Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

und Allheit gedacht ist, ist in sich selbst leer und
verwerflich; was nicht harmonisch einzugreifen
fähig ist in dieses treibende und lebende Ganze,
ist ein todter Absatz, der nach organischen Ge¬
setzen früher oder später ausgestoßen wird, und
freylich giebt es auch im Reiche der Wissenschaft
geschlechtslose Bienen genug, die, weil ihnen
zu produciren versagt ist, durch anorgische Ab¬
sätze nach außen, ihre eigene Geistlosigkeit in
Abdrücken vervielfältigen.

Indem ich jene Idee von der Bestim¬
mung alles Wissens ausgesprochen habe, habe
ich von der Würde der Wissenschaft an sich
selbst nichts mehr hinzuzufügen: keine Norm
der Ausbildung oder der Aufnahme der Wissen¬
schaft in sich selbst, die ich in dem Folgenden
aufstellen kann, wird aus einem andern Grun¬
de als dieser Einen Idee fließen.

Von Pythagoras erzählen die Geschicht¬
schreiber der Philosophie, daß er den bis auf
seine Zeit gangbaren Namen der Wissenschaft,
sophia, zuerst in den der philosophia, der
Liebe zur Weisheit, verwandelt habe, aus dem

und Allheit gedacht iſt, iſt in ſich ſelbſt leer und
verwerflich; was nicht harmoniſch einzugreifen
faͤhig iſt in dieſes treibende und lebende Ganze,
iſt ein todter Abſatz, der nach organiſchen Ge¬
ſetzen fruͤher oder ſpaͤter ausgeſtoßen wird, und
freylich giebt es auch im Reiche der Wiſſenſchaft
geſchlechtsloſe Bienen genug, die, weil ihnen
zu produciren verſagt iſt, durch anorgiſche Ab¬
ſaͤtze nach außen, ihre eigene Geiſtloſigkeit in
Abdruͤcken vervielfaͤltigen.

Indem ich jene Idee von der Beſtim¬
mung alles Wiſſens ausgeſprochen habe, habe
ich von der Wuͤrde der Wiſſenſchaft an ſich
ſelbſt nichts mehr hinzuzufuͤgen: keine Norm
der Ausbildung oder der Aufnahme der Wiſſen¬
ſchaft in ſich ſelbſt, die ich in dem Folgenden
aufſtellen kann, wird aus einem andern Grun¬
de als dieſer Einen Idee fließen.

Von Pythagoras erzaͤhlen die Geſchicht¬
ſchreiber der Philoſophie, daß er den bis auf
ſeine Zeit gangbaren Namen der Wiſſenſchaft,
σοφία, zuerſt in den der φιλοσοφία, der
Liebe zur Weisheit, verwandelt habe, aus dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0025" n="16"/>
und Allheit gedacht i&#x017F;t, i&#x017F;t in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t leer und<lb/>
verwerflich; was nicht harmoni&#x017F;ch einzugreifen<lb/>
fa&#x0364;hig i&#x017F;t in die&#x017F;es treibende und lebende Ganze,<lb/>
i&#x017F;t ein todter Ab&#x017F;atz, der nach organi&#x017F;chen Ge¬<lb/>
&#x017F;etzen fru&#x0364;her oder &#x017F;pa&#x0364;ter ausge&#x017F;toßen wird, und<lb/>
freylich giebt es auch im Reiche der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
ge&#x017F;chlechtslo&#x017F;e Bienen genug, die, weil ihnen<lb/>
zu produciren ver&#x017F;agt i&#x017F;t, durch anorgi&#x017F;che Ab¬<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tze nach außen, ihre eigene Gei&#x017F;tlo&#x017F;igkeit in<lb/>
Abdru&#x0364;cken vervielfa&#x0364;ltigen.</p><lb/>
        <p>Indem ich jene Idee von der Be&#x017F;tim¬<lb/>
mung alles Wi&#x017F;&#x017F;ens ausge&#x017F;prochen habe, habe<lb/>
ich von der Wu&#x0364;rde der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft an &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nichts mehr hinzuzufu&#x0364;gen: keine Norm<lb/>
der Ausbildung oder der Aufnahme der Wi&#x017F;&#x017F;en¬<lb/>
&#x017F;chaft in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, die ich in dem Folgenden<lb/>
auf&#x017F;tellen kann, wird aus einem andern Grun¬<lb/>
de als die&#x017F;er Einen Idee fließen.</p><lb/>
        <p>Von Pythagoras erza&#x0364;hlen die Ge&#x017F;chicht¬<lb/>
&#x017F;chreiber der Philo&#x017F;ophie, daß er den bis auf<lb/>
&#x017F;eine Zeit gangbaren Namen der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft,<lb/>
&#x03C3;&#x03BF;&#x03C6;&#x03AF;&#x03B1;, zuer&#x017F;t in den der &#x03C6;&#x03B9;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C3;&#x03BF;&#x03C6;&#x03AF;&#x03B1;, der<lb/>
Liebe zur Weisheit, verwandelt habe, aus dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0025] und Allheit gedacht iſt, iſt in ſich ſelbſt leer und verwerflich; was nicht harmoniſch einzugreifen faͤhig iſt in dieſes treibende und lebende Ganze, iſt ein todter Abſatz, der nach organiſchen Ge¬ ſetzen fruͤher oder ſpaͤter ausgeſtoßen wird, und freylich giebt es auch im Reiche der Wiſſenſchaft geſchlechtsloſe Bienen genug, die, weil ihnen zu produciren verſagt iſt, durch anorgiſche Ab¬ ſaͤtze nach außen, ihre eigene Geiſtloſigkeit in Abdruͤcken vervielfaͤltigen. Indem ich jene Idee von der Beſtim¬ mung alles Wiſſens ausgeſprochen habe, habe ich von der Wuͤrde der Wiſſenſchaft an ſich ſelbſt nichts mehr hinzuzufuͤgen: keine Norm der Ausbildung oder der Aufnahme der Wiſſen¬ ſchaft in ſich ſelbſt, die ich in dem Folgenden aufſtellen kann, wird aus einem andern Grun¬ de als dieſer Einen Idee fließen. Von Pythagoras erzaͤhlen die Geſchicht¬ ſchreiber der Philoſophie, daß er den bis auf ſeine Zeit gangbaren Namen der Wiſſenſchaft, σοφία, zuerſt in den der φιλοσοφία, der Liebe zur Weisheit, verwandelt habe, aus dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/25
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/25>, abgerufen am 24.04.2024.