Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Theresiade
"So mehr als ihr den Fleiß zu helffen stets vermehret,
"Und immer euern Preiß durch neue Früchte nähret.
"Beschlüß' ich diesen Streit; bestimm' ich den Besiz
290"Für Eine von dem Rath; so fühl' ich des Gemüths
"Verknüpften Gegenwurff: war um dann die, nicht diese?
"Warum nicht jene dort? sagt! welche man erkiese.
JN diesem Augenblick erhob sich das Geschrey:
Daß auch Theresia schon auf dem Weege sey,
295Sie komme selbst zum Rath. So durfft man nicht verweilen:
Gleich fieng man an den Kreiß in Reihen auszutheilen.
Es wurde Plaz gemacht. Man drang sich überall,
Daß die Versammlung sich gleich einem Wellen-Schwall
An manchem Ort bewog und durch einander wunde;
300Wodurch ein solch Geräusch, ein solch Getöß entstunde,
Wie es in dem Gebüsch und in den Bäumen braust,
Wann ein erzürnter Wind durch Aest' und Blätter saust.
Man wußte nicht, wo man sich hin begeben sollte,
Wann man die Königinn bequemlich sehen wollte.
305Nichts halff als die Geduld. Biß jemand mit der Hand
Das Zeichen gab und wies, daß, wo man sich befand
Man möchte ruhig seyn, und jenen Raum verlassen
Auf dem die Tugenden vorher im Kreiße sassen.
Jch nahm in jedermann Begier und Freude wahr.
310Die Lust, die Königinn zu sehn, war offenbar.
Ein
Thereſiade
„So mehr als ihr den Fleiß zu helffen ſtets vermehret,
„Und immer euern Preiß durch neue Fruͤchte naͤhret.
„Beſchluͤß’ ich dieſen Streit; beſtimm’ ich den Beſiz
290„Fuͤr Eine von dem Rath; ſo fuͤhl’ ich des Gemuͤths
„Verknuͤpften Gegenwurff: war um dann die, nicht dieſe?
„Warum nicht jene dort? ſagt! welche man erkieſe.
JN dieſem Augenblick erhob ſich das Geſchrey:
Daß auch Thereſia ſchon auf dem Weege ſey,
295Sie komme ſelbſt zum Rath. So durfft man nicht verweilen:
Gleich fieng man an den Kreiß in Reihen auszutheilen.
Es wurde Plaz gemacht. Man drang ſich uͤberall,
Daß die Verſammlung ſich gleich einem Wellen-Schwall
An manchem Ort bewog und durch einander wunde;
300Wodurch ein ſolch Geraͤuſch, ein ſolch Getoͤß entſtunde,
Wie es in dem Gebuͤſch und in den Baͤumen brauſt,
Wann ein erzuͤrnter Wind durch Aeſt’ und Blaͤtter ſauſt.
Man wußte nicht, wo man ſich hin begeben ſollte,
Wann man die Koͤniginn bequemlich ſehen wollte.
305Nichts halff als die Geduld. Biß jemand mit der Hand
Das Zeichen gab und wies, daß, wo man ſich befand
Man moͤchte ruhig ſeyn, und jenen Raum verlaſſen
Auf dem die Tugenden vorher im Kreiße ſaſſen.
Jch nahm in jedermann Begier und Freude wahr.
310Die Luſt, die Koͤniginn zu ſehn, war offenbar.
Ein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0080"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw><lb/>
            <l>&#x201E;So mehr als ihr den Fleiß zu helffen &#x017F;tets vermehret,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Und immer euern Preiß durch neue Fru&#x0364;chte na&#x0364;hret.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;Be&#x017F;chlu&#x0364;ß&#x2019; ich die&#x017F;en Streit; be&#x017F;timm&#x2019; ich den Be&#x017F;iz</l><lb/>
            <l><note place="left">290</note>&#x201E;Fu&#x0364;r Eine von dem Rath; &#x017F;o fu&#x0364;hl&#x2019; ich des Gemu&#x0364;ths</l><lb/>
            <l>&#x201E;Verknu&#x0364;pften Gegenwurff: war um dann die, nicht die&#x017F;e?</l><lb/>
            <l>&#x201E;Warum nicht jene dort? &#x017F;agt! welche man erkie&#x017F;e.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">J</hi>N die&#x017F;em Augenblick erhob &#x017F;ich das Ge&#x017F;chrey:</l><lb/>
            <l>Daß auch <hi rendition="#fr">There&#x017F;ia</hi> &#x017F;chon auf dem Weege &#x017F;ey,</l><lb/>
            <l><note place="left">295</note>Sie komme &#x017F;elb&#x017F;t zum Rath. So durfft man nicht verweilen:</l><lb/>
            <l>Gleich fieng man an den Kreiß in Reihen auszutheilen.</l><lb/>
            <l>Es wurde Plaz gemacht. Man drang &#x017F;ich u&#x0364;berall,</l><lb/>
            <l>Daß die Ver&#x017F;ammlung &#x017F;ich gleich einem Wellen-Schwall</l><lb/>
            <l>An manchem Ort bewog und durch einander wunde;</l><lb/>
            <l><note place="left">300</note>Wodurch ein &#x017F;olch Gera&#x0364;u&#x017F;ch, ein &#x017F;olch Geto&#x0364;ß ent&#x017F;tunde,</l><lb/>
            <l>Wie es in dem Gebu&#x0364;&#x017F;ch und in den Ba&#x0364;umen brau&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Wann ein erzu&#x0364;rnter Wind durch Ae&#x017F;t&#x2019; und Bla&#x0364;tter &#x017F;au&#x017F;t.</l><lb/>
            <l>Man wußte nicht, wo man &#x017F;ich hin begeben &#x017F;ollte,</l><lb/>
            <l>Wann man die Ko&#x0364;niginn bequemlich &#x017F;ehen wollte.</l><lb/>
            <l><note place="left">305</note>Nichts halff als die Geduld. Biß jemand mit der Hand</l><lb/>
            <l>Das Zeichen gab und wies, daß, wo man &#x017F;ich befand</l><lb/>
            <l>Man mo&#x0364;chte ruhig &#x017F;eyn, und jenen Raum verla&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Auf dem die Tugenden vorher im Kreiße &#x017F;a&#x017F;&#x017F;en.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Jch nahm in jedermann Begier und Freude wahr.</l><lb/>
            <l><note place="left">310</note>Die Lu&#x017F;t, die Ko&#x0364;niginn zu &#x017F;ehn, war offenbar.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Ein</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0080] Thereſiade „So mehr als ihr den Fleiß zu helffen ſtets vermehret, „Und immer euern Preiß durch neue Fruͤchte naͤhret. „Beſchluͤß’ ich dieſen Streit; beſtimm’ ich den Beſiz „Fuͤr Eine von dem Rath; ſo fuͤhl’ ich des Gemuͤths „Verknuͤpften Gegenwurff: war um dann die, nicht dieſe? „Warum nicht jene dort? ſagt! welche man erkieſe. JN dieſem Augenblick erhob ſich das Geſchrey: Daß auch Thereſia ſchon auf dem Weege ſey, Sie komme ſelbſt zum Rath. So durfft man nicht verweilen: Gleich fieng man an den Kreiß in Reihen auszutheilen. Es wurde Plaz gemacht. Man drang ſich uͤberall, Daß die Verſammlung ſich gleich einem Wellen-Schwall An manchem Ort bewog und durch einander wunde; Wodurch ein ſolch Geraͤuſch, ein ſolch Getoͤß entſtunde, Wie es in dem Gebuͤſch und in den Baͤumen brauſt, Wann ein erzuͤrnter Wind durch Aeſt’ und Blaͤtter ſauſt. Man wußte nicht, wo man ſich hin begeben ſollte, Wann man die Koͤniginn bequemlich ſehen wollte. Nichts halff als die Geduld. Biß jemand mit der Hand Das Zeichen gab und wies, daß, wo man ſich befand Man moͤchte ruhig ſeyn, und jenen Raum verlaſſen Auf dem die Tugenden vorher im Kreiße ſaſſen. Jch nahm in jedermann Begier und Freude wahr. Die Luſt, die Koͤniginn zu ſehn, war offenbar. Ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/80
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/80>, abgerufen am 04.05.2024.