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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

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leidet es keinen Zweifel, daß in dieser Art des
Wissens Vergleichung das erste leitende Princip
ist: aber nicht Vergleichung mit irgend einem
empirischen Vorbild, am wenigsten mit der
menschlichen Bildung, welche als die vollen¬
detste nach Einer Richtung zugleich an der
Gränze der Organisation steht. Die erste Be¬
schränkung der Anatomie überhaupt auf die des
menschlichen Körpers hatte zwar in dem Ge¬
brauch, der von derselben in der Arzneykunst
beabsichtigt wurde, einen sehr einleuchtenden
Grund, war aber der Wissenschaft selbst in kei¬
nem Betracht vortheilhaft. Nicht nur weil die
menschliche Organisation so verborgen ist, daß
um der Anatomie derselben auch nur diejenige
Vollkommenheit zu geben, die sie jetzt hat, die
Vergleichung mit andern Organisationen noth¬
wendig war, sondern auch, weil sie, durch ihre
Potenzirtheit selbst, den Gesichtspunct für die
übrigen verrückt und die Erhebung zu einfachen
und allgemeinen Ansichten erschwert. Die Un¬
möglichkeit, über die Gründe einer so verwickel¬
ten Bildung im Einzelnen die geringste Re¬

leidet es keinen Zweifel, daß in dieſer Art des
Wiſſens Vergleichung das erſte leitende Princip
iſt: aber nicht Vergleichung mit irgend einem
empiriſchen Vorbild, am wenigſten mit der
menſchlichen Bildung, welche als die vollen¬
detſte nach Einer Richtung zugleich an der
Graͤnze der Organiſation ſteht. Die erſte Be¬
ſchraͤnkung der Anatomie uͤberhaupt auf die des
menſchlichen Koͤrpers hatte zwar in dem Ge¬
brauch, der von derſelben in der Arzneykunſt
beabſichtigt wurde, einen ſehr einleuchtenden
Grund, war aber der Wiſſenſchaft ſelbſt in kei¬
nem Betracht vortheilhaft. Nicht nur weil die
menſchliche Organiſation ſo verborgen iſt, daß
um der Anatomie derſelben auch nur diejenige
Vollkommenheit zu geben, die ſie jetzt hat, die
Vergleichung mit andern Organiſationen noth¬
wendig war, ſondern auch, weil ſie, durch ihre
Potenzirtheit ſelbſt, den Geſichtspunct fuͤr die
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[299/0308] leidet es keinen Zweifel, daß in dieſer Art des Wiſſens Vergleichung das erſte leitende Princip iſt: aber nicht Vergleichung mit irgend einem empiriſchen Vorbild, am wenigſten mit der menſchlichen Bildung, welche als die vollen¬ detſte nach Einer Richtung zugleich an der Graͤnze der Organiſation ſteht. Die erſte Be¬ ſchraͤnkung der Anatomie uͤberhaupt auf die des menſchlichen Koͤrpers hatte zwar in dem Ge¬ brauch, der von derſelben in der Arzneykunſt beabſichtigt wurde, einen ſehr einleuchtenden Grund, war aber der Wiſſenſchaft ſelbſt in kei¬ nem Betracht vortheilhaft. Nicht nur weil die menſchliche Organiſation ſo verborgen iſt, daß um der Anatomie derſelben auch nur diejenige Vollkommenheit zu geben, die ſie jetzt hat, die Vergleichung mit andern Organiſationen noth¬ wendig war, ſondern auch, weil ſie, durch ihre Potenzirtheit ſelbſt, den Geſichtspunct fuͤr die uͤbrigen verruͤckt und die Erhebung zu einfachen und allgemeinen Anſichten erſchwert. Die Un¬ moͤglichkeit, uͤber die Gruͤnde einer ſo verwickel¬ ten Bildung im Einzelnen die geringſte Re¬

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/308>, abgerufen am 22.11.2024.