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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

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leget werden. Unser leben bestehet in beständigem Kreißlauff des Geblüts/
in lebendiger wärme/ in immer gleichem Einfluß der Sinnlichen Geisteren/
und daher rührenden Gleichgewicht der ausseren und inneren Luft. Nun
ist zu wissen/ daß denen/ so über hohe Gebirge reisen/ allzeit durch die aussere
Haut/ und dero Mundlöcher außflieget etwas von denen subtilen theilen
des Geblüts/ und Geisteren/ und nach und nach so vil/ daß bey außbleiben-
der ergänzung der außgeflogenen theilen in grimmiger kälte die innere Luft
geschwächet wird/ und die äussere aufstehende eine überwachsende Truckge-
walt bekommet; Wann hiemit das Gleichgewicht der ausseren truckenden/
und inneren gegenstehenden Luft aufgehoben/ so müssen von jener die Zäseren
unsers Leibs zusamen getrucket/ der Lauff des Geblüts durch die äussersten
Puls- und Blut-äderlein/ und also auch der Geisteren durch die Spannaderen
gehemmet werden/ worauf das Leben in solchen theilen sich allgemächlich ver-
lieret/ und eine gänzliche absterbung/ anfänglich zwar der äussersten Glied-
massen/ erfolget; und von der Kälte ein so genanter kalter Brand entstehet.
Worzu dienet aber dise vernünftelung? Darzu/ antworte ich/ daß ein jeder
lehrne sich selbs/ seine gesund- und krankheit erkennen/ auch auf begebenden
fall ihme selbs/ oder anderen mit vernunftmässigen Mittlen beyspringen; ins
besonder aber die jenige Wundartzet/ denen die Zergliederungs-kunst unbe-
kant ist/ anlas nehmen/ dergleichen Patienten durch vorsichtiges Tractament
eher zum Leben/ als zum tod/ zubeförderen. Vernemmet jezunder die zueig-
nung; Wer in solchen Berg-Reisen/ oder sonst kalter Luft/ seinen eige-
nen/ oder anderer Gefehrten Leib wil gesund erhalten/ der muß vor allem da-
hin bedacht seyn/ das er um den Leib her seine außdämpfende wärme behal-
te/ damit sie nicht zerfliege/ zu dem end alle Glieder des Leibes mit dicken Klei-
deren/ und Beltzwerk wol verwahren/ ins besonder die Brust mit Papeir/
und Pergament/ oder Leder/ einfassen/ damit durch solcher Cörperen eng-
löcherichte gestalt die subtilen außdämpfungen des Leibs nicht so leicht kön-
nen durchtringen. Jst in den Füssen/ oder Armen/ bereits eine etwelche un-
empfindlichkeit/ oder erstarrung/ oder fangen diese äussere Glieder an zu zok-
ken/ so giesse man denselben kaltes Wasser an/ bis die erfrierung aufgelößt.
Wie? Kaltes Wasser? heisset das contraria contrariis curare, kalte
Krankheiten mit erwärmenden Arzneyen heilen? Leset folgendes merkwir-
diges Exempel in des berühmten Bernerischen Arzets Guilh. Fabritij Hil-
dani
Feldarzney vom heissen und kalten Brand/ cap 13. Ein
Adeliche und glaubwirdige Person hat mir erzehlt/ als er durch

die

leget werden. Unſer leben beſtehet in beſtaͤndigem Kreißlauff des Gebluͤts/
in lebendiger waͤrme/ in immer gleichem Einfluß der Sinnlichen Geiſteren/
und daher ruͤhrenden Gleichgewicht der auſſeren und inneren Luft. Nun
iſt zu wiſſen/ daß denen/ ſo uͤber hohe Gebirge reiſen/ allzeit durch die auſſere
Haut/ und dero Mundloͤcher außflieget etwas von denen ſubtilen theilen
des Gebluͤts/ und Geiſteren/ und nach und nach ſo vil/ daß bey außbleiben-
der ergaͤnzung der außgeflogenen theilen in grimmiger kaͤlte die innere Luft
geſchwaͤchet wird/ und die aͤuſſere aufſtehende eine uͤberwachſende Truckge-
walt bekommet; Wann hiemit das Gleichgewicht der auſſeren truckenden/
und inneren gegenſtehenden Luft aufgehoben/ ſo muͤſſen von jener die Zaͤſeren
unſers Leibs zuſamen getrucket/ der Lauff des Gebluͤts durch die aͤuſſerſten
Puls- und Blut-aͤderlein/ und alſo auch der Geiſteren durch die Spañaderen
gehemmet werden/ worauf das Leben in ſolchen theilen ſich allgemaͤchlich ver-
lieret/ und eine gaͤnzliche abſterbung/ anfaͤnglich zwar der aͤuſſerſten Glied-
maſſen/ erfolget; und von der Kaͤlte ein ſo genanter kalter Brand entſtehet.
Worzu dienet aber diſe vernuͤnftelung? Darzu/ antworte ich/ daß ein jeder
lehrne ſich ſelbs/ ſeine geſund- und krankheit erkennen/ auch auf begebenden
fall ihme ſelbs/ oder anderen mit vernunftmaͤſſigen Mittlen beyſpringen; ins
beſonder aber die jenige Wundartzet/ denen die Zergliederungs-kunſt unbe-
kant iſt/ anlas nehmen/ dergleichen Patienten durch vorſichtiges Tractament
eher zum Leben/ als zum tod/ zubefoͤrderen. Vernem̃et jezunder die zueig-
nung; Wer in ſolchen Berg-Reiſen/ oder ſonſt kalter Luft/ ſeinen eige-
nen/ oder anderer Gefehrten Leib wil geſund erhalten/ der muß vor allem da-
hin bedacht ſeyn/ das er um den Leib her ſeine außdaͤmpfende waͤrme behal-
te/ damit ſie nicht zerfliege/ zu dem end alle Glieder des Leibes mit dicken Klei-
deren/ und Beltzwerk wol verwahren/ ins beſonder die Bruſt mit Papeir/
und Pergament/ oder Leder/ einfaſſen/ damit durch ſolcher Coͤrperen eng-
loͤcherichte geſtalt die ſubtilen außdaͤmpfungen des Leibs nicht ſo leicht koͤn-
nen durchtringen. Jſt in den Fuͤſſen/ oder Armen/ bereits eine etwelche un-
empfindlichkeit/ oder erſtarꝛung/ oder fangen dieſe aͤuſſere Glieder an zu zok-
ken/ ſo gieſſe man denſelben kaltes Waſſer an/ bis die erfrierung aufgeloͤßt.
Wie? Kaltes Waſſer? heiſſet das contraria contrariis curare, kalte
Krankheiten mit erwaͤrmenden Arzneyen heilen? Leſet folgendes merkwir-
diges Exempel in des beruͤhmten Berneriſchen Arzets Guilh. Fabritij Hil-
dani
Feldarzney vom heiſſen und kalten Brand/ cap 13. Ein
Adeliche und glaubwirdige Perſon hat mir erzehlt/ als er durch

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[(74)[74]/0097] leget werden. Unſer leben beſtehet in beſtaͤndigem Kreißlauff des Gebluͤts/ in lebendiger waͤrme/ in immer gleichem Einfluß der Sinnlichen Geiſteren/ und daher ruͤhrenden Gleichgewicht der auſſeren und inneren Luft. Nun iſt zu wiſſen/ daß denen/ ſo uͤber hohe Gebirge reiſen/ allzeit durch die auſſere Haut/ und dero Mundloͤcher außflieget etwas von denen ſubtilen theilen des Gebluͤts/ und Geiſteren/ und nach und nach ſo vil/ daß bey außbleiben- der ergaͤnzung der außgeflogenen theilen in grimmiger kaͤlte die innere Luft geſchwaͤchet wird/ und die aͤuſſere aufſtehende eine uͤberwachſende Truckge- walt bekommet; Wann hiemit das Gleichgewicht der auſſeren truckenden/ und inneren gegenſtehenden Luft aufgehoben/ ſo muͤſſen von jener die Zaͤſeren unſers Leibs zuſamen getrucket/ der Lauff des Gebluͤts durch die aͤuſſerſten Puls- und Blut-aͤderlein/ und alſo auch der Geiſteren durch die Spañaderen gehemmet werden/ worauf das Leben in ſolchen theilen ſich allgemaͤchlich ver- lieret/ und eine gaͤnzliche abſterbung/ anfaͤnglich zwar der aͤuſſerſten Glied- maſſen/ erfolget; und von der Kaͤlte ein ſo genanter kalter Brand entſtehet. Worzu dienet aber diſe vernuͤnftelung? Darzu/ antworte ich/ daß ein jeder lehrne ſich ſelbs/ ſeine geſund- und krankheit erkennen/ auch auf begebenden fall ihme ſelbs/ oder anderen mit vernunftmaͤſſigen Mittlen beyſpringen; ins beſonder aber die jenige Wundartzet/ denen die Zergliederungs-kunſt unbe- kant iſt/ anlas nehmen/ dergleichen Patienten durch vorſichtiges Tractament eher zum Leben/ als zum tod/ zubefoͤrderen. Vernem̃et jezunder die zueig- nung; Wer in ſolchen Berg-Reiſen/ oder ſonſt kalter Luft/ ſeinen eige- nen/ oder anderer Gefehrten Leib wil geſund erhalten/ der muß vor allem da- hin bedacht ſeyn/ das er um den Leib her ſeine außdaͤmpfende waͤrme behal- te/ damit ſie nicht zerfliege/ zu dem end alle Glieder des Leibes mit dicken Klei- deren/ und Beltzwerk wol verwahren/ ins beſonder die Bruſt mit Papeir/ und Pergament/ oder Leder/ einfaſſen/ damit durch ſolcher Coͤrperen eng- loͤcherichte geſtalt die ſubtilen außdaͤmpfungen des Leibs nicht ſo leicht koͤn- nen durchtringen. Jſt in den Fuͤſſen/ oder Armen/ bereits eine etwelche un- empfindlichkeit/ oder erſtarꝛung/ oder fangen dieſe aͤuſſere Glieder an zu zok- ken/ ſo gieſſe man denſelben kaltes Waſſer an/ bis die erfrierung aufgeloͤßt. Wie? Kaltes Waſſer? heiſſet das contraria contrariis curare, kalte Krankheiten mit erwaͤrmenden Arzneyen heilen? Leſet folgendes merkwir- diges Exempel in des beruͤhmten Berneriſchen Arzets Guilh. Fabritij Hil- dani Feldarzney vom heiſſen und kalten Brand/ cap 13. Ein Adeliche und glaubwirdige Perſon hat mir erzehlt/ als er durch die

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. (74)[74]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/97>, abgerufen am 21.11.2024.