Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.N. 29.) (Den 20. Jul. 1707. Schweizerische Berg-Reisen. WEr solte meinen/ daß die von zerschmelzten Gletscheren abfliessende folgen-
N. 29.) (Den 20. Jul. 1707. Schweizeriſche Berg-Reiſen. WEr ſolte meinen/ daß die von zerſchmelzten Gletſcheren abflieſſende folgen-
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N. 29.)
(Den 20. Jul. 1707.
Schweizeriſche
Berg-Reiſen.
WEr ſolte meinen/ daß die von zerſchmelzten Gletſcheren abflieſſende
Waſſer die koſtlichſten/ und geſuͤndeſten weren unter allen Waſſe-
rendes Schweitzerlands? Eine ſeltſame Sach! man foͤrchtet ſich/
und nicht ohne Urſach/ in groſſer Som̃erhitz/ oder bey ſchweiſſendem Leibe/ vor
einem Trunk kalten Waſſers/ weilen die durchdaͤmpfung des Leibs/ ſo dann-
zumalen ſtark/ ſich einsmal hemmen/ und das Gebluͤt in ſeiner Bewegung
ſtill ſtehen kan. Wir ſelbs haben bald alle Jahr traurige Exempel von
Bergreiſenden/ welche in ihrer groſſen Muͤdigkeit/ gantz durſtig/ ſich bey ei-
nem Cryſtallauteren Brunnen niderſetzen/ etwann darbey einſchlaffen/ und
aber nimmer erwachen; oder von anderen/ welche ſich eine Heiſerkeit an den
Hals trinken/ auf die hernach ein Schwindſucht erfolget/ oder von anderen/
denen die zugezogene unordentliche Gebluͤts Bewegung allerhand Fieber/
oder Seitenſtich/ erweken. Wer dergleichen Exempel wil leſen/ der findet
ſie bey Maſſinio de Gelidi Potus abuſu. Anton. Perſio de Potu calido cap. 12.
13. Schenk Obſ. Lib. III. obſ. 44. Jſt ein lauterer Trunk kaltes Waſſers ſo
gefahrlich/ ſo wird man ſich deſto mehr zu huͤten haben vor dem Schnee- und
Eiswaſſer/ ja ſelbige zu fliehen/ als die Peſt! Jch geſtehe/ daß diſe Gruͤnde
allein mir allen Muht benehmen/ etwas von den Gletſcherwaſſeren zuverſu-
chen/ und lieber luſt habe meinen durſtigen Mund uñ Leib weiters fortzutragẽ/
als mich durch einen ſolchen Trunck in gefahr meines Lebens zuſtuͤrtzen. Jn di-
ſem fall lachen unſere Alpenbewohnere aller unſerer Vernuͤnftelungen/ und
trinken hertzhaft allen frembden Gaͤſten ſolche Milchweiſſe Gletſcherwaſſer zu/
verſicheren auch auß langer Erfahrung/ das diß die geſuͤndeſten Waſſer von
allen/ und man darvon trinken koͤnne in nuͤchteren oder vollen Magen/ ſo vil
man wolle; hierdurch habe auch mich bereden laſſen/ und bezeuge aus eigener
Erfahrung/ daß mit groſſem Luſt/ ohne einigen darauf erfolgten Schaden/
von dergleichen Waſſeren getrunken eine zimliche vile/ und in meinen Berg-
Reiſen die Firnwaſſer mir endlich vorkommen/ als ſo vil Kraftwaſſer/ von
welchen ich ſelten weggegangen/ ohne das meine matten Glieder dardurch er-
labet hette. Diſem Paradoxo Phyſico habe mehrmalen nachgeſinnet/ und
folgen-
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