Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.Theresiade Den Kunst, Natur und Fleiß so treflich durchgehauen,Daß ich an jedem Ort konnt einen Gang durchschauen: Jn dem der Baüme Pracht, zum Schau-Spiel ausgesetzt, 290Das Volck zur Freude reitzt, die Neu-Begier ergötzt, Der Sinnen Macht bestrickt: wo Buchen, Eichen, Linden Mit tausend fachem Schmuck besämet, sich verbinden, Den Ehren-Bögen gleich in bunten Farben stehn, Den Gipfel des Gebaüs fast an die Sterne drehn: 295Wo nichts ist, was nicht gläntzt, prangt, funckelt, scheint und blicket, Die Schild- und Mahlerey mit Feuer-Schimmer schmücket. Mein Hertz erregte sich für überhäufter Lust; Für Wunder war ich mir fast selber nicht bewust. Das Volck gieng nicht herum, sein Gehn war Wallen, Schwimmen, 300Ein sanffter Flutten-Schwall, in dem die Strahlen glimmen, Mit welchen sich die Sonn' in stillen Wellen spielt, Wann Sie zur Sommers-Zeit den heissen Schimmer kühlt. Der Tag war mit der Nacht so wunderbar verschlungen, Daß keins das andere von seinem Recht verdrungen. 305Thalia selber schien so viel entzuckt als ich; Sie sorgte nimmermehr, wie dort im Flug, für mich. Da die Verwunderung sich wollt' in uns verstärcken, So ließ die Wahrheit erst uns ihre Sinnen mercken. Auf einmahl nahm sie mich ernsthaftig bey der Hand, 310Und zog mich von der Stell, auf der ich mich befand, Jch
Thereſiade Den Kunſt, Natur und Fleiß ſo treflich durchgehauen,Daß ich an jedem Ort konnt einen Gang durchſchauen: Jn dem der Bauͤme Pracht, zum Schau-Spiel ausgeſetzt, 290Das Volck zur Freude reitzt, die Neu-Begier ergoͤtzt, Der Sinnen Macht beſtrickt: wo Buchen, Eichen, Linden Mit tauſend fachem Schmuck beſaͤmet, ſich verbinden, Den Ehren-Boͤgen gleich in bunten Farben ſtehn, Den Gipfel des Gebauͤs faſt an die Sterne drehn: 295Wo nichts iſt, was nicht glaͤntzt, prangt, funckelt, ſcheint und blicket, Die Schild- und Mahlerey mit Feuer-Schimmer ſchmuͤcket. Mein Hertz erregte ſich fuͤr uͤberhaͤufter Luſt; Fuͤr Wunder war ich mir faſt ſelber nicht bewuſt. Das Volck gieng nicht herum, ſein Gehn war Wallen, Schwimmen, 300Ein ſanffter Flutten-Schwall, in dem die Strahlen glimmen, Mit welchen ſich die Sonn’ in ſtillen Wellen ſpielt, Wann Sie zur Sommers-Zeit den heiſſen Schimmer kuͤhlt. Der Tag war mit der Nacht ſo wunderbar verſchlungen, Daß keins das andere von ſeinem Recht verdrungen. 305Thalia ſelber ſchien ſo viel entzuckt als ich; Sie ſorgte nimmermehr, wie dort im Flug, fuͤr mich. Da die Verwunderung ſich wollt’ in uns verſtaͤrcken, So ließ die Wahrheit erſt uns ihre Sinnen mercken. Auf einmahl nahm ſie mich ernſthaftig bey der Hand, 310Und zog mich von der Stell, auf der ich mich befand, Jch
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Thereſiade
Den Kunſt, Natur und Fleiß ſo treflich durchgehauen,
Daß ich an jedem Ort konnt einen Gang durchſchauen:
Jn dem der Bauͤme Pracht, zum Schau-Spiel ausgeſetzt,
Das Volck zur Freude reitzt, die Neu-Begier ergoͤtzt,
Der Sinnen Macht beſtrickt: wo Buchen, Eichen, Linden
Mit tauſend fachem Schmuck beſaͤmet, ſich verbinden,
Den Ehren-Boͤgen gleich in bunten Farben ſtehn,
Den Gipfel des Gebauͤs faſt an die Sterne drehn:
Wo nichts iſt, was nicht glaͤntzt, prangt, funckelt, ſcheint und blicket,
Die Schild- und Mahlerey mit Feuer-Schimmer ſchmuͤcket.
Mein Hertz erregte ſich fuͤr uͤberhaͤufter Luſt;
Fuͤr Wunder war ich mir faſt ſelber nicht bewuſt.
Das Volck gieng nicht herum, ſein Gehn war Wallen, Schwimmen,
Ein ſanffter Flutten-Schwall, in dem die Strahlen glimmen,
Mit welchen ſich die Sonn’ in ſtillen Wellen ſpielt,
Wann Sie zur Sommers-Zeit den heiſſen Schimmer kuͤhlt.
Der Tag war mit der Nacht ſo wunderbar verſchlungen,
Daß keins das andere von ſeinem Recht verdrungen.
Thalia ſelber ſchien ſo viel entzuckt als ich;
Sie ſorgte nimmermehr, wie dort im Flug, fuͤr mich.
Da die Verwunderung ſich wollt’ in uns verſtaͤrcken,
So ließ die Wahrheit erſt uns ihre Sinnen mercken.
Auf einmahl nahm ſie mich ernſthaftig bey der Hand,
Und zog mich von der Stell, auf der ich mich befand,
Jch
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