zeit, und schien
den Prinzen sorgfältig mit den Augen zu prüfen.

"Ja," antwortete er endlich.

Die Neugierde des Prinzen war bereits auf
den höchsten Grad gespannt. Dieß war jederzeit
seine Lieblingsschwärmerey gewesen, und seit jener
ersten Erscheinung des Armeniers hatten sich alle
Ideen wieder bey ihm gemeldet, die seine reifere
Vernunft und eine bessere Lektüre so lange abge¬
wiesen hatten. Er ging mit dem Sicilianer bey
Seite, und ich hörte ihn sehr angelegentlich mit
ihm unterhandeln.

"Sie haben hier einen Mann vor sich," fuhr
er fort, "der von Ungeduld brennt, in dieser wich¬
tigen Materie es zu einer Ueberzeugung zu bringen.
Ich würde denjenigen als meinen Wohlthäter, als
meinen ersten Freund umarmen, der hier meine

Zweifel
B 3

Domherr ſchnarchte in einem Seſſel — der Ruſſe
blieb wie bisher gleichgültig ſitzen.

„Sie wollten vielleicht nur einen Großſprecher
zum Gelächter machen,“ fing der Prinz wieder an,
nachdem jene hinaus waren — „oder hätten Sie
wohl Luſt uns Wort zu halten?“

„Es iſt wahr,“ ſagte der Sicilianer. „Mit
dem Abbe' war es mein Ernſt nicht. Ich habe ihn
beym Wort genommen, weil ich wohl wußte, daß
die Memme es nicht ſo weit würde kommen laſſen.
Die Sache ſelbſt iſt übrigens zu ernſthaft, um bloß
einen Scherz damit auszuführen.“

„Sie räumen alſo doch ein, daß ſie in Ihrer
Gewalt iſt?“

Der Magier ſchwieg eine lange Zeit, und ſchien
den Prinzen ſorgfältig mit den Augen zu prüfen.

„Ja,“ antwortete er endlich.

Die Neugierde des Prinzen war bereits auf
den höchſten Grad geſpannt. Dieß war jederzeit
ſeine Lieblingsſchwärmerey geweſen, und ſeit jener
erſten Erſcheinung des Armeniers hatten ſich alle
Ideen wieder bey ihm gemeldet, die ſeine reifere
Vernunft und eine beſſere Lektüre ſo lange abge¬
wieſen hatten. Er ging mit dem Sicilianer bey
Seite, und ich hörte ihn ſehr angelegentlich mit
ihm unterhandeln.

„Sie haben hier einen Mann vor ſich,“ fuhr
er fort, „der von Ungeduld brennt, in dieſer wich¬
tigen Materie es zu einer Ueberzeugung zu bringen.
Ich würde denjenigen als meinen Wohlthäter, als
meinen erſten Freund umarmen, der hier meine

Zweifel
B 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0029" n="21"/>
Domherr &#x017F;chnarchte in einem Se&#x017F;&#x017F;el &#x2014; der Ru&#x017F;&#x017F;e<lb/>
blieb wie bisher gleichgültig &#x017F;itzen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sie wollten vielleicht nur einen Groß&#x017F;precher<lb/>
zum Gelächter <choice><sic>machten</sic><corr>machen</corr></choice>,&#x201C; fing der Prinz wieder an,<lb/>
nachdem jene hinaus waren &#x2014; &#x201E;oder hätten Sie<lb/>
wohl Lu&#x017F;t uns Wort zu halten?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es i&#x017F;t wahr,&#x201C; &#x017F;agte der Sicilianer. &#x201E;Mit<lb/>
dem Abbe' war es mein Ern&#x017F;t nicht. Ich habe ihn<lb/>
beym Wort genommen, weil ich wohl wußte, daß<lb/>
die Memme es nicht &#x017F;o weit würde kommen la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Die Sache &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t übrigens zu ern&#x017F;thaft, um bloß<lb/>
einen Scherz damit auszuführen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sie räumen al&#x017F;o doch ein, daß &#x017F;ie in Ihrer<lb/>
Gewalt i&#x017F;t?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Der Magier &#x017F;chwieg eine lange Zeit, und &#x017F;chien<lb/>
den Prinzen &#x017F;orgfältig mit den Augen zu prüfen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja,&#x201C; antwortete er endlich.</p><lb/>
          <p>Die Neugierde des Prinzen war bereits auf<lb/>
den höch&#x017F;ten Grad ge&#x017F;pannt. Dieß war jederzeit<lb/>
&#x017F;eine Lieblings&#x017F;chwärmerey gewe&#x017F;en, und &#x017F;eit jener<lb/>
er&#x017F;ten Er&#x017F;cheinung des Armeniers hatten &#x017F;ich alle<lb/>
Ideen wieder bey ihm gemeldet, die &#x017F;eine reifere<lb/>
Vernunft und eine be&#x017F;&#x017F;ere Lektüre &#x017F;o lange abge¬<lb/>
wie&#x017F;en hatten. Er ging mit dem Sicilianer bey<lb/>
Seite, und ich hörte ihn &#x017F;ehr angelegentlich mit<lb/>
ihm unterhandeln.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sie haben hier einen Mann vor &#x017F;ich,&#x201C; fuhr<lb/>
er fort, &#x201E;der von Ungeduld brennt, in die&#x017F;er wich¬<lb/>
tigen Materie es zu einer Ueberzeugung zu bringen.<lb/>
Ich würde denjenigen als meinen Wohlthäter, als<lb/>
meinen er&#x017F;ten Freund umarmen, der hier meine<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Zweifel<lb/></fw> <fw place="bottom" type="sig">B 3<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0029] Domherr ſchnarchte in einem Seſſel — der Ruſſe blieb wie bisher gleichgültig ſitzen. „Sie wollten vielleicht nur einen Großſprecher zum Gelächter machen,“ fing der Prinz wieder an, nachdem jene hinaus waren — „oder hätten Sie wohl Luſt uns Wort zu halten?“ „Es iſt wahr,“ ſagte der Sicilianer. „Mit dem Abbe' war es mein Ernſt nicht. Ich habe ihn beym Wort genommen, weil ich wohl wußte, daß die Memme es nicht ſo weit würde kommen laſſen. Die Sache ſelbſt iſt übrigens zu ernſthaft, um bloß einen Scherz damit auszuführen.“ „Sie räumen alſo doch ein, daß ſie in Ihrer Gewalt iſt?“ Der Magier ſchwieg eine lange Zeit, und ſchien den Prinzen ſorgfältig mit den Augen zu prüfen. „Ja,“ antwortete er endlich. Die Neugierde des Prinzen war bereits auf den höchſten Grad geſpannt. Dieß war jederzeit ſeine Lieblingsſchwärmerey geweſen, und ſeit jener erſten Erſcheinung des Armeniers hatten ſich alle Ideen wieder bey ihm gemeldet, die ſeine reifere Vernunft und eine beſſere Lektüre ſo lange abge¬ wieſen hatten. Er ging mit dem Sicilianer bey Seite, und ich hörte ihn ſehr angelegentlich mit ihm unterhandeln. „Sie haben hier einen Mann vor ſich,“ fuhr er fort, „der von Ungeduld brennt, in dieſer wich¬ tigen Materie es zu einer Ueberzeugung zu bringen. Ich würde denjenigen als meinen Wohlthäter, als meinen erſten Freund umarmen, der hier meine Zweifel B 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/29
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/29>, abgerufen am 28.11.2024.