punct, oder von dem einer Philosophie aus, die nicht im Idealen zu der gleichen Höhe mit der Kunst im Realen geht, unbegreiflich. Die¬ jenigen Regeln, die das Genie abwerfen kann, sind solche, welche ein bloß mechanischer Ver¬ stand vorschreibt; das Genie ist autonomisch, nur der fremden Gesetzgebung entzieht es sich, nicht der eigenen, denn es ist nur Genie, sofern es die höchste Gesetzmäßigkeit ist; aber eben diese absolute Gesetzgebung erkennt die Philosophie in ihm, welche nicht allein selbst autonomisch ist, sondern auch zum Princip aller Autonomie vordringt. Zu jeder Zeit hat man daher ge¬ sehen, daß die wahren Künstler still, einfach, groß und nothwendig sind in ihrer Art, wie die Natur. Jener Enthusiasmus, der in ih¬ nen nichts erblickt, als das von Regeln freye Genie, entsteht selbst erst durch die Reflexion, die von dem Genie nur die negative Seite er¬ kennt: es ist ein Enthusiasmus der zweyten Hand, nicht der, welcher den Künstler beseelt und der in einer gottähnlichen Freyheit zugleich die reinste und höchste Nothwendigkeit ist.
punct, oder von dem einer Philoſophie aus, die nicht im Idealen zu der gleichen Hoͤhe mit der Kunſt im Realen geht, unbegreiflich. Die¬ jenigen Regeln, die das Genie abwerfen kann, ſind ſolche, welche ein bloß mechaniſcher Ver¬ ſtand vorſchreibt; das Genie iſt autonomiſch, nur der fremden Geſetzgebung entzieht es ſich, nicht der eigenen, denn es iſt nur Genie, ſofern es die hoͤchſte Geſetzmaͤßigkeit iſt; aber eben dieſe abſolute Geſetzgebung erkennt die Philoſophie in ihm, welche nicht allein ſelbſt autonomiſch iſt, ſondern auch zum Princip aller Autonomie vordringt. Zu jeder Zeit hat man daher ge¬ ſehen, daß die wahren Kuͤnſtler ſtill, einfach, groß und nothwendig ſind in ihrer Art, wie die Natur. Jener Enthuſiasmus, der in ih¬ nen nichts erblickt, als das von Regeln freye Genie, entſteht ſelbſt erſt durch die Reflexion, die von dem Genie nur die negative Seite er¬ kennt: es iſt ein Enthuſiasmus der zweyten Hand, nicht der, welcher den Kuͤnſtler beſeelt und der in einer gottaͤhnlichen Freyheit zugleich die reinſte und hoͤchſte Nothwendigkeit iſt.
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punct, oder von dem einer Philoſophie aus,
die nicht im Idealen zu der gleichen Hoͤhe mit
der Kunſt im Realen geht, unbegreiflich. Die¬
jenigen Regeln, die das Genie abwerfen kann,
ſind ſolche, welche ein bloß mechaniſcher Ver¬
ſtand vorſchreibt; das Genie iſt autonomiſch,
nur der fremden Geſetzgebung entzieht es ſich,
nicht der eigenen, denn es iſt nur Genie, ſofern
es die hoͤchſte Geſetzmaͤßigkeit iſt; aber eben dieſe
abſolute Geſetzgebung erkennt die Philoſophie
in ihm, welche nicht allein ſelbſt autonomiſch
iſt, ſondern auch zum Princip aller Autonomie
vordringt. Zu jeder Zeit hat man daher ge¬
ſehen, daß die wahren Kuͤnſtler ſtill, einfach,
groß und nothwendig ſind in ihrer Art, wie
die Natur. Jener Enthuſiasmus, der in ih¬
nen nichts erblickt, als das von Regeln freye
Genie, entſteht ſelbſt erſt durch die Reflexion,
die von dem Genie nur die negative Seite er¬
kennt: es iſt ein Enthuſiasmus der zweyten
Hand, nicht der, welcher den Kuͤnſtler beſeelt
und der in einer gottaͤhnlichen Freyheit zugleich
die reinſte und hoͤchſte Nothwendigkeit iſt.
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/325>, abgerufen am 22.11.2024.
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