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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Eilftes Buch.
405"Jezt aber kam der Feind so nah, daß er mit Zwang
"Jhn von der Vater-Stadt, von seinem Nest verdrang.
"Gewalt und Uebermacht nicht vorgesehner Waffen
"Kann Fürsten von dem Thron, warum nicht Adler? schaffen.
Thalia sagte mir bey diesem Wort ins Ohr:
410"Mir kommt die Königinn bey dieser Rede vor,
"Als hielte sie dem Saal, was sie gedenckt, verborgen.
"Sie wies doch bey der Flucht des Adlers grosse Sorgen.
"Nun kommen sie zurück, weil in dem Vaterland"
Sprach noch die Königinn, der ungeheure Brand,
415"Der Ländersüchtige, Recht-lose Krieg vollendet,
"Und anderwärts die Wuth der Flammen hingewendet.
"Sollt aber unsers Volcks Erstaunens-voller Geist,
"Der, wann er etwas wünscht, schon auf den Ausgang weist,
"Hierdurch was künftiges uns anzuzeigen finden;
420"So weiß ich nicht worauf der Wahn sich könne gründen.
Die Staats-Kunst übernahm die Sorge dieser Sach
Und sprach: Ein blind Gerücht des Volcks ist viel zu schwach
"Geschäfften dieser Art ein Staats-Gewicht zu geben:
"So lasse man es nur in seiner Freude schweben.
425"Wann aber, Königinn! der Zufall dich vergnügt,
"Und an des Wunschs Erfolg vielleicht dir etwas ligt,
"So kann man diesen Flug dem Thron zu Nuzen machen.
"Aus einem schlechten Ding enstehn oft grosse Sachen.
"Hier
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Eilftes Buch.
405„Jezt aber kam der Feind ſo nah, daß er mit Zwang
„Jhn von der Vater-Stadt, von ſeinem Neſt verdrang.
„Gewalt und Uebermacht nicht vorgeſehner Waffen
„Kann Fuͤrſten von dem Thron, warum nicht Adler? ſchaffen.
Thalia ſagte mir bey dieſem Wort ins Ohr:
410„Mir kommt die Koͤniginn bey dieſer Rede vor,
„Als hielte ſie dem Saal, was ſie gedenckt, verborgen.
„Sie wies doch bey der Flucht des Adlers groſſe Sorgen.
„Nun kommen ſie zuruͤck, weil in dem Vaterland„
Sprach noch die Koͤniginn, der ungeheure Brand,
415„Der Laͤnderſuͤchtige, Recht-loſe Krieg vollendet,
„Und anderwaͤrts die Wuth der Flammen hingewendet.
„Sollt aber unſers Volcks Erſtaunens-voller Geiſt,
„Der, wann er etwas wuͤnſcht, ſchon auf den Ausgang weiſt,
„Hierdurch was kuͤnftiges uns anzuzeigen finden;
420„So weiß ich nicht worauf der Wahn ſich koͤnne gruͤnden.
Die Staats-Kunſt uͤbernahm die Sorge dieſer Sach
Und ſprach: Ein blind Geruͤcht des Volcks iſt viel zu ſchwach
„Geſchaͤfften dieſer Art ein Staats-Gewicht zu geben:
„So laſſe man es nur in ſeiner Freude ſchweben.
425„Wann aber, Koͤniginn! der Zufall dich vergnuͤgt,
„Und an des Wunſchs Erfolg vielleicht dir etwas ligt,
„So kann man dieſen Flug dem Thron zu Nuzen machen.
„Aus einem ſchlechten Ding enſtehn oft groſſe Sachen.
„Hier
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[0135] Eilftes Buch. „Jezt aber kam der Feind ſo nah, daß er mit Zwang „Jhn von der Vater-Stadt, von ſeinem Neſt verdrang. „Gewalt und Uebermacht nicht vorgeſehner Waffen „Kann Fuͤrſten von dem Thron, warum nicht Adler? ſchaffen. Thalia ſagte mir bey dieſem Wort ins Ohr: „Mir kommt die Koͤniginn bey dieſer Rede vor, „Als hielte ſie dem Saal, was ſie gedenckt, verborgen. „Sie wies doch bey der Flucht des Adlers groſſe Sorgen. „Nun kommen ſie zuruͤck, weil in dem Vaterland„ Sprach noch die Koͤniginn, der ungeheure Brand, „Der Laͤnderſuͤchtige, Recht-loſe Krieg vollendet, „Und anderwaͤrts die Wuth der Flammen hingewendet. „Sollt aber unſers Volcks Erſtaunens-voller Geiſt, „Der, wann er etwas wuͤnſcht, ſchon auf den Ausgang weiſt, „Hierdurch was kuͤnftiges uns anzuzeigen finden; „So weiß ich nicht worauf der Wahn ſich koͤnne gruͤnden. Die Staats-Kunſt uͤbernahm die Sorge dieſer Sach Und ſprach: Ein blind Geruͤcht des Volcks iſt viel zu ſchwach „Geſchaͤfften dieſer Art ein Staats-Gewicht zu geben: „So laſſe man es nur in ſeiner Freude ſchweben. „Wann aber, Koͤniginn! der Zufall dich vergnuͤgt, „Und an des Wunſchs Erfolg vielleicht dir etwas ligt, „So kann man dieſen Flug dem Thron zu Nuzen machen. „Aus einem ſchlechten Ding enſtehn oft groſſe Sachen. „Hier S s 3

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/135>, abgerufen am 27.04.2024.