Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Schriften oder Lehrvorträgen behaupten wol¬
len, und selbst den Schülern lächerlich werden,
indem sie das Unvereinbare und Widersprechen¬
de damit zu vereinen suchen, auch das Wissen¬
schaftliche wie einen historischen Gegenstand
behandeln, und da sie von Beweisen reden,
doch immer nur zu erzählen vermögen: auf die
man anwenden möchte, was zu seiner Zeit Ga¬
lenus von dem großen Haufen der Aerzte ge¬
sagt hat: So ungeübt und ungebildet und da¬
bey so frech und schnell im Beweisen, wenn sie
schon nicht wissen, was ein Beweis ist -- wie
soll man mit diesen vernunftlosen Wesen noch
länger streiten und seine Zeit an ihren Erbärm¬
lichkeiten verlieren!

Dieselben Gesetze, welche die Metamor¬
phosen der Krankheit bestimmen, bestimmen
auch die allgemeinen und bleibenden Verwand¬
lungen, welche die Natur in der Production
der verschiedenen Gattungen übt. Denn auch diese
beruhen einzig auf der steten Wiederholung eines
und desselben Grundtypus mit beständig verän¬
derten Verhältnissen, und es ist offenbar, daß

Schriften oder Lehrvortraͤgen behaupten wol¬
len, und ſelbſt den Schuͤlern laͤcherlich werden,
indem ſie das Unvereinbare und Widerſprechen¬
de damit zu vereinen ſuchen, auch das Wiſſen¬
ſchaftliche wie einen hiſtoriſchen Gegenſtand
behandeln, und da ſie von Beweiſen reden,
doch immer nur zu erzaͤhlen vermoͤgen: auf die
man anwenden moͤchte, was zu ſeiner Zeit Ga¬
lenus von dem großen Haufen der Aerzte ge¬
ſagt hat: So ungeuͤbt und ungebildet und da¬
bey ſo frech und ſchnell im Beweiſen, wenn ſie
ſchon nicht wiſſen, was ein Beweis iſt — wie
ſoll man mit dieſen vernunftloſen Weſen noch
laͤnger ſtreiten und ſeine Zeit an ihren Erbaͤrm¬
lichkeiten verlieren!

Dieſelben Geſetze, welche die Metamor¬
phoſen der Krankheit beſtimmen, beſtimmen
auch die allgemeinen und bleibenden Verwand¬
lungen, welche die Natur in der Production
der verſchiedenen Gattungen uͤbt. Denn auch dieſe
beruhen einzig auf der ſteten Wiederholung eines
und deſſelben Grundtypus mit beſtaͤndig veraͤn¬
derten Verhaͤltniſſen, und es iſt offenbar, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0306" n="297"/>
Schriften oder Lehrvortra&#x0364;gen behaupten wol¬<lb/>
len, und &#x017F;elb&#x017F;t den Schu&#x0364;lern la&#x0364;cherlich werden,<lb/>
indem &#x017F;ie das Unvereinbare und Wider&#x017F;prechen¬<lb/>
de damit zu vereinen &#x017F;uchen, auch das Wi&#x017F;&#x017F;en¬<lb/>
&#x017F;chaftliche wie einen hi&#x017F;tori&#x017F;chen Gegen&#x017F;tand<lb/>
behandeln, und da &#x017F;ie von Bewei&#x017F;en reden,<lb/>
doch immer nur zu erza&#x0364;hlen vermo&#x0364;gen: auf die<lb/>
man anwenden mo&#x0364;chte, was zu &#x017F;einer Zeit Ga¬<lb/>
lenus von dem großen Haufen der Aerzte ge¬<lb/>
&#x017F;agt hat: So ungeu&#x0364;bt und ungebildet und da¬<lb/>
bey &#x017F;o frech und &#x017F;chnell im Bewei&#x017F;en, wenn &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chon nicht wi&#x017F;&#x017F;en, was ein Beweis i&#x017F;t &#x2014; wie<lb/>
&#x017F;oll man mit die&#x017F;en vernunftlo&#x017F;en We&#x017F;en noch<lb/>
la&#x0364;nger &#x017F;treiten und &#x017F;eine Zeit an ihren Erba&#x0364;rm¬<lb/>
lichkeiten verlieren!</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;elben Ge&#x017F;etze, welche die Metamor¬<lb/>
pho&#x017F;en der Krankheit be&#x017F;timmen, be&#x017F;timmen<lb/>
auch die allgemeinen und bleibenden Verwand¬<lb/>
lungen, welche die Natur in der Production<lb/>
der ver&#x017F;chiedenen Gattungen u&#x0364;bt. Denn auch die&#x017F;e<lb/>
beruhen einzig auf der &#x017F;teten Wiederholung eines<lb/>
und de&#x017F;&#x017F;elben Grundtypus mit be&#x017F;ta&#x0364;ndig vera&#x0364;<lb/>
derten Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en, und es i&#x017F;t offenbar, daß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0306] Schriften oder Lehrvortraͤgen behaupten wol¬ len, und ſelbſt den Schuͤlern laͤcherlich werden, indem ſie das Unvereinbare und Widerſprechen¬ de damit zu vereinen ſuchen, auch das Wiſſen¬ ſchaftliche wie einen hiſtoriſchen Gegenſtand behandeln, und da ſie von Beweiſen reden, doch immer nur zu erzaͤhlen vermoͤgen: auf die man anwenden moͤchte, was zu ſeiner Zeit Ga¬ lenus von dem großen Haufen der Aerzte ge¬ ſagt hat: So ungeuͤbt und ungebildet und da¬ bey ſo frech und ſchnell im Beweiſen, wenn ſie ſchon nicht wiſſen, was ein Beweis iſt — wie ſoll man mit dieſen vernunftloſen Weſen noch laͤnger ſtreiten und ſeine Zeit an ihren Erbaͤrm¬ lichkeiten verlieren! Dieſelben Geſetze, welche die Metamor¬ phoſen der Krankheit beſtimmen, beſtimmen auch die allgemeinen und bleibenden Verwand¬ lungen, welche die Natur in der Production der verſchiedenen Gattungen uͤbt. Denn auch dieſe beruhen einzig auf der ſteten Wiederholung eines und deſſelben Grundtypus mit beſtaͤndig veraͤn¬ derten Verhaͤltniſſen, und es iſt offenbar, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/306
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/306>, abgerufen am 05.05.2024.