Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_082.001 Da gewinnen wir ein weiteres: der Einzelne für sich psc_082.010 Jnsofern Gesellschaft betheiligt ist, tritt die Poesie in psc_082.015 All dies möglicher Weise noch ohne die Sprache! Wenn psc_082.027 psc_082.001 Da gewinnen wir ein weiteres: der Einzelne für sich psc_082.010 Jnsofern Gesellschaft betheiligt ist, tritt die Poesie in psc_082.015 All dies möglicher Weise noch ohne die Sprache! Wenn psc_082.027 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0098" n="82"/><lb n="psc_082.001"/> einer Quelle der Poesie stehen. Possenreißerei fanden wir <lb n="psc_082.002"/> oben unter den Vergnügungen der Naturvölker. „Die <lb n="psc_082.003"/> Australier“ sagt Mr. Bulmer, ein Missionär, bei Darwin <lb n="psc_082.004"/> S. 211, „haben ein sehr scharfes Gefühl für das Lächerliche; <lb n="psc_082.005"/> sie sind ausgezeichnete Mimiker, und wenn einer von ihnen <lb n="psc_082.006"/> im Stande ist, die Eigenthümlichkeiten irgend eines abwesenden <lb n="psc_082.007"/> Gliedes des Stammes nachzuahmen, so ist es sehr <lb n="psc_082.008"/> häufig Alle im Feldlager convulsivisch lachen zu hören.“</p> <lb n="psc_082.009"/> <p> Da gewinnen wir ein weiteres: der Einzelne für sich <lb n="psc_082.010"/> mag springen, jubeln und lachen; er thut's in Gesellschaft, im <lb n="psc_082.011"/> Chor; ein Einzelner erregt das Lachen der Gesellschaft, des <lb n="psc_082.012"/> Chores, und so haben wir zum ersten Mal Schauspieler und <lb n="psc_082.013"/> Dichter und Publicum.</p> <lb n="psc_082.014"/> <p> Jnsofern Gesellschaft betheiligt ist, tritt die Poesie in <lb n="psc_082.015"/> dieser embryonischen Gestalt ein unter die <hi rendition="#g">Vergnügungen</hi> <lb n="psc_082.016"/> der natürlichen Menschen, die gleichsam öffentlichen Ergötzlichkeiten. <lb n="psc_082.017"/> Jn einer der betrachteten Formen ist auch schon <lb n="psc_082.018"/> die <foreign xml:lang="grc">μίμησις</foreign>, die Nachahmung, uns entgegengetreten. Da <lb n="psc_082.019"/> könnte man nun wieder ähnlich wie beim Gesang die Frage <lb n="psc_082.020"/> aufwerfen, ob etwa die menschliche Possenreißerei Nachahmung <lb n="psc_082.021"/> des Affen sei? Und wir werden wieder antworten: Nein, <lb n="psc_082.022"/> vielmehr fließt beides aus derselben Quelle. — Dazu nun <lb n="psc_082.023"/> die Äußerung einsamer Freude — und was wir gleich <lb n="psc_082.024"/> hinzufügen dürfen, etwa die werbenden Töne der Liebenden <lb n="psc_082.025"/> als Keime individueller Lyrik.</p> <lb n="psc_082.026"/> <p> All dies möglicher Weise noch ohne die Sprache! Wenn <lb n="psc_082.027"/> nun die Sprache hinzutritt, so ist es gewohnheitsmäßig, weil <lb n="psc_082.028"/> sie zur Mittheilung, zum Verständniß im Verkehr verwendet </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0098]
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einer Quelle der Poesie stehen. Possenreißerei fanden wir psc_082.002
oben unter den Vergnügungen der Naturvölker. „Die psc_082.003
Australier“ sagt Mr. Bulmer, ein Missionär, bei Darwin psc_082.004
S. 211, „haben ein sehr scharfes Gefühl für das Lächerliche; psc_082.005
sie sind ausgezeichnete Mimiker, und wenn einer von ihnen psc_082.006
im Stande ist, die Eigenthümlichkeiten irgend eines abwesenden psc_082.007
Gliedes des Stammes nachzuahmen, so ist es sehr psc_082.008
häufig Alle im Feldlager convulsivisch lachen zu hören.“
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Da gewinnen wir ein weiteres: der Einzelne für sich psc_082.010
mag springen, jubeln und lachen; er thut's in Gesellschaft, im psc_082.011
Chor; ein Einzelner erregt das Lachen der Gesellschaft, des psc_082.012
Chores, und so haben wir zum ersten Mal Schauspieler und psc_082.013
Dichter und Publicum.
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Jnsofern Gesellschaft betheiligt ist, tritt die Poesie in psc_082.015
dieser embryonischen Gestalt ein unter die Vergnügungen psc_082.016
der natürlichen Menschen, die gleichsam öffentlichen Ergötzlichkeiten. psc_082.017
Jn einer der betrachteten Formen ist auch schon psc_082.018
die μίμησις, die Nachahmung, uns entgegengetreten. Da psc_082.019
könnte man nun wieder ähnlich wie beim Gesang die Frage psc_082.020
aufwerfen, ob etwa die menschliche Possenreißerei Nachahmung psc_082.021
des Affen sei? Und wir werden wieder antworten: Nein, psc_082.022
vielmehr fließt beides aus derselben Quelle. — Dazu nun psc_082.023
die Äußerung einsamer Freude — und was wir gleich psc_082.024
hinzufügen dürfen, etwa die werbenden Töne der Liebenden psc_082.025
als Keime individueller Lyrik.
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All dies möglicher Weise noch ohne die Sprache! Wenn psc_082.027
nun die Sprache hinzutritt, so ist es gewohnheitsmäßig, weil psc_082.028
sie zur Mittheilung, zum Verständniß im Verkehr verwendet
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