Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

Nobili der Republik standen bereit, den Prinzen
zu bewillkommen, und ihn mit Pracht nach der As¬
semblee zu begleiten, wo der hohe Adel, der Stadt
ihn erwartete. Er hatte kaum so viel Zeit, mir
durch einen flüchtigen Wink zu verstehen zu geben,
daß ich für ihn wach bleiben möchte.

Nachts gegen eilf kam er wieder. Ernst und
gedankenvoll trat er ins Zimmer, und ergriff mei¬
ne Hand, nachdem er die Bedienten entlassen hat¬
te. "Graf, sagte er mit den Worten Hamlets zu
mir, es giebt mehr Dinge im Himmel und auf
Erden, als wir in unsern Philosophien träumen."

Gnädigster Herr, antwortete ich, Sie scheinen
zu vergessen, daß Sie um eine große Hoffnung rei¬
cher zu Bette gehen." (Der Verstorbene war der
Erbprinz.)

"Erinnern Sie mich nicht daran, sagte der
Prinz. Und wenn eine Krone für mich wäre ge¬
wonnen worden, ich hätte jezt mehr zu thun, als
dieser Kleinigkeit nachzudenken. -- -- Wenn die¬
ser Armenier nicht bloß errathen hat" -- --

"Wie ist das möglich, Prinz?" fiel ich
ein. --

"So will ich Ihnen alle meine fürstlichen Hoff¬
nungen für eine Mönchskutte abtreten."

Ich führe dieses mit Fleiß hier an, weil ich
glaube, daß es zu einem Beweise dienen kann, wie
entfernt er noch damals von jeder herrschsüchtigen
Absicht gewesen ist.

Den
A 5

Nobili der Republik ſtanden bereit, den Prinzen
zu bewillkommen, und ihn mit Pracht nach der Aſ¬
ſemblee zu begleiten, wo der hohe Adel, der Stadt
ihn erwartete. Er hatte kaum ſo viel Zeit, mir
durch einen flüchtigen Wink zu verſtehen zu geben,
daß ich für ihn wach bleiben möchte.

Nachts gegen eilf kam er wieder. Ernſt und
gedankenvoll trat er ins Zimmer, und ergriff mei¬
ne Hand, nachdem er die Bedienten entlaſſen hat¬
te. „Graf, ſagte er mit den Worten Hamlets zu
mir, es giebt mehr Dinge im Himmel und auf
Erden, als wir in unſern Philoſophien träumen.“

Gnädigſter Herr, antwortete ich, Sie ſcheinen
zu vergeſſen, daß Sie um eine große Hoffnung rei¬
cher zu Bette gehen.“ (Der Verſtorbene war der
Erbprinz.)

„Erinnern Sie mich nicht daran, ſagte der
Prinz. Und wenn eine Krone für mich wäre ge¬
wonnen worden, ich hätte jezt mehr zu thun, als
dieſer Kleinigkeit nachzudenken. — — Wenn die¬
ſer Armenier nicht bloß errathen hat“ — —

„Wie iſt das möglich, Prinz?“ fiel ich
ein. —

„So will ich Ihnen alle meine fürſtlichen Hoff¬
nungen für eine Mönchskutte abtreten.“

Ich führe dieſes mit Fleiß hier an, weil ich
glaube, daß es zu einem Beweiſe dienen kann, wie
entfernt er noch damals von jeder herrſchſüchtigen
Abſicht geweſen iſt.

Den
A 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0017" n="9"/>
Nobili der Republik &#x017F;tanden bereit, den Prinzen<lb/>
zu bewillkommen, und ihn mit Pracht nach der A&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;emblee zu begleiten, wo der hohe Adel, der Stadt<lb/>
ihn erwartete. Er hatte kaum &#x017F;o viel Zeit, mir<lb/>
durch einen flüchtigen Wink zu ver&#x017F;tehen zu geben,<lb/>
daß ich für ihn wach bleiben möchte.</p><lb/>
          <p>Nachts gegen eilf kam er wieder. Ern&#x017F;t und<lb/>
gedankenvoll trat er ins Zimmer, und ergriff mei¬<lb/>
ne Hand, nachdem er die Bedienten entla&#x017F;&#x017F;en hat¬<lb/>
te. &#x201E;Graf, &#x017F;agte er mit den Worten Hamlets zu<lb/>
mir, es giebt mehr Dinge im Himmel und auf<lb/>
Erden, als wir in un&#x017F;ern Philo&#x017F;ophien träumen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Gnädig&#x017F;ter Herr, antwortete ich, Sie &#x017F;cheinen<lb/>
zu verge&#x017F;&#x017F;en, daß Sie um eine große Hoffnung rei¬<lb/>
cher zu Bette gehen.&#x201C; (Der Ver&#x017F;torbene war der<lb/>
Erbprinz.)</p><lb/>
          <p>&#x201E;Erinnern Sie mich nicht daran, &#x017F;agte der<lb/>
Prinz. Und wenn eine Krone für mich wäre ge¬<lb/>
wonnen worden, ich hätte jezt mehr zu thun, als<lb/>
die&#x017F;er Kleinigkeit nachzudenken. &#x2014; &#x2014; Wenn die¬<lb/>
&#x017F;er Armenier nicht bloß errathen hat&#x201C; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wie i&#x017F;t das möglich, Prinz?&#x201C; fiel ich<lb/>
ein. &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x201E;So will ich Ihnen alle meine für&#x017F;tlichen Hoff¬<lb/>
nungen für eine Mönchskutte abtreten.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Ich führe die&#x017F;es mit Fleiß hier an, weil ich<lb/>
glaube, daß es zu einem Bewei&#x017F;e dienen kann, wie<lb/>
entfernt er noch damals von jeder herr&#x017F;ch&#x017F;üchtigen<lb/>
Ab&#x017F;icht gewe&#x017F;en i&#x017F;t.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">A 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Den<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0017] Nobili der Republik ſtanden bereit, den Prinzen zu bewillkommen, und ihn mit Pracht nach der Aſ¬ ſemblee zu begleiten, wo der hohe Adel, der Stadt ihn erwartete. Er hatte kaum ſo viel Zeit, mir durch einen flüchtigen Wink zu verſtehen zu geben, daß ich für ihn wach bleiben möchte. Nachts gegen eilf kam er wieder. Ernſt und gedankenvoll trat er ins Zimmer, und ergriff mei¬ ne Hand, nachdem er die Bedienten entlaſſen hat¬ te. „Graf, ſagte er mit den Worten Hamlets zu mir, es giebt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als wir in unſern Philoſophien träumen.“ Gnädigſter Herr, antwortete ich, Sie ſcheinen zu vergeſſen, daß Sie um eine große Hoffnung rei¬ cher zu Bette gehen.“ (Der Verſtorbene war der Erbprinz.) „Erinnern Sie mich nicht daran, ſagte der Prinz. Und wenn eine Krone für mich wäre ge¬ wonnen worden, ich hätte jezt mehr zu thun, als dieſer Kleinigkeit nachzudenken. — — Wenn die¬ ſer Armenier nicht bloß errathen hat“ — — „Wie iſt das möglich, Prinz?“ fiel ich ein. — „So will ich Ihnen alle meine fürſtlichen Hoff¬ nungen für eine Mönchskutte abtreten.“ Ich führe dieſes mit Fleiß hier an, weil ich glaube, daß es zu einem Beweiſe dienen kann, wie entfernt er noch damals von jeder herrſchſüchtigen Abſicht geweſen iſt. Den A 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/17
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/17>, abgerufen am 28.11.2024.