Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Theresiade
"So wir mit unsrer Kunst Vermögen nicht beschmücket;
"Es ist nichts in der Stadt, wo man uns nicht erblicket.

385
Durch diese Worte ward uns allgemach bewust,
Es sey zu dieser Nacht Beleuchtung, Pracht und Lust,
Was da gebaut, geschnitzt, gemahlen und erdichtet,
Durch ihren Geist und Witz, durch ihren Fleiß errichtet.
So werden sie dacht' ich, mit Recht zum Zorn empört,
390Da man den Schlaf, wodurch sie sich erhohlen, stört.
Bald hoben sie sich auf, bald legten sie sich nieder,
Die rieb die Augen aus, die wand sich hin und wieder.
Jnzwischen redten wir die Bau-Kunst freundlich an.
Und fragten, wie sie sich hauptsächlich vorgethan?
395Jn Antwort folgte dieß: "Jch baute diese Wochen
So viel als je die Zeit des Alterthums zerbrochen.
Hier fiel die Dicht-Kunst ein: "Jch war der Meister-Stab,
Der jedem Bau die Zier, der Zier das Leben gab.
Die Dritte: "Gehet hin, betrachtet meine Saülen;
400"Jhr werdet mir den Rang der grösten Kunst ertheilen:
"Jhr seht ein steinern Volck. Die Vierte schien mir stumm,
Sie warf den scharfen Blick in dem Gemach herum:
Doch endlich sagte sie: "Zählt, wann ihrs zählen könnet,
"Was sich von meiner Hand, von meinem Pinsel nennet!
405
Warum dann auf dem Stroh! welch unerhörte Sach!
Die Meisterinnen seynd in solchem Ruh-Gemach
Sagt'

Thereſiade
„So wir mit unſrer Kunſt Vermoͤgen nicht beſchmuͤcket;
„Es iſt nichts in der Stadt, wo man uns nicht erblicket.

385
Durch dieſe Worte ward uns allgemach bewuſt,
Es ſey zu dieſer Nacht Beleuchtung, Pracht und Luſt,
Was da gebaut, geſchnitzt, gemahlen und erdichtet,
Durch ihren Geiſt und Witz, durch ihren Fleiß errichtet.
So werden ſie dacht’ ich, mit Recht zum Zorn empoͤrt,
390Da man den Schlaf, wodurch ſie ſich erhohlen, ſtoͤrt.
Bald hoben ſie ſich auf, bald legten ſie ſich nieder,
Die rieb die Augen aus, die wand ſich hin und wieder.
Jnzwiſchen redten wir die Bau-Kunſt freundlich an.
Und fragten, wie ſie ſich hauptſaͤchlich vorgethan?
395Jn Antwort folgte dieß: „Jch baute dieſe Wochen
So viel als je die Zeit des Alterthums zerbrochen.
Hier fiel die Dicht-Kunſt ein: „Jch war der Meiſter-Stab,
Der jedem Bau die Zier, der Zier das Leben gab.
Die Dritte: „Gehet hin, betrachtet meine Sauͤlen;
400„Jhr werdet mir den Rang der groͤſten Kunſt ertheilen:
„Jhr ſeht ein ſteinern Volck. Die Vierte ſchien mir ſtumm,
Sie warf den ſcharfen Blick in dem Gemach herum:
Doch endlich ſagte ſie: „Zaͤhlt, wann ihrs zaͤhlen koͤnnet,
„Was ſich von meiner Hand, von meinem Pinſel nennet!
405
Warum dann auf dem Stroh! welch unerhoͤrte Sach!
Die Meiſterinnen ſeynd in ſolchem Ruh-Gemach
Sagt’
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg>
              <pb facs="#f0041"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw><lb/>
              <l>&#x201E;So wir mit un&#x017F;rer Kun&#x017F;t Vermo&#x0364;gen nicht be&#x017F;chmu&#x0364;cket;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Es i&#x017F;t nichts in der Stadt, wo man uns nicht erblicket.</l>
            </lg><lb/>
            <note place="left">385</note>
            <lg>
              <l>Durch die&#x017F;e Worte ward uns allgemach bewu&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;ey zu die&#x017F;er Nacht Beleuchtung, Pracht und Lu&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Was da gebaut, ge&#x017F;chnitzt, gemahlen und erdichtet,</l><lb/>
              <l>Durch ihren Gei&#x017F;t und Witz, durch ihren Fleiß errichtet.</l><lb/>
              <l>So werden &#x017F;ie dacht&#x2019; ich, mit Recht zum Zorn empo&#x0364;rt,</l><lb/>
              <l><note place="left">390</note>Da man den Schlaf, wodurch &#x017F;ie &#x017F;ich erhohlen, &#x017F;to&#x0364;rt.</l><lb/>
              <l>Bald hoben &#x017F;ie &#x017F;ich auf, bald legten &#x017F;ie &#x017F;ich nieder,</l><lb/>
              <l>Die rieb die Augen aus, die wand &#x017F;ich hin und wieder.</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Jnzwi&#x017F;chen redten wir die <hi rendition="#fr">Bau-Kun&#x017F;t</hi> freundlich an.</l><lb/>
              <l>Und fragten, wie &#x017F;ie &#x017F;ich haupt&#x017F;a&#x0364;chlich vorgethan?</l><lb/>
              <l><note place="left">395</note>Jn Antwort folgte dieß: &#x201E;Jch baute die&#x017F;e Wochen</l><lb/>
              <l>So viel als je die Zeit des Alterthums zerbrochen.</l><lb/>
              <l>Hier fiel die <hi rendition="#fr">Dicht-Kun&#x017F;t</hi> ein: &#x201E;Jch war der Mei&#x017F;ter-Stab,</l><lb/>
              <l>Der jedem Bau die Zier, der Zier das Leben gab.</l><lb/>
              <l>Die Dritte: &#x201E;Gehet hin, betrachtet meine Sau&#x0364;len;</l><lb/>
              <l><note place="left">400</note>&#x201E;Jhr werdet mir den Rang der gro&#x0364;&#x017F;ten Kun&#x017F;t ertheilen:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Jhr &#x017F;eht ein &#x017F;teinern Volck. Die Vierte &#x017F;chien mir &#x017F;tumm,</l><lb/>
              <l>Sie warf den &#x017F;charfen Blick in dem Gemach herum:</l><lb/>
              <l>Doch endlich &#x017F;agte &#x017F;ie: &#x201E;Za&#x0364;hlt, wann ihrs za&#x0364;hlen ko&#x0364;nnet,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Was &#x017F;ich von meiner Hand, von meinem Pin&#x017F;el nennet!</l>
            </lg><lb/>
            <note place="left">405</note>
            <lg>
              <l>Warum dann auf dem Stroh! welch unerho&#x0364;rte Sach!</l><lb/>
              <l>Die Mei&#x017F;terinnen &#x017F;eynd in &#x017F;olchem Ruh-Gemach</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Sagt&#x2019;</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0041] Thereſiade „So wir mit unſrer Kunſt Vermoͤgen nicht beſchmuͤcket; „Es iſt nichts in der Stadt, wo man uns nicht erblicket. Durch dieſe Worte ward uns allgemach bewuſt, Es ſey zu dieſer Nacht Beleuchtung, Pracht und Luſt, Was da gebaut, geſchnitzt, gemahlen und erdichtet, Durch ihren Geiſt und Witz, durch ihren Fleiß errichtet. So werden ſie dacht’ ich, mit Recht zum Zorn empoͤrt, Da man den Schlaf, wodurch ſie ſich erhohlen, ſtoͤrt. Bald hoben ſie ſich auf, bald legten ſie ſich nieder, Die rieb die Augen aus, die wand ſich hin und wieder. Jnzwiſchen redten wir die Bau-Kunſt freundlich an. Und fragten, wie ſie ſich hauptſaͤchlich vorgethan? Jn Antwort folgte dieß: „Jch baute dieſe Wochen So viel als je die Zeit des Alterthums zerbrochen. Hier fiel die Dicht-Kunſt ein: „Jch war der Meiſter-Stab, Der jedem Bau die Zier, der Zier das Leben gab. Die Dritte: „Gehet hin, betrachtet meine Sauͤlen; „Jhr werdet mir den Rang der groͤſten Kunſt ertheilen: „Jhr ſeht ein ſteinern Volck. Die Vierte ſchien mir ſtumm, Sie warf den ſcharfen Blick in dem Gemach herum: Doch endlich ſagte ſie: „Zaͤhlt, wann ihrs zaͤhlen koͤnnet, „Was ſich von meiner Hand, von meinem Pinſel nennet! Warum dann auf dem Stroh! welch unerhoͤrte Sach! Die Meiſterinnen ſeynd in ſolchem Ruh-Gemach Sagt’

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/41
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/41>, abgerufen am 26.04.2024.