Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_029.001 Wie dem nun auch sei, auf allen diesen Gebieten der psc_029.023 psc_029.001 Wie dem nun auch sei, auf allen diesen Gebieten der psc_029.023 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0045" n="29"/><lb n="psc_029.001"/> So finden wir die Rede z. B. bei den nordamerikanischen <lb n="psc_029.002"/> Jndianern ausgebildet. Die Parlamentsrede der Gegenwart <lb n="psc_029.003"/> ist eine Entwicklung dieser Volksreden der Urzeit. Wie nun <lb n="psc_029.004"/> diese Rede beschaffen war, läßt sich schon hieraus vermuthen. <lb n="psc_029.005"/> Die poetische Form ist freilich denkbar; so mochte, wie der <lb n="psc_029.006"/> Gesetzvortrag des Priesters vielleicht gebunden war, auch der <lb n="psc_029.007"/> Keim der Predigt, der priesterlichen Ansprache an die Volksversammlung, <lb n="psc_029.008"/> gebunden sein. Und so möglicherweise auch <lb n="psc_029.009"/> jene Rede zur Volksversammlung in derselben Weise, wie <lb n="psc_029.010"/> Verhandlungsformeln, Anklage, Schwüre, Verurtheilungsformeln <lb n="psc_029.011"/> gebunden waren. Aber diese wurden doch gewiß <lb n="psc_029.012"/> früh losgebunden, besonders wo das Leben selbst eine unmittelbare <lb n="psc_029.013"/> Anwendung verlangte, mitten in der That. Und <lb n="psc_029.014"/> es sind doch wohl überhaupt zu viele Fälle denkbar, wo eine <lb n="psc_029.015"/> Rede eingreifen kann, wo sie improvisirt wird, als daß man <lb n="psc_029.016"/> nicht schon aus der Natur der Sache schließen müßte, daß sie <lb n="psc_029.017"/> häufig eine rein prosaische, selbst jeden poetischen Anklangs <lb n="psc_029.018"/> entbehrende war. Jedenfalls kennen wir die Rede in entwickelten <lb n="psc_029.019"/> Litteraturen nur als solche ungebundene Rede, und <lb n="psc_029.020"/> müssen sie daher als eine alte Gattung ungebundener Rede, <lb n="psc_029.021"/> die nicht poetisch ist, anerkennen.</p> <lb n="psc_029.022"/> <p> Wie dem nun auch sei, auf allen diesen Gebieten der <lb n="psc_029.023"/> ungebundenen Sprache ist eine kunstmäßige Anwendung der <lb n="psc_029.024"/> Sprache möglich. Ja auf allen diesen Gebieten kann lauter <lb n="psc_029.025"/> Vortrag stattfinden, bei welchem die Behandlung der Stimme <lb n="psc_029.026"/> und die Gebärde hinzutritt, um ein Kunstwerk lebendiger <lb n="psc_029.027"/> Rede zu Stande zu bringen.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0045]
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So finden wir die Rede z. B. bei den nordamerikanischen psc_029.002
Jndianern ausgebildet. Die Parlamentsrede der Gegenwart psc_029.003
ist eine Entwicklung dieser Volksreden der Urzeit. Wie nun psc_029.004
diese Rede beschaffen war, läßt sich schon hieraus vermuthen. psc_029.005
Die poetische Form ist freilich denkbar; so mochte, wie der psc_029.006
Gesetzvortrag des Priesters vielleicht gebunden war, auch der psc_029.007
Keim der Predigt, der priesterlichen Ansprache an die Volksversammlung, psc_029.008
gebunden sein. Und so möglicherweise auch psc_029.009
jene Rede zur Volksversammlung in derselben Weise, wie psc_029.010
Verhandlungsformeln, Anklage, Schwüre, Verurtheilungsformeln psc_029.011
gebunden waren. Aber diese wurden doch gewiß psc_029.012
früh losgebunden, besonders wo das Leben selbst eine unmittelbare psc_029.013
Anwendung verlangte, mitten in der That. Und psc_029.014
es sind doch wohl überhaupt zu viele Fälle denkbar, wo eine psc_029.015
Rede eingreifen kann, wo sie improvisirt wird, als daß man psc_029.016
nicht schon aus der Natur der Sache schließen müßte, daß sie psc_029.017
häufig eine rein prosaische, selbst jeden poetischen Anklangs psc_029.018
entbehrende war. Jedenfalls kennen wir die Rede in entwickelten psc_029.019
Litteraturen nur als solche ungebundene Rede, und psc_029.020
müssen sie daher als eine alte Gattung ungebundener Rede, psc_029.021
die nicht poetisch ist, anerkennen.
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Wie dem nun auch sei, auf allen diesen Gebieten der psc_029.023
ungebundenen Sprache ist eine kunstmäßige Anwendung der psc_029.024
Sprache möglich. Ja auf allen diesen Gebieten kann lauter psc_029.025
Vortrag stattfinden, bei welchem die Behandlung der Stimme psc_029.026
und die Gebärde hinzutritt, um ein Kunstwerk lebendiger psc_029.027
Rede zu Stande zu bringen.
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