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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Theresiade
Jch drückt, ich küßte sie, und dachte: wer er sey,
Er scheint die Anmuth selbst zu seyn, ich frag' ihn frey;
So bat' ich ihn, daß er mir die geheimen Sachen,
60Von welchen er erst sprach, zu wissen wolle machen.
Da fuhr er lächelnd fort: "Sieh diese Mahlerey!
(Er zeigte nach der Wand) urtheile, was es sey!
Ein grosser Welt-Monarch war dorten vorgestellet,
Wie wann ein solcher Fürst die Kriegs-Entschliessung fället.
65Ein Feder-reicher Hut, ein goldnes Mantel-Kleid,
Erhob des Fürstens Pracht zur höchsten Herrlichkeit;
Er stund an einem Tisch, den Purpur-Sammet zierte,
Wie wann sein Geist, was er vorher entschloß, vollführte.
Jhm war ein solcher Schmuck von Kronen beygelegt,
70Wie sie der höchste Fürst der deutschen Fürsten trägt.
Mein Führer sprach: daß ich das Bild betrachten sollte,
Doch wußt' ich nicht was er dadurch mir sagen wollte.
Jmmittelst wandt er sich nach einem andern Ort;
Da wies er wiederum ein Bild und sprach kein Wort.
75Ein Kriegs-Heer, welches hin und her und ruckwärts streifte,
Hier auseinander lief, dort sich für Schrecken häufte,
Von einem Helden-Schwarm verfolgt, sich immer bog,
Bald vorwärts, bald zurück, bald nach der Seite zog,
Verjagten Hirschen gleich an keinem Ort verweilte,
80Nur einem Ufer nach, zu sichern Brücken eilte,
War,
Thereſiade
Jch druͤckt, ich kuͤßte ſie, und dachte: wer er ſey,
Er ſcheint die Anmuth ſelbſt zu ſeyn, ich frag’ ihn frey;
So bat’ ich ihn, daß er mir die geheimen Sachen,
60Von welchen er erſt ſprach, zu wiſſen wolle machen.
Da fuhr er laͤchelnd fort: „Sieh dieſe Mahlerey!
(Er zeigte nach der Wand) urtheile, was es ſey!
Ein groſſer Welt-Monarch war dorten vorgeſtellet,
Wie wann ein ſolcher Fuͤrſt die Kriegs-Entſchlieſſung faͤllet.
65Ein Feder-reicher Hut, ein goldnes Mantel-Kleid,
Erhob des Fuͤrſtens Pracht zur hoͤchſten Herꝛlichkeit;
Er ſtund an einem Tiſch, den Purpur-Sammet zierte,
Wie wann ſein Geiſt, was er vorher entſchloß, vollfuͤhrte.
Jhm war ein ſolcher Schmuck von Kronen beygelegt,
70Wie ſie der hoͤchſte Fuͤrſt der deutſchen Fuͤrſten traͤgt.
Mein Fuͤhrer ſprach: daß ich das Bild betrachten ſollte,
Doch wußt’ ich nicht was er dadurch mir ſagen wollte.
Jmmittelſt wandt er ſich nach einem andern Ort;
Da wies er wiederum ein Bild und ſprach kein Wort.
75Ein Kriegs-Heer, welches hin und her und ruckwaͤrts ſtreifte,
Hier auseinander lief, dort ſich fuͤr Schrecken haͤufte,
Von einem Helden-Schwarm verfolgt, ſich immer bog,
Bald vorwaͤrts, bald zuruͤck, bald nach der Seite zog,
Verjagten Hirſchen gleich an keinem Ort verweilte,
80Nur einem Ufer nach, zu ſichern Bruͤcken eilte,
War,
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[0148] Thereſiade Jch druͤckt, ich kuͤßte ſie, und dachte: wer er ſey, Er ſcheint die Anmuth ſelbſt zu ſeyn, ich frag’ ihn frey; So bat’ ich ihn, daß er mir die geheimen Sachen, Von welchen er erſt ſprach, zu wiſſen wolle machen. Da fuhr er laͤchelnd fort: „Sieh dieſe Mahlerey! (Er zeigte nach der Wand) urtheile, was es ſey! Ein groſſer Welt-Monarch war dorten vorgeſtellet, Wie wann ein ſolcher Fuͤrſt die Kriegs-Entſchlieſſung faͤllet. Ein Feder-reicher Hut, ein goldnes Mantel-Kleid, Erhob des Fuͤrſtens Pracht zur hoͤchſten Herꝛlichkeit; Er ſtund an einem Tiſch, den Purpur-Sammet zierte, Wie wann ſein Geiſt, was er vorher entſchloß, vollfuͤhrte. Jhm war ein ſolcher Schmuck von Kronen beygelegt, Wie ſie der hoͤchſte Fuͤrſt der deutſchen Fuͤrſten traͤgt. Mein Fuͤhrer ſprach: daß ich das Bild betrachten ſollte, Doch wußt’ ich nicht was er dadurch mir ſagen wollte. Jmmittelſt wandt er ſich nach einem andern Ort; Da wies er wiederum ein Bild und ſprach kein Wort. Ein Kriegs-Heer, welches hin und her und ruckwaͤrts ſtreifte, Hier auseinander lief, dort ſich fuͤr Schrecken haͤufte, Von einem Helden-Schwarm verfolgt, ſich immer bog, Bald vorwaͤrts, bald zuruͤck, bald nach der Seite zog, Verjagten Hirſchen gleich an keinem Ort verweilte, Nur einem Ufer nach, zu ſichern Bruͤcken eilte, War,

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/148>, abgerufen am 28.04.2024.