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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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das die Thiere zu fühlen im Stande sind, associirt worden psc_080.002
sein." Die Urahnen der Menschen stießen wahrscheinlich psc_080.003
musikalische Töne aus, ehe sie das Vermögen der articulirten psc_080.004
Sprache erlangt hatten -- und in Folge dessen psc_080.005
strebte die Stimme, wenn sie bei irgend einer heftigen Gefühlsbewegung psc_080.006
gebraucht wurde, durch das Princip der Association psc_080.007
einen musikalischen Charakter anzunehmen (S. 88). psc_080.008
Lassen wir diese Hypothese dahingestellt. Halten wir uns psc_080.009
an die Thatsache des jubilirenden Singens zum Ausdruck psc_080.010
freudiger Stimmung: dies ist verwandt mit den freudigen psc_080.011
Lauten der Thiere. Auch bei den Kindern unterscheiden wir psc_080.012
neben Schmerz- und Bedürfnißlauten lang vor dem Gebrauch psc_080.013
der Sprache Vergnügungslaute, mit denen sich nur die allgemeine psc_080.014
Lebensfreude Luft macht.

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Bedenken wir ferner, wie oft bei Thieren und Kindern psc_080.016
und den natürlichen uncivilisirten Menschen die Freude sich psc_080.017
durch beides gleichzeitig äußert: Springen und Jubeln.

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So werden wir nicht anstehen, jene Verbindung von psc_080.019
Gesang und Tanz, rhythmisch gebunden, auf einen noch psc_080.020
älteren Ausdruck menschlichen Vergnügens, auf die ungebundene psc_080.021
ungeregelte Vereinigung von Springen und Jubeln als psc_080.022
eine Offenbarung der innern Lust zurückzuführen.

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Aber dabei ist noch zu bemerken: der ursprüngliche unwillkürliche psc_080.024
Ausdruck der Freude durch Muskelbewegung psc_080.025
("eine Empfindung ist ein Reiz zur Muskelthätigkeit" Herbert psc_080.026
Spencer bei Darwin a. a. O.), durch Springen und psc_080.027
Jubeln kann entweder ein einsamer sein, der jeden für sich psc_080.028
erfaßt, oder in der Gesellschaft auftreten und in der Gesellschaft

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das die Thiere zu fühlen im Stande sind, associirt worden psc_080.002
sein.“ Die Urahnen der Menschen stießen wahrscheinlich psc_080.003
musikalische Töne aus, ehe sie das Vermögen der articulirten psc_080.004
Sprache erlangt hatten — und in Folge dessen psc_080.005
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Lassen wir diese Hypothese dahingestellt. Halten wir uns psc_080.009
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freudiger Stimmung: dies ist verwandt mit den freudigen psc_080.011
Lauten der Thiere. Auch bei den Kindern unterscheiden wir psc_080.012
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Lebensfreude Luft macht.

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  Bedenken wir ferner, wie oft bei Thieren und Kindern psc_080.016
und den natürlichen uncivilisirten Menschen die Freude sich psc_080.017
durch beides gleichzeitig äußert: Springen und Jubeln.

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  So werden wir nicht anstehen, jene Verbindung von psc_080.019
Gesang und Tanz, rhythmisch gebunden, auf einen noch psc_080.020
älteren Ausdruck menschlichen Vergnügens, auf die ungebundene psc_080.021
ungeregelte Vereinigung von Springen und Jubeln als psc_080.022
eine Offenbarung der innern Lust zurückzuführen.

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  Aber dabei ist noch zu bemerken: der ursprüngliche unwillkürliche psc_080.024
Ausdruck der Freude durch Muskelbewegung psc_080.025
(„eine Empfindung ist ein Reiz zur Muskelthätigkeit“ Herbert psc_080.026
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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/96>, abgerufen am 30.04.2024.