Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_210.001 Und muß die Wissenschaft in der Ausdehnung ihrer psc_210.009 Hieraus ergiebt sich, daß der überwiegenden Mehrzahl psc_210.015 So sind denn Darstellungen aus der Menschenwelt psc_210.019 Soweit die Poesie nun menschliche Dinge behandelt, psc_210.026 psc_210.001 Und muß die Wissenschaft in der Ausdehnung ihrer psc_210.009 Hieraus ergiebt sich, daß der überwiegenden Mehrzahl psc_210.015 So sind denn Darstellungen aus der Menschenwelt psc_210.019 Soweit die Poesie nun menschliche Dinge behandelt, psc_210.026 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0226" n="210"/><lb n="psc_210.001"/> werden. Dies ist eine Hauptquelle der Mythologie, wie wir <lb n="psc_210.002"/> schon sahen. Daher werden auch mythologische Wesen menschenähnlich <lb n="psc_210.003"/> gebildet; bei etwaigen Combinationen der äußeren <lb n="psc_210.004"/> Gestalt, menschlicher und thierischer, muß doch das innere <lb n="psc_210.005"/> Leben dieser Gestalten menschenähnlich gedacht werden, wie <lb n="psc_210.006"/> wir uns das innere Leben der Thiere nicht anders denken <lb n="psc_210.007"/> können als nach Analogie unseres eigenen Jnnern.</p> <lb n="psc_210.008"/> <p> Und muß die Wissenschaft in der Ausdehnung ihrer <lb n="psc_210.009"/> Analogien behutsam sein, so hat die Poesie keine Vorsicht <lb n="psc_210.010"/> nöthig, sofern sie nur die bekannte Wahrscheinlichkeit nicht <lb n="psc_210.011"/> zu sehr verletzt. Wenn also z. B. Thieren und Dingen von <lb n="psc_210.012"/> Schopenhauer Wille zugesprochen wird, so ist das für die <lb n="psc_210.013"/> Wissenschaft gefährlich, für die Poesie sehr schön.</p> <lb n="psc_210.014"/> <p> Hieraus ergiebt sich, daß der überwiegenden Mehrzahl <lb n="psc_210.015"/> nach die poetischen Motive <hi rendition="#g">humaner</hi> Natur sind, und zwar <lb n="psc_210.016"/> mit Verkettung der innern und äußern Welt meist als innere <lb n="psc_210.017"/> Ursachen und äußere Folgen.</p> <lb n="psc_210.018"/> <p> So sind denn Darstellungen aus der Menschenwelt <lb n="psc_210.019"/> Mittelpunct der Poesie; daneben noch Dinge der äußeren <lb n="psc_210.020"/> Welt, landschaftlicher Natur. Man kann damit historische <lb n="psc_210.021"/> Malerei nebst Genre, andererseits Landschaftsmalerei nebst <lb n="psc_210.022"/> Stillleben vergleichen. Beides ist auch in der Poesie möglich; <lb n="psc_210.023"/> aber bloße poetische Landschaftsmalerei interessirt nicht <lb n="psc_210.024"/> mehr genügend. Deshalb tritt sie heute nur noch nebenbei auf.</p> <lb n="psc_210.025"/> <p> Soweit die Poesie nun menschliche Dinge behandelt, <lb n="psc_210.026"/> wird Alles, was darzustellen ist, entweder mehrere Menschenleben <lb n="psc_210.027"/> oder ein ganzes Menschenleben oder Stücke aus solchem <lb n="psc_210.028"/> Menschenleben sein. Jnsofern hat die Poesie ein Verhältniß </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [210/0226]
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werden. Dies ist eine Hauptquelle der Mythologie, wie wir psc_210.002
schon sahen. Daher werden auch mythologische Wesen menschenähnlich psc_210.003
gebildet; bei etwaigen Combinationen der äußeren psc_210.004
Gestalt, menschlicher und thierischer, muß doch das innere psc_210.005
Leben dieser Gestalten menschenähnlich gedacht werden, wie psc_210.006
wir uns das innere Leben der Thiere nicht anders denken psc_210.007
können als nach Analogie unseres eigenen Jnnern.
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Und muß die Wissenschaft in der Ausdehnung ihrer psc_210.009
Analogien behutsam sein, so hat die Poesie keine Vorsicht psc_210.010
nöthig, sofern sie nur die bekannte Wahrscheinlichkeit nicht psc_210.011
zu sehr verletzt. Wenn also z. B. Thieren und Dingen von psc_210.012
Schopenhauer Wille zugesprochen wird, so ist das für die psc_210.013
Wissenschaft gefährlich, für die Poesie sehr schön.
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Hieraus ergiebt sich, daß der überwiegenden Mehrzahl psc_210.015
nach die poetischen Motive humaner Natur sind, und zwar psc_210.016
mit Verkettung der innern und äußern Welt meist als innere psc_210.017
Ursachen und äußere Folgen.
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So sind denn Darstellungen aus der Menschenwelt psc_210.019
Mittelpunct der Poesie; daneben noch Dinge der äußeren psc_210.020
Welt, landschaftlicher Natur. Man kann damit historische psc_210.021
Malerei nebst Genre, andererseits Landschaftsmalerei nebst psc_210.022
Stillleben vergleichen. Beides ist auch in der Poesie möglich; psc_210.023
aber bloße poetische Landschaftsmalerei interessirt nicht psc_210.024
mehr genügend. Deshalb tritt sie heute nur noch nebenbei auf.
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Soweit die Poesie nun menschliche Dinge behandelt, psc_210.026
wird Alles, was darzustellen ist, entweder mehrere Menschenleben psc_210.027
oder ein ganzes Menschenleben oder Stücke aus solchem psc_210.028
Menschenleben sein. Jnsofern hat die Poesie ein Verhältniß
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