psc_174.001 und ist auch schon lang dem Apercu nach gemacht (Maudsley, psc_174.002 Die Zurechnungsfähigkeit der Geisteskranken, Jnternat. Bibl., psc_174.003 Leipzig 1875, S. 46). Schon Horaz nennt die dichterische psc_174.004 Begeisterung amabilis insania ("holder Wahnsinn" Wieland psc_174.005 im "Oberon"). Aristoteles soll nach Seneca gesagt haben: psc_174.006 nullum magnum ingenium sine mixtura dementiae psc_174.007 fuit (kein Genie ohne Beimischung von Wahnsinn), vgl. psc_174.008 Schopenhauer 1, 224 f., J. Kerner, Bilderbuch S. 40 f. psc_174.009 Aber dies Apercu, die Verwandtschaft von Genie und Wahnsinn, psc_174.010 ist nicht exact ausgebeutet, wie Schopenhauer zeigt. psc_174.011 Bastian, Der Mensch in der Geschichte 2, 529 f. Moreau, psc_174.012 La psychologie morbide (Paris 1859) übertreibt: "Genie psc_174.013 ist eine Nervenkrankheit"; Maudsley dagegen sagt sehr gut, psc_174.014 was sich ungefähr sagen läßt. H. Joly, Psychologie des psc_174.015 grands hommes; Sully Prudhomme, L'Expression; psc_174.016 Gabriel Seailles, Essai sur le genie dans l'art (Paris psc_174.017 1884).
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Es scheint eine Verwandtschaft zu bestehen zwischen den psc_174.019 körperlichen Dispositionen des Wahnsinns und seiner Verwandten psc_174.020 (Epilepsie u. dgl.) und den körperlichen Dispositionen psc_174.021 außerordentlicher Anlagen, der Genialität. Reiche Beispielsammlung psc_174.022 bei Moreau, auch bei Maudsley. Hiernach darf psc_174.023 man hoffen, daß die Untersuchung über den Jrrsinn weiter psc_174.024 führen werde. Aber auch hier muß man auf die Ausnahmefälle psc_174.025 achten. Unzweifelhaft ist eine gesteigerte Reizbarkeit psc_174.026 des Nervensystems und eine sehr lebhafte Phantasie vorhanden; psc_174.027 bedeutende Naturen entladen selbst gelegentlich in extraordinären psc_174.028 Geisteszuständen (Dichter wohl namentlich in Hallucinationen;
psc_174.001 und ist auch schon lang dem Aperçu nach gemacht (Maudsley, psc_174.002 Die Zurechnungsfähigkeit der Geisteskranken, Jnternat. Bibl., psc_174.003 Leipzig 1875, S. 46). Schon Horaz nennt die dichterische psc_174.004 Begeisterung amabilis insania („holder Wahnsinn“ Wieland psc_174.005 im „Oberon“). Aristoteles soll nach Seneca gesagt haben: psc_174.006 nullum magnum ingenium sine mixtura dementiae psc_174.007 fuit (kein Genie ohne Beimischung von Wahnsinn), vgl. psc_174.008 Schopenhauer 1, 224 f., J. Kerner, Bilderbuch S. 40 f. psc_174.009 Aber dies Aperçu, die Verwandtschaft von Genie und Wahnsinn, psc_174.010 ist nicht exact ausgebeutet, wie Schopenhauer zeigt. psc_174.011 Bastian, Der Mensch in der Geschichte 2, 529 f. Moreau, psc_174.012 La psychologie morbide (Paris 1859) übertreibt: „Genie psc_174.013 ist eine Nervenkrankheit“; Maudsley dagegen sagt sehr gut, psc_174.014 was sich ungefähr sagen läßt. H. Joly, Psychologie des psc_174.015 grands hommes; Sully Prudhomme, L'Expression; psc_174.016 Gabriel Séailles, Essai sur le génie dans l'art (Paris psc_174.017 1884).
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Es scheint eine Verwandtschaft zu bestehen zwischen den psc_174.019 körperlichen Dispositionen des Wahnsinns und seiner Verwandten psc_174.020 (Epilepsie u. dgl.) und den körperlichen Dispositionen psc_174.021 außerordentlicher Anlagen, der Genialität. Reiche Beispielsammlung psc_174.022 bei Moreau, auch bei Maudsley. Hiernach darf psc_174.023 man hoffen, daß die Untersuchung über den Jrrsinn weiter psc_174.024 führen werde. Aber auch hier muß man auf die Ausnahmefälle psc_174.025 achten. Unzweifelhaft ist eine gesteigerte Reizbarkeit psc_174.026 des Nervensystems und eine sehr lebhafte Phantasie vorhanden; psc_174.027 bedeutende Naturen entladen selbst gelegentlich in extraordinären psc_174.028 Geisteszuständen (Dichter wohl namentlich in Hallucinationen;
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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/190>, abgerufen am 16.02.2025.
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