Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_120.001 Die aristokratischen Dichter hinwiederum, die aus dem psc_120.002 psc_120.005 Die fahrenden Sänger preisen die Milde vor allem, die psc_120.006 Hier sehen wir schon, wie dem Sänger sein Vortheil psc_120.011 Jn der Völkerwanderung wie im 12. und 13. Jahrhundert psc_120.018 psc_120.001 Die aristokratischen Dichter hinwiederum, die aus dem psc_120.002 psc_120.005 Die fahrenden Sänger preisen die Milde vor allem, die psc_120.006 Hier sehen wir schon, wie dem Sänger sein Vortheil psc_120.011 Jn der Völkerwanderung wie im 12. und 13. Jahrhundert psc_120.018 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0136" n="120"/> <lb n="psc_120.001"/> <p> Die aristokratischen Dichter hinwiederum, die aus dem <lb n="psc_120.002"/> Kreise des Adels hervorgehen, preisen die aristokratischen <lb n="psc_120.003"/> Tugenden: Selbstgefühl, Tapferkeit, Stolz, aber auch Freigebigkeit...</p> <lb n="psc_120.004"/> <lb n="psc_120.005"/> <p> Die fahrenden Sänger preisen die Milde vor allem, die <lb n="psc_120.006"/> Freigebigkeit, die ihnen selbst zu gute kommt — sie preisen <lb n="psc_120.007"/> sie für sich selbst; für das Publicum, dem sie gefallen wollen, <lb n="psc_120.008"/> preisen sie die geistlichen Tugenden, wenns ein geistliches, die <lb n="psc_120.009"/> weltlichen, wenns ein weltliches ist.</p> <lb n="psc_120.010"/> <p> Hier sehen wir schon, wie dem Sänger sein Vortheil <lb n="psc_120.011"/> aufgeht. Der Dichter, der von Tapferkeit und Treue sang, <lb n="psc_120.012"/> war am Hofe der Volkskönige der Völkerwanderung willkommen. <lb n="psc_120.013"/> Die Sänger schmeichelten. Sie gaben dem Könige <lb n="psc_120.014"/> nicht bloß gewaltigen Ruhm, sondern auch göttliche Ahnen. <lb n="psc_120.015"/> Sie verherrlichten die Thaten des Königs und logen gewiß, <lb n="psc_120.016"/> wo es sich besser machte. Vgl. meinen „J. Grimm“² S. 146.</p> <lb n="psc_120.017"/> <p> Jn der Völkerwanderung wie im 12. und 13. Jahrhundert <lb n="psc_120.018"/> betheiligten sich adelige Herren als Dilettanten an der Poesie, <lb n="psc_120.019"/> wie es Achill bei Homer thut. Aber die Poesie ist auch <lb n="psc_120.020"/> Fach; und die Fachleute sind die eigentlichen Träger. Litterarischer <lb n="psc_120.021"/> Ruhm scheint erst spät angestrebt zu werden: die <lb n="psc_120.022"/> Sänger nennen sich nicht, die Volkssänger bis ins 13. Jahrhundert <lb n="psc_120.023"/> nicht — sie verweben nie ihre Namen in die Schlußstrophen <lb n="psc_120.024"/> oder Schlußzeilen, wie Otfried, wie die ritterlichen <lb n="psc_120.025"/> Dichter des 12. und 13. Jahrhunderts es wohl thun. Auch <lb n="psc_120.026"/> der Begriff des litterarischen Eigenthums kommt erst ungefähr <lb n="psc_120.027"/> im 13. Jahrhundert auf: nun erwartet der Dichter, daß die <lb n="psc_120.028"/> für seine Gedichte erfundenen Strophenformen als sein Eigenthum </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0136]
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Die aristokratischen Dichter hinwiederum, die aus dem psc_120.002
Kreise des Adels hervorgehen, preisen die aristokratischen psc_120.003
Tugenden: Selbstgefühl, Tapferkeit, Stolz, aber auch Freigebigkeit...
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Die fahrenden Sänger preisen die Milde vor allem, die psc_120.006
Freigebigkeit, die ihnen selbst zu gute kommt — sie preisen psc_120.007
sie für sich selbst; für das Publicum, dem sie gefallen wollen, psc_120.008
preisen sie die geistlichen Tugenden, wenns ein geistliches, die psc_120.009
weltlichen, wenns ein weltliches ist.
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Hier sehen wir schon, wie dem Sänger sein Vortheil psc_120.011
aufgeht. Der Dichter, der von Tapferkeit und Treue sang, psc_120.012
war am Hofe der Volkskönige der Völkerwanderung willkommen. psc_120.013
Die Sänger schmeichelten. Sie gaben dem Könige psc_120.014
nicht bloß gewaltigen Ruhm, sondern auch göttliche Ahnen. psc_120.015
Sie verherrlichten die Thaten des Königs und logen gewiß, psc_120.016
wo es sich besser machte. Vgl. meinen „J. Grimm“² S. 146.
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Jn der Völkerwanderung wie im 12. und 13. Jahrhundert psc_120.018
betheiligten sich adelige Herren als Dilettanten an der Poesie, psc_120.019
wie es Achill bei Homer thut. Aber die Poesie ist auch psc_120.020
Fach; und die Fachleute sind die eigentlichen Träger. Litterarischer psc_120.021
Ruhm scheint erst spät angestrebt zu werden: die psc_120.022
Sänger nennen sich nicht, die Volkssänger bis ins 13. Jahrhundert psc_120.023
nicht — sie verweben nie ihre Namen in die Schlußstrophen psc_120.024
oder Schlußzeilen, wie Otfried, wie die ritterlichen psc_120.025
Dichter des 12. und 13. Jahrhunderts es wohl thun. Auch psc_120.026
der Begriff des litterarischen Eigenthums kommt erst ungefähr psc_120.027
im 13. Jahrhundert auf: nun erwartet der Dichter, daß die psc_120.028
für seine Gedichte erfundenen Strophenformen als sein Eigenthum
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