des Jünglings werth, durch dessen Herz die Tu- gend so vieler königlichen Ahnen rollt. Ermannen Sie Sich, edler Prinz. -- Der Enkel des großen Karls fängt frisch zu ringen an, wo andrer Menschen Kinder muthlos enden.
Karlos. Zu spät! O Gott! Es ist zu spät!
Königinn. Ein Mann zu sein? O Karl! Wie groß wird uns're Tu- gend, wenn unser Herz bei ihrer Übung bricht! Hoch stellte Sie die Vorsicht -- höher, Prinz, als Millionen Ihrer andern Brüder. Parteilich gab sie ihrem Liebling, was sie andern nahm, und Millionen fragen: Verdiente der im Mutterleibe schon mehr als wir andern Sterblichen zu gelten? Auf! retten Sie des Himmels Billigkeit! verdienen Sie, der Welt voran zu gehen, und opfern Sie was keiner opferte.
Karlos. Das kann ich auch. -- Sie zu erkämpfen hab' ich Riesenkraft; Sie zu verlieren keine.
Dom Karlos.
des Jünglings werth, durch deſſen Herz die Tu- gend ſo vieler königlichen Ahnen rollt. Ermannen Sie Sich, edler Prinz. — Der Enkel des großen Karls fängt friſch zu ringen an, wo andrer Menſchen Kinder muthlos enden.
Karlos. Zu ſpät! O Gott! Es iſt zu ſpät!
Königinn. Ein Mann zu ſein? O Karl! Wie groß wird unſ’re Tu- gend, wenn unſer Herz bei ihrer Übung bricht! Hoch ſtellte Sie die Vorſicht — höher, Prinz, als Millionen Ihrer andern Brüder. Parteilich gab ſie ihrem Liebling, was ſie andern nahm, und Millionen fragen: Verdiente der im Mutterleibe ſchon mehr als wir andern Sterblichen zu gelten? Auf! retten Sie des Himmels Billigkeit! verdienen Sie, der Welt voran zu gehen, und opfern Sie was keiner opferte.
Karlos. Das kann ich auch. — Sie zu erkämpfen hab’ ich Rieſenkraft; Sie zu verlieren keine.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><spwho="#KOENIGI"><p><pbfacs="#f0070"n="60"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Dom Karlos</hi>.</fw><lb/>
des Jünglings werth, durch deſſen Herz die Tu-<lb/>
gend<lb/>ſo vieler königlichen Ahnen rollt.<lb/>
Ermannen Sie Sich, edler Prinz. — Der Enkel<lb/>
des großen Karls fängt friſch zu ringen an,<lb/>
wo andrer Menſchen Kinder muthlos enden.</p></sp><lb/><spwho="#KAR"><speaker><hirendition="#g">Karlos</hi>.</speaker><lb/><p>Zu ſpät! O Gott! Es iſt zu ſpät!</p></sp><lb/><spwho="#KOENIGI"><speaker><hirendition="#g">Königinn</hi>.</speaker><lb/><p><hirendition="#et">Ein Mann</hi><lb/>
zu ſein? O Karl! Wie groß wird unſ’re Tu-<lb/>
gend,<lb/>
wenn unſer Herz bei ihrer Übung bricht!<lb/>
Hoch ſtellte Sie die Vorſicht — höher, Prinz,<lb/>
als Millionen Ihrer andern Brüder.<lb/>
Parteilich gab ſie ihrem Liebling, was<lb/>ſie andern nahm, und Millionen fragen:<lb/>
Verdiente der im Mutterleibe ſchon<lb/>
mehr als wir andern Sterblichen zu gelten?<lb/>
Auf! retten Sie des Himmels Billigkeit!<lb/><hirendition="#g">verdienen</hi> Sie, der Welt voran zu gehen,<lb/>
und opfern Sie was keiner opferte.</p></sp><lb/><spwho="#KAR"><speaker><hirendition="#g">Karlos</hi>.</speaker><lb/><p>Das kann ich auch. — Sie zu erkämpfen hab’<lb/>
ich Rieſenkraft; Sie zu verlieren keine.</p></sp><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[60/0070]
Dom Karlos.
des Jünglings werth, durch deſſen Herz die Tu-
gend
ſo vieler königlichen Ahnen rollt.
Ermannen Sie Sich, edler Prinz. — Der Enkel
des großen Karls fängt friſch zu ringen an,
wo andrer Menſchen Kinder muthlos enden.
Karlos.
Zu ſpät! O Gott! Es iſt zu ſpät!
Königinn.
Ein Mann
zu ſein? O Karl! Wie groß wird unſ’re Tu-
gend,
wenn unſer Herz bei ihrer Übung bricht!
Hoch ſtellte Sie die Vorſicht — höher, Prinz,
als Millionen Ihrer andern Brüder.
Parteilich gab ſie ihrem Liebling, was
ſie andern nahm, und Millionen fragen:
Verdiente der im Mutterleibe ſchon
mehr als wir andern Sterblichen zu gelten?
Auf! retten Sie des Himmels Billigkeit!
verdienen Sie, der Welt voran zu gehen,
und opfern Sie was keiner opferte.
Karlos.
Das kann ich auch. — Sie zu erkämpfen hab’
ich Rieſenkraft; Sie zu verlieren keine.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/70>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.