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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Theresiade
"So will sie durch den Mund, gleich einer Flamme, dringen,
"Von ihren Regungen, von dieser Lust zu singen.
"Nun sagt! verspührt ihr nicht ein so erwecktes Herz?
"Liebt ihr nicht dieses Paar? ist etwann anderwärts
475"Was eure Neigung hemmt? ich weiß, ihr müßt es lieben;
"Jhr fühlt in eurer Brust die Reizung eingeschrieben.
"Wohlan! ich bin die Leyr, der Cither Klang, der Mund,
"Das Sayten-Spiel, die Flöt, ich mache dieses kund:
"Jch weiß durch meine Stimm und Sing-Kunst auszubreiten,
480"Was eure Seele rührt, um was die Sinnen streiten.
"Was können Stein und Erz und Farb und Winckelmaß,
"Wann ich fie Sprache-loß in ihrem Prangen laß?
"Jhr habt es diese Nacht mit Wunder angesehen:
"Konnt etwas ohne mich mit wahrer Zier bestehen?
485"Es braucht des Lobens nicht; fragt nur den eignen Sinn!
"So nennt ihr mich gewiß der Künste Meisterinn.
"Jst der Beweis zu schwach, mich allen vorzuziehen,
"So sey mir die Geduld noch zu dem Wort verliehen:
"Das Werck soll ewig stehn, das man errichten will;
490"Weiß jemand so zu baun, so leg ich mich zum Ziel.
"Allein ich zweifle sehr, daß meine Kunst nicht siege,
"Wann ich, was meine Kraft vermag, zusammen füge.
"Freundinnen! bauet, mahlt, schnizt, macht was euch beliebt;
"Ergreifft was die Natur der Kunst zur Hilffe gibt!
495 "Bringt
Thereſiade
„So will ſie durch den Mund, gleich einer Flamme, dringen,
„Von ihren Regungen, von dieſer Luſt zu ſingen.
„Nun ſagt! verſpuͤhrt ihr nicht ein ſo erwecktes Herz?
„Liebt ihr nicht dieſes Paar? iſt etwann anderwaͤrts
475„Was eure Neigung hem̃t? ich weiß, ihr muͤßt es lieben;
„Jhr fuͤhlt in eurer Bruſt die Reizung eingeſchrieben.
„Wohlan! ich bin die Leyr, der Cither Klang, der Mund,
„Das Sayten-Spiel, die Floͤt, ich mache dieſes kund:
„Jch weiß durch meine Stimm und Sing-Kunſt auszubreiten,
480„Was eure Seele ruͤhrt, um was die Sinnen ſtreiten.
„Was koͤnnen Stein und Erz und Farb und Winckelmaß,
„Wann ich fie Sprache-loß in ihrem Prangen laß?
„Jhr habt es dieſe Nacht mit Wunder angeſehen:
„Konnt etwas ohne mich mit wahrer Zier beſtehen?
485„Es braucht des Lobens nicht; fragt nur den eignen Sinn!
„So nennt ihr mich gewiß der Kuͤnſte Meiſterinn.
„Jſt der Beweis zu ſchwach, mich allen vorzuziehen,
„So ſey mir die Geduld noch zu dem Wort verliehen:
„Das Werck ſoll ewig ſtehn, das man errichten will;
490„Weiß jemand ſo zu baun, ſo leg ich mich zum Ziel.
„Allein ich zweifle ſehr, daß meine Kunſt nicht ſiege,
„Wann ich, was meine Kraft vermag, zuſammen fuͤge.
„Freundinnen! bauet, mahlt, ſchnizt, macht was euch beliebt;
„Ergreifft was die Natur der Kunſt zur Hilffe gibt!
495 „Bringt
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[0054] Thereſiade „So will ſie durch den Mund, gleich einer Flamme, dringen, „Von ihren Regungen, von dieſer Luſt zu ſingen. „Nun ſagt! verſpuͤhrt ihr nicht ein ſo erwecktes Herz? „Liebt ihr nicht dieſes Paar? iſt etwann anderwaͤrts „Was eure Neigung hem̃t? ich weiß, ihr muͤßt es lieben; „Jhr fuͤhlt in eurer Bruſt die Reizung eingeſchrieben. „Wohlan! ich bin die Leyr, der Cither Klang, der Mund, „Das Sayten-Spiel, die Floͤt, ich mache dieſes kund: „Jch weiß durch meine Stimm und Sing-Kunſt auszubreiten, „Was eure Seele ruͤhrt, um was die Sinnen ſtreiten. „Was koͤnnen Stein und Erz und Farb und Winckelmaß, „Wann ich fie Sprache-loß in ihrem Prangen laß? „Jhr habt es dieſe Nacht mit Wunder angeſehen: „Konnt etwas ohne mich mit wahrer Zier beſtehen? „Es braucht des Lobens nicht; fragt nur den eignen Sinn! „So nennt ihr mich gewiß der Kuͤnſte Meiſterinn. „Jſt der Beweis zu ſchwach, mich allen vorzuziehen, „So ſey mir die Geduld noch zu dem Wort verliehen: „Das Werck ſoll ewig ſtehn, das man errichten will; „Weiß jemand ſo zu baun, ſo leg ich mich zum Ziel. „Allein ich zweifle ſehr, daß meine Kunſt nicht ſiege, „Wann ich, was meine Kraft vermag, zuſammen fuͤge. „Freundinnen! bauet, mahlt, ſchnizt, macht was euch beliebt; „Ergreifft was die Natur der Kunſt zur Hilffe gibt! 495 „Bringt

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/54>, abgerufen am 03.05.2024.