Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.N. 28.) (Den 12. Julii. 1707. Schweizerische Berg-Reisen. DAs wesen der Gletscheren ist Eis/ und bleibt Eis/ bis es widerum zu Felsen-
N. 28.) (Den 12. Julii. 1707. Schweizeriſche Berg-Reiſen. DAs weſen der Gletſcheren iſt Eis/ und bleibt Eis/ bis es widerum zu Felſen-
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N. 28.)
(Den 12. Julii. 1707.
Schweizeriſche
Berg-Reiſen.
DAs weſen der Gletſcheren iſt Eis/ und bleibt Eis/ bis es widerum zu
Waſſer wird. Welches wahrzunehmen wider diejenige/ welche vor-
geben/ oder ſich einbilden/ das diſes Berg-Eis endtlich ſo erhartet
werde/ daß es ſeine Eis-Art ablege/ und zu Stein werde/ worauß dann kom̃en
der irꝛige Wahn von denen Cryſtallen/ daß deren Materi anders nichts ſeye/
als ein verhartetes Eis/ worvon zu anderen Zeitẽ ein mehrers. Wahr iſts/ daß
diſes Eis haͤrter/ als ein anderes/ und langſamer zerſchmelzet/ aber falſch/ daß
es jemalen zu Stein werde. Simler in obangezogenem Ohrt ſchreibet de-
nen Gletſcheren zu eine ſolche reinigkeit/ welche nichts frembdartiges/ unrei-
nes/ zulaſſe/ ſondern alles unſaubere/ als Stein/ Sand/ Erde/ von ſich auß-
ſtoſſe. Wann dem alſo/ ſo liget uͤber einen Hauffen die ehrlichgeſinnete
Beſchreibung der Kaͤlte bey Ariſtotele/ daß ſie ſeye Congregatio homo ge-
neorum & heterogeneorum, eine Samlung gleicher und frembdartiger Thei-
len/ und koͤnten unſere Alpler wider diſen groſſen Mann auß diſer Erfah-
rung/ die ſie haben/ vil mehr ſchlieſſen/ daß die Kaͤlte ſeye die Waͤrme/ oder
Congregatio homogeneorum, & ſegregatio heterogeneorum, eine Samlung
gleichartiger/ und ſcheidung ungleicher Theilen. Wann wir aber die Sach
recht beſehen/ ſo wird ſich finden/ daß weder Ariſtoteles recht hat/ noch die
Aelpler. Jener nicht/ weilen diſe Definitiones/ ob ſie wol an ſich ſelbs wahr
weren/ das Weſen der Kaͤlte und Waͤrme nicht außtruken. Diſe/ weilen
ſie den Titul de fallaciis auß keiner anderen Logic, als die in ihrem eigenen
Hirn gewachſen/ geſtudieret/ ſehen etwas/ und wiſſen nicht/ woher es komt.
Sie ſehen mit Augen/ das die Gletſcher ſich von Jahren zu Jahren vergroͤſ-
ſeren/ und ihre Graͤntzen immer weiter fortſtreken/ ſo daß/ zum Exempel in
dem Grindelwald/ ehemalen an einem gewiſſen Ohrt eine zu Ehren der H.
Petronellæ gewidmete Capelle geweſen/ wo jezund ein tieffer Gletſcher liget/
und alſo auch die ſchoͤnſten Graßreichen Alpen mit ihren Huͤttlein nach und
nach bedeket/ ja mit viler Erden/ Sand/ Stein fortgeſtoſſen worden/ daß
diſem Gewalt auch die groͤſten Felſen nicht widerſtehen koͤnnen. Diß alles
ſehen die Aelpler mit einer einfaltigen Bewunderung/ und halten ſothane
Felſen-
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