Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

Bild:
<< vorherige Seite

ge auch in mitten des Sommers beleget sein/ so hoch bewunderet Festus, ein
alter Römischer Grammaticus, das er auch damit hat außzieren wollen sein
Wörterbuch/ und das Wort Alpes, Alpen/ hergeleitet von dem weiß glan-
tzenden Schnee/ der immer auf ihnen liget/ weilen auch ehmalen die Sabiner
alpum
genennet/ was die Lateiner nachmals ausgetruket durch album,
weiß. Von denen Kachemirischen Schneebergen rühmen die Unterthanen
des Grossen Mogols/ welchen sie vor allen anderen Welt-Monarchen aus
nennen einen König der Königreichen der Welt/ das dieselben aus-
machen seine Kron/ so die allerkostbarste seye in der Welt/ zugespitzet mit lau-
ter Diamanten/ und ringsweiß umleget mit Smaragden/ wie hiervon zu
lesen Bernier Voyage de Kachemire p. 143. das können auch wir Schweitzer
rühmen von unseren Schncebergen/ das sie seyn ein kostbare Kron unsers
Haupts/ und Lands. Uns dienet zum nutzen/ was jener bey Catullo Od. 64.
gehalten vor ein Unglük

-- Ad Idae retuli nemora pedem
Ut apud Nivem, & ferarum gelida stabula forem.

Wir rühmen/ so hoch wir können/ die grosse Güte des Schöpfers gegen
uns/ das er uns in solche Berg gesezet/ und halten dieselben vor einen wol
versehenen Schatzgehalter aller zu unserem Leben nöthiger Güteren. Nicht
wil ich mich darmit aufhalten/ wie die alten Römer nnd Griechen/ mit so
groß ersonnenem Fleiß in denen Hölinen der Erden getrachtet den Schnee das
gantze Jahr durch zubehalten/ um damit ihre Getränke in der grösten Som-
merhitz zuerfrischen/ welches anjezo noch hoch gehalten wird in
Jtalien/ sondern einen Liebhaber der Jtalienischen Natur-Geschichten hier-
über lassen seine Gedanken walten. So auch wurde mich selbs in Abwege
leiten/ wann nach der unnöthigen Länge erzehlen solte den vilfaltigen Nu-
zen des Schnees in der Arzneykunst/ und anderen zum Behuff des menschli-
chen Lebens nuzlichen Wissenschaften. Wer hieran ein belieben tragt/ dem
rathe ein zulesen den gelehrten Tractat Bartholini de Nivis usu. Gnug ist zu
gegenwertigem meinem Vorhaben/ wann ich sage/ und zeige/ das von dem
auf hohen Alpgebirgen ligenden und erharteten Schnee ihre Fruchtbarkeit
herholen die Bergweyden/ oder Alpen/ und tieffere zwischen den Bergen li-
gende Thäler/ und auch ihren Ursprung daher leiten die Brünnen/ Bäche/
und Flüsse/ folglich ihre Nahrung die Pflantzen/ und Thiere. Wer nur ein
wenig in der Chymie erfahren/ oder nur einmal geschen hat ein Wasser oder
Oehl aus den Kräuteren brennen/ oder destilliren/ dem ist bewußt/ daß oben
auf den Hüt des küpfernen Helms geschüttet werde kaltes Wasser/ oder daß
des Helms Rohr gezogen werde durch ein mit frischem Wasser angefülletes
Faß/ damit die aus dem Hafen aufsteigende Dünste sich samlen in

Tröpf-

ge auch in mitten des Som̃ers beleget ſein/ ſo hoch bewunderet Feſtus, ein
alter Roͤmiſcher Grammaticus, das er auch damit hat außzieren wollen ſein
Woͤrterbuch/ und das Wort Alpes, Alpen/ hergeleitet von dem weiß glan-
tzenden Schnee/ der immer auf ihnen liget/ weilen auch ehmalen die Sabiner
alpum
genennet/ was die Lateiner nachmals ausgetruket durch album,
weiß. Von denen Kachemiriſchen Schneebergen ruͤhmen die Unterthanen
des Groſſen Mogols/ welchen ſie vor allen anderen Welt-Monarchen aus
nennen einen Koͤnig der Koͤnigreichen der Welt/ das dieſelben aus-
machen ſeine Kron/ ſo die allerkoſtbarſte ſeye in der Welt/ zugeſpitzet mit lau-
ter Diamanten/ und ringsweiß umleget mit Smaragden/ wie hiervon zu
leſen Bernier Voyage de Kachemire p. 143. das koͤnnen auch wir Schweitzer
ruͤhmen von unſeren Schncebergen/ das ſie ſeyn ein koſtbare Kron unſers
Haupts/ und Lands. Uns dienet zum nutzen/ was jener bey Catullo Od. 64.
gehalten vor ein Ungluͤk

Ad Idæ retuli nemora pedem
Ut apud Nivem, & ferarum gelida ſtabula forem.

Wir ruͤhmen/ ſo hoch wir koͤnnen/ die groſſe Guͤte des Schoͤpfers gegen
uns/ das er uns in ſolche Berg geſezet/ und halten dieſelben vor einen wol
verſehenen Schatzgehalter aller zu unſerem Leben noͤthiger Guͤteren. Nicht
wil ich mich darmit aufhalten/ wie die alten Roͤmer nnd Griechen/ mit ſo
groß erſoñenem Fleiß in denen Hoͤlinen der Erden getrachtet den Schnee das
gantze Jahr durch zubehalten/ um damit ihre Getraͤnke in der groͤſten Som-
merhitz zuerfriſchen/ welches anjezo noch hoch gehalten wird in
Jtalien/ ſondern einen Liebhaber der Jtalieniſchen Natur-Geſchichten hier-
uͤber laſſen ſeine Gedanken walten. So auch wurde mich ſelbs in Abwege
leiten/ wann nach der unnoͤthigen Laͤnge erzehlen ſolte den vilfaltigen Nu-
zen des Schnees in der Arzneykunſt/ und anderen zum Behuff des menſchli-
chen Lebens nuzlichen Wiſſenſchaften. Wer hieran ein belieben tragt/ dem
rathe ein zuleſen den gelehrten Tractat Bartholini de Nivis uſu. Gnug iſt zu
gegenwertigem meinem Vorhaben/ wann ich ſage/ und zeige/ das von dem
auf hohen Alpgebirgen ligenden und erharteten Schnee ihre Fruchtbarkeit
herholen die Bergweyden/ oder Alpen/ und tieffere zwiſchen den Bergen li-
gende Thaͤler/ und auch ihren Urſprung daher leiten die Bruͤnnen/ Baͤche/
und Flüſſe/ folglich ihre Nahrung die Pflantzen/ und Thiere. Wer nur ein
wenig in der Chymie erfahren/ oder nur einmal geſchen hat ein Waſſer oder
Oehl aus den Kraͤuteren brennen/ oder deſtilliren/ dem iſt bewußt/ daß oben
auf den Huͤt des kuͤpfernen Helms geſchuͤttet werde kaltes Waſſer/ oder daß
des Helms Rohr gezogen werde durch ein mit friſchem Waſſer angefuͤlletes
Faß/ damit die aus dem Hafen aufſteigende Duͤnſte ſich ſamlen in

Troͤpf-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0131" n="103"/>
ge auch in mitten des Som&#x0303;ers beleget &#x017F;ein/ &#x017F;o hoch bewunderet <hi rendition="#aq">Fe&#x017F;tus,</hi> ein<lb/>
alter Ro&#x0364;mi&#x017F;cher <hi rendition="#aq">Grammaticus,</hi> das er auch damit hat außzieren wollen &#x017F;ein<lb/>
Wo&#x0364;rterbuch/ und das Wort <hi rendition="#aq">Alpes,</hi> <hi rendition="#fr">Alpen/</hi> hergeleitet von dem weiß glan-<lb/>
tzenden Schnee/ der immer auf ihnen liget/ weilen auch ehmalen die <hi rendition="#aq">Sabiner<lb/>
alpum</hi> genennet/ was die Lateiner nachmals ausgetruket durch <hi rendition="#aq">album,</hi><lb/><hi rendition="#fr">weiß.</hi> Von denen <hi rendition="#aq">Kachemir</hi>i&#x017F;chen Schneebergen ru&#x0364;hmen die Unterthanen<lb/>
des Gro&#x017F;&#x017F;en Mogols/ welchen &#x017F;ie vor allen anderen Welt-Monarchen aus<lb/>
nennen einen <hi rendition="#fr">Ko&#x0364;nig der Ko&#x0364;nigreichen der Welt/</hi> das die&#x017F;elben aus-<lb/>
machen &#x017F;eine Kron/ &#x017F;o die allerko&#x017F;tbar&#x017F;te &#x017F;eye in der Welt/ zuge&#x017F;pitzet mit lau-<lb/>
ter Diamanten/ und ringsweiß umleget mit Smaragden/ wie hiervon zu<lb/>
le&#x017F;en <hi rendition="#aq">Bernier Voyage de Kachemire p.</hi> 143. das ko&#x0364;nnen auch wir Schweitzer<lb/>
ru&#x0364;hmen von un&#x017F;eren Schncebergen/ das &#x017F;ie &#x017F;eyn ein ko&#x017F;tbare Kron un&#x017F;ers<lb/>
Haupts/ und Lands. Uns dienet zum nutzen/ was jener bey <hi rendition="#aq">Catullo Od.</hi> 64.<lb/>
gehalten vor ein Unglu&#x0364;k</p><lb/>
          <cit>
            <quote>&#x2014; <hi rendition="#aq">Ad Idæ retuli nemora pedem<lb/>
Ut apud Nivem, &amp; ferarum gelida &#x017F;tabula forem.</hi></quote>
          </cit><lb/>
          <p>Wir ru&#x0364;hmen/ &#x017F;o hoch wir ko&#x0364;nnen/ die gro&#x017F;&#x017F;e Gu&#x0364;te des Scho&#x0364;pfers gegen<lb/>
uns/ das er uns in &#x017F;olche Berg ge&#x017F;ezet/ und halten die&#x017F;elben vor einen wol<lb/>
ver&#x017F;ehenen Schatzgehalter aller zu un&#x017F;erem Leben no&#x0364;thiger Gu&#x0364;teren. Nicht<lb/>
wil ich mich darmit aufhalten/ wie die alten Ro&#x0364;mer nnd Griechen/ mit &#x017F;o<lb/>
groß er&#x017F;on&#x0303;enem Fleiß in denen Ho&#x0364;linen der Erden getrachtet den Schnee das<lb/>
gantze Jahr durch zubehalten/ um damit ihre Getra&#x0364;nke in der gro&#x0364;&#x017F;ten Som-<lb/>
merhitz zuerfri&#x017F;chen/ welches anjezo noch hoch gehalten wird in<lb/>
Jtalien/ &#x017F;ondern einen Liebhaber der Jtalieni&#x017F;chen Natur-Ge&#x017F;chichten hier-<lb/>
u&#x0364;ber la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eine Gedanken walten. So auch wurde mich &#x017F;elbs in Abwege<lb/>
leiten/ wann nach der unno&#x0364;thigen La&#x0364;nge erzehlen &#x017F;olte den vilfaltigen Nu-<lb/>
zen des Schnees in der Arzneykun&#x017F;t/ und anderen zum Behuff des men&#x017F;chli-<lb/>
chen Lebens nuzlichen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften. Wer hieran ein belieben tragt/ dem<lb/>
rathe ein zule&#x017F;en den gelehrten Tractat <hi rendition="#aq">Bartholini de Nivis u&#x017F;u.</hi> Gnug i&#x017F;t zu<lb/>
gegenwertigem meinem Vorhaben/ wann ich &#x017F;age/ und zeige/ das von dem<lb/>
auf hohen Alpgebirgen ligenden und erharteten Schnee ihre Fruchtbarkeit<lb/>
herholen die Bergweyden/ oder Alpen/ und tieffere zwi&#x017F;chen den Bergen li-<lb/>
gende Tha&#x0364;ler/ und auch ihren Ur&#x017F;prung daher leiten die Bru&#x0364;nnen/ Ba&#x0364;che/<lb/>
und Flü&#x017F;&#x017F;e/ folglich ihre Nahrung die Pflantzen/ und Thiere. Wer nur ein<lb/>
wenig in der <hi rendition="#aq">Chymie</hi> erfahren/ oder nur einmal ge&#x017F;chen hat ein Wa&#x017F;&#x017F;er oder<lb/>
Oehl aus den Kra&#x0364;uteren brennen/ oder <hi rendition="#aq">de&#x017F;tillir</hi>en/ dem i&#x017F;t bewußt/ daß oben<lb/>
auf den Hu&#x0364;t des ku&#x0364;pfernen Helms ge&#x017F;chu&#x0364;ttet werde kaltes Wa&#x017F;&#x017F;er/ oder daß<lb/>
des Helms Rohr gezogen werde durch ein mit fri&#x017F;chem Wa&#x017F;&#x017F;er angefu&#x0364;lletes<lb/>
Faß/ damit die aus dem Hafen auf&#x017F;teigende Du&#x0364;n&#x017F;te &#x017F;ich &#x017F;amlen in<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Tro&#x0364;pf-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0131] ge auch in mitten des Som̃ers beleget ſein/ ſo hoch bewunderet Feſtus, ein alter Roͤmiſcher Grammaticus, das er auch damit hat außzieren wollen ſein Woͤrterbuch/ und das Wort Alpes, Alpen/ hergeleitet von dem weiß glan- tzenden Schnee/ der immer auf ihnen liget/ weilen auch ehmalen die Sabiner alpum genennet/ was die Lateiner nachmals ausgetruket durch album, weiß. Von denen Kachemiriſchen Schneebergen ruͤhmen die Unterthanen des Groſſen Mogols/ welchen ſie vor allen anderen Welt-Monarchen aus nennen einen Koͤnig der Koͤnigreichen der Welt/ das dieſelben aus- machen ſeine Kron/ ſo die allerkoſtbarſte ſeye in der Welt/ zugeſpitzet mit lau- ter Diamanten/ und ringsweiß umleget mit Smaragden/ wie hiervon zu leſen Bernier Voyage de Kachemire p. 143. das koͤnnen auch wir Schweitzer ruͤhmen von unſeren Schncebergen/ das ſie ſeyn ein koſtbare Kron unſers Haupts/ und Lands. Uns dienet zum nutzen/ was jener bey Catullo Od. 64. gehalten vor ein Ungluͤk — Ad Idæ retuli nemora pedem Ut apud Nivem, & ferarum gelida ſtabula forem. Wir ruͤhmen/ ſo hoch wir koͤnnen/ die groſſe Guͤte des Schoͤpfers gegen uns/ das er uns in ſolche Berg geſezet/ und halten dieſelben vor einen wol verſehenen Schatzgehalter aller zu unſerem Leben noͤthiger Guͤteren. Nicht wil ich mich darmit aufhalten/ wie die alten Roͤmer nnd Griechen/ mit ſo groß erſoñenem Fleiß in denen Hoͤlinen der Erden getrachtet den Schnee das gantze Jahr durch zubehalten/ um damit ihre Getraͤnke in der groͤſten Som- merhitz zuerfriſchen/ welches anjezo noch hoch gehalten wird in Jtalien/ ſondern einen Liebhaber der Jtalieniſchen Natur-Geſchichten hier- uͤber laſſen ſeine Gedanken walten. So auch wurde mich ſelbs in Abwege leiten/ wann nach der unnoͤthigen Laͤnge erzehlen ſolte den vilfaltigen Nu- zen des Schnees in der Arzneykunſt/ und anderen zum Behuff des menſchli- chen Lebens nuzlichen Wiſſenſchaften. Wer hieran ein belieben tragt/ dem rathe ein zuleſen den gelehrten Tractat Bartholini de Nivis uſu. Gnug iſt zu gegenwertigem meinem Vorhaben/ wann ich ſage/ und zeige/ das von dem auf hohen Alpgebirgen ligenden und erharteten Schnee ihre Fruchtbarkeit herholen die Bergweyden/ oder Alpen/ und tieffere zwiſchen den Bergen li- gende Thaͤler/ und auch ihren Urſprung daher leiten die Bruͤnnen/ Baͤche/ und Flüſſe/ folglich ihre Nahrung die Pflantzen/ und Thiere. Wer nur ein wenig in der Chymie erfahren/ oder nur einmal geſchen hat ein Waſſer oder Oehl aus den Kraͤuteren brennen/ oder deſtilliren/ dem iſt bewußt/ daß oben auf den Huͤt des kuͤpfernen Helms geſchuͤttet werde kaltes Waſſer/ oder daß des Helms Rohr gezogen werde durch ein mit friſchem Waſſer angefuͤlletes Faß/ damit die aus dem Hafen aufſteigende Duͤnſte ſich ſamlen in Troͤpf-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/131
Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/131>, abgerufen am 24.11.2024.