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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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die Werke des größten Ruhms und der größten Nachwirkung, psc_036.002
die schon zugleich durch ihre geläufigsten Titel sich als psc_036.003
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und Horatius de arte poetica.

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Gegenstandes:

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in wissenschaftlicher Prosa durch den Philosophen,

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im Lehrgedicht durch den Dichter.

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Dabei tritt Aristoteles ganz entschieden in den Vordergrund. psc_036.010
Er ist nicht der Einzige, der ein eigenes Werk über psc_036.011
Dichtkunst geschrieben; z. B. Philodemos, der Epikureer, psc_036.012
den wir aus den herculanensischen Rollen fragmentarisch psc_036.013
kennen, schrieb peri poiematon, ein Werk, worin er u. a. psc_036.014
die Theorie vorbrachte, die im Gegensatz zu den Stoikern psc_036.015
und Krates von Pergamon stand, daß die Poesie nicht nach psc_036.016
Nutzen zu streben habe und daß ihre Nützlichkeit kein Maßstab psc_036.017
für die Beurtheilung der Dichtung sei (s. Gomperz, psc_036.018
Zeitschrift für österreichische Gymnasien 1865 S. 725).

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Proclus über die Dichtkunst ed. Fr. Morell (Paris 1615) psc_036.020
s. Blankenburg 1, 384.

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Aber Aristoteles' Poetik ist ein Werk von weit psc_036.022
reichendem Ruhm und weit reichender Macht. Sie erfuhr psc_036.023
das gewöhnliche Schicksal der Aristotelischen Schriften: sie psc_036.024
wurde ins Syrische und Arabische übersetzt, und daraus zunächst psc_036.025
ins Lateinische; in dieser Form wurde sie bei uns psc_036.026
zuerst bekannt. Jn einem solchen Auszug aus dem Lateinischen psc_036.027
wurde sie zuerst gedruckt Venedig 1481; dann vollständig psc_036.028
übersetzt von Lorenzo Valla 1498; endlich 1508 erschien

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Dichtkunst geschrieben; z. B. Philodemos, der Epikureer, psc_036.012
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kennen, schrieb περὶ ποιημάτων, ein Werk, worin er u. a. psc_036.014
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Nutzen zu streben habe und daß ihre Nützlichkeit kein Maßstab psc_036.017
für die Beurtheilung der Dichtung sei (s. Gomperz, psc_036.018
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  Proclus über die Dichtkunst ed. Fr. Morell (Paris 1615) psc_036.020
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  Aber Aristoteles' Poetik ist ein Werk von weit psc_036.022
reichendem Ruhm und weit reichender Macht. Sie erfuhr psc_036.023
das gewöhnliche Schicksal der Aristotelischen Schriften: sie psc_036.024
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[36/0052] psc_036.001 die Werke des größten Ruhms und der größten Nachwirkung, psc_036.002 die schon zugleich durch ihre geläufigsten Titel sich als psc_036.003 Lehren der Dichtkunst ankündigen: Aristoteles de arte psc_036.004 poetica und Horatius de arte poetica. psc_036.005   Beide sind zugleich Typen für die Behandlung des psc_036.006 Gegenstandes: psc_036.007 in wissenschaftlicher Prosa durch den Philosophen, psc_036.008 im Lehrgedicht durch den Dichter. psc_036.009   Dabei tritt Aristoteles ganz entschieden in den Vordergrund. psc_036.010 Er ist nicht der Einzige, der ein eigenes Werk über psc_036.011 Dichtkunst geschrieben; z. B. Philodemos, der Epikureer, psc_036.012 den wir aus den herculanensischen Rollen fragmentarisch psc_036.013 kennen, schrieb περὶ ποιημάτων, ein Werk, worin er u. a. psc_036.014 die Theorie vorbrachte, die im Gegensatz zu den Stoikern psc_036.015 und Krates von Pergamon stand, daß die Poesie nicht nach psc_036.016 Nutzen zu streben habe und daß ihre Nützlichkeit kein Maßstab psc_036.017 für die Beurtheilung der Dichtung sei (s. Gomperz, psc_036.018 Zeitschrift für österreichische Gymnasien 1865 S. 725). psc_036.019   Proclus über die Dichtkunst ed. Fr. Morell (Paris 1615) psc_036.020 s. Blankenburg 1, 384. psc_036.021   Aber Aristoteles' Poetik ist ein Werk von weit psc_036.022 reichendem Ruhm und weit reichender Macht. Sie erfuhr psc_036.023 das gewöhnliche Schicksal der Aristotelischen Schriften: sie psc_036.024 wurde ins Syrische und Arabische übersetzt, und daraus zunächst psc_036.025 ins Lateinische; in dieser Form wurde sie bei uns psc_036.026 zuerst bekannt. Jn einem solchen Auszug aus dem Lateinischen psc_036.027 wurde sie zuerst gedruckt Venedig 1481; dann vollständig psc_036.028 übersetzt von Lorenzo Valla 1498; endlich 1508 erschien

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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/52>, abgerufen am 30.04.2024.