und Allheit gedacht ist, ist in sich selbst leer und verwerflich; was nicht harmonisch einzugreifen fähig ist in dieses treibende und lebende Ganze, ist ein todter Absatz, der nach organischen Ge¬ setzen früher oder später ausgestoßen wird, und freylich giebt es auch im Reiche der Wissenschaft geschlechtslose Bienen genug, die, weil ihnen zu produciren versagt ist, durch anorgische Ab¬ sätze nach außen, ihre eigene Geistlosigkeit in Abdrücken vervielfältigen.
Indem ich jene Idee von der Bestim¬ mung alles Wissens ausgesprochen habe, habe ich von der Würde der Wissenschaft an sich selbst nichts mehr hinzuzufügen: keine Norm der Ausbildung oder der Aufnahme der Wissen¬ schaft in sich selbst, die ich in dem Folgenden aufstellen kann, wird aus einem andern Grun¬ de als dieser Einen Idee fließen.
Von Pythagoras erzählen die Geschicht¬ schreiber der Philosophie, daß er den bis auf seine Zeit gangbaren Namen der Wissenschaft, sophia, zuerst in den der philosophia, der Liebe zur Weisheit, verwandelt habe, aus dem
und Allheit gedacht iſt, iſt in ſich ſelbſt leer und verwerflich; was nicht harmoniſch einzugreifen faͤhig iſt in dieſes treibende und lebende Ganze, iſt ein todter Abſatz, der nach organiſchen Ge¬ ſetzen fruͤher oder ſpaͤter ausgeſtoßen wird, und freylich giebt es auch im Reiche der Wiſſenſchaft geſchlechtsloſe Bienen genug, die, weil ihnen zu produciren verſagt iſt, durch anorgiſche Ab¬ ſaͤtze nach außen, ihre eigene Geiſtloſigkeit in Abdruͤcken vervielfaͤltigen.
Indem ich jene Idee von der Beſtim¬ mung alles Wiſſens ausgeſprochen habe, habe ich von der Wuͤrde der Wiſſenſchaft an ſich ſelbſt nichts mehr hinzuzufuͤgen: keine Norm der Ausbildung oder der Aufnahme der Wiſſen¬ ſchaft in ſich ſelbſt, die ich in dem Folgenden aufſtellen kann, wird aus einem andern Grun¬ de als dieſer Einen Idee fließen.
Von Pythagoras erzaͤhlen die Geſchicht¬ ſchreiber der Philoſophie, daß er den bis auf ſeine Zeit gangbaren Namen der Wiſſenſchaft, σοφία, zuerſt in den der φιλοσοφία, der Liebe zur Weisheit, verwandelt habe, aus dem
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0025"n="16"/>
und Allheit gedacht iſt, iſt in ſich ſelbſt leer und<lb/>
verwerflich; was nicht harmoniſch einzugreifen<lb/>
faͤhig iſt in dieſes treibende und lebende Ganze,<lb/>
iſt ein todter Abſatz, der nach organiſchen Ge¬<lb/>ſetzen fruͤher oder ſpaͤter ausgeſtoßen wird, und<lb/>
freylich giebt es auch im Reiche der Wiſſenſchaft<lb/>
geſchlechtsloſe Bienen genug, die, weil ihnen<lb/>
zu produciren verſagt iſt, durch anorgiſche Ab¬<lb/>ſaͤtze nach außen, ihre eigene Geiſtloſigkeit in<lb/>
Abdruͤcken vervielfaͤltigen.</p><lb/><p>Indem ich jene Idee von der Beſtim¬<lb/>
mung alles Wiſſens ausgeſprochen habe, habe<lb/>
ich von der Wuͤrde der Wiſſenſchaft an ſich<lb/>ſelbſt nichts mehr hinzuzufuͤgen: keine Norm<lb/>
der Ausbildung oder der Aufnahme der Wiſſen¬<lb/>ſchaft in ſich ſelbſt, die ich in dem Folgenden<lb/>
aufſtellen kann, wird aus einem andern Grun¬<lb/>
de als dieſer Einen Idee fließen.</p><lb/><p>Von Pythagoras erzaͤhlen die Geſchicht¬<lb/>ſchreiber der Philoſophie, daß er den bis auf<lb/>ſeine Zeit gangbaren Namen der Wiſſenſchaft,<lb/>σοφία, zuerſt in den der φιλοσοφία, der<lb/>
Liebe zur Weisheit, verwandelt habe, aus dem<lb/></p></div></body></text></TEI>
[16/0025]
und Allheit gedacht iſt, iſt in ſich ſelbſt leer und
verwerflich; was nicht harmoniſch einzugreifen
faͤhig iſt in dieſes treibende und lebende Ganze,
iſt ein todter Abſatz, der nach organiſchen Ge¬
ſetzen fruͤher oder ſpaͤter ausgeſtoßen wird, und
freylich giebt es auch im Reiche der Wiſſenſchaft
geſchlechtsloſe Bienen genug, die, weil ihnen
zu produciren verſagt iſt, durch anorgiſche Ab¬
ſaͤtze nach außen, ihre eigene Geiſtloſigkeit in
Abdruͤcken vervielfaͤltigen.
Indem ich jene Idee von der Beſtim¬
mung alles Wiſſens ausgeſprochen habe, habe
ich von der Wuͤrde der Wiſſenſchaft an ſich
ſelbſt nichts mehr hinzuzufuͤgen: keine Norm
der Ausbildung oder der Aufnahme der Wiſſen¬
ſchaft in ſich ſelbſt, die ich in dem Folgenden
aufſtellen kann, wird aus einem andern Grun¬
de als dieſer Einen Idee fließen.
Von Pythagoras erzaͤhlen die Geſchicht¬
ſchreiber der Philoſophie, daß er den bis auf
ſeine Zeit gangbaren Namen der Wiſſenſchaft,
σοφία, zuerſt in den der φιλοσοφία, der
Liebe zur Weisheit, verwandelt habe, aus dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/25>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.