Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

dargestellt ist. Aber das Herausheben der bloß
endlichen Seite dehnt den Organismus der
Verfassung in einen endlosen Mechanismus
aus, in dem nichts Unbedingtes angetroffen
wird. Ueberhaupt aber kann allen bisherigen
Versuchen die Abhängigkeit ihres Bestrebens
vorgeworfen werden, nämlich eine Einrichtung
des Staats zu ersinnen, damit jenes oder
dieses erreicht werde. Ob man diesen Zweck in
die allgemeine Glückseligkeit, in die Befriedi¬
gung der socialen Triebe der menschlichen Na¬
tur, oder in etwas rein Formales, wie das
Zusammenleben freyer Wesen unter den Bedin¬
gungen der möglichsten Freyheit, setzt, ist in
jener Beziehung völlig gleichgültig: denn in
jedem Fall wird der Staat nur als Mittel, als
bedingt und abhängig begriffen. Alle wahre
Construction ist ihrer Natur nach absolut und
immer nur auf Eines, auch in der besondern
Form, gerichtet. Sie ist z. B. nicht Constru¬
ction des Staats als solchen, sondern des ab¬
soluten Organismus in der Form des Staats.
Diesen construiren heißt also nicht, ihn als Be¬

dargeſtellt iſt. Aber das Herausheben der bloß
endlichen Seite dehnt den Organismus der
Verfaſſung in einen endloſen Mechanismus
aus, in dem nichts Unbedingtes angetroffen
wird. Ueberhaupt aber kann allen bisherigen
Verſuchen die Abhaͤngigkeit ihres Beſtrebens
vorgeworfen werden, naͤmlich eine Einrichtung
des Staats zu erſinnen, damit jenes oder
dieſes erreicht werde. Ob man dieſen Zweck in
die allgemeine Gluͤckſeligkeit, in die Befriedi¬
gung der ſocialen Triebe der menſchlichen Na¬
tur, oder in etwas rein Formales, wie das
Zuſammenleben freyer Weſen unter den Bedin¬
gungen der moͤglichſten Freyheit, ſetzt, iſt in
jener Beziehung voͤllig gleichguͤltig: denn in
jedem Fall wird der Staat nur als Mittel, als
bedingt und abhaͤngig begriffen. Alle wahre
Conſtruction iſt ihrer Natur nach abſolut und
immer nur auf Eines, auch in der beſondern
Form, gerichtet. Sie iſt z. B. nicht Conſtru¬
ction des Staats als ſolchen, ſondern des ab¬
ſoluten Organismus in der Form des Staats.
Dieſen conſtruiren heißt alſo nicht, ihn als Be¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0244" n="235"/>
darge&#x017F;tellt i&#x017F;t. Aber das Herausheben der bloß<lb/>
endlichen Seite dehnt den Organismus der<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ung in einen endlo&#x017F;en Mechanismus<lb/>
aus, in dem nichts Unbedingtes angetroffen<lb/>
wird. Ueberhaupt aber kann allen bisherigen<lb/>
Ver&#x017F;uchen die Abha&#x0364;ngigkeit ihres Be&#x017F;trebens<lb/>
vorgeworfen werden, na&#x0364;mlich eine Einrichtung<lb/>
des Staats zu er&#x017F;innen, <hi rendition="#g">damit</hi> jenes oder<lb/>
die&#x017F;es erreicht werde. Ob man die&#x017F;en Zweck in<lb/>
die allgemeine Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit, in die Befriedi¬<lb/>
gung der &#x017F;ocialen Triebe der men&#x017F;chlichen Na¬<lb/>
tur, oder in etwas rein Formales, wie das<lb/>
Zu&#x017F;ammenleben freyer We&#x017F;en unter den Bedin¬<lb/>
gungen der mo&#x0364;glich&#x017F;ten Freyheit, &#x017F;etzt, i&#x017F;t in<lb/>
jener Beziehung vo&#x0364;llig gleichgu&#x0364;ltig: denn in<lb/>
jedem Fall wird der Staat nur als Mittel, als<lb/>
bedingt und abha&#x0364;ngig begriffen. Alle wahre<lb/>
Con&#x017F;truction i&#x017F;t ihrer Natur nach ab&#x017F;olut und<lb/>
immer nur auf Eines, auch in der be&#x017F;ondern<lb/>
Form, gerichtet. Sie i&#x017F;t z. B. nicht Con&#x017F;tru¬<lb/>
ction des Staats als &#x017F;olchen, &#x017F;ondern des ab¬<lb/>
&#x017F;oluten Organismus in der Form des Staats.<lb/>
Die&#x017F;en con&#x017F;truiren heißt al&#x017F;o nicht, ihn als Be¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0244] dargeſtellt iſt. Aber das Herausheben der bloß endlichen Seite dehnt den Organismus der Verfaſſung in einen endloſen Mechanismus aus, in dem nichts Unbedingtes angetroffen wird. Ueberhaupt aber kann allen bisherigen Verſuchen die Abhaͤngigkeit ihres Beſtrebens vorgeworfen werden, naͤmlich eine Einrichtung des Staats zu erſinnen, damit jenes oder dieſes erreicht werde. Ob man dieſen Zweck in die allgemeine Gluͤckſeligkeit, in die Befriedi¬ gung der ſocialen Triebe der menſchlichen Na¬ tur, oder in etwas rein Formales, wie das Zuſammenleben freyer Weſen unter den Bedin¬ gungen der moͤglichſten Freyheit, ſetzt, iſt in jener Beziehung voͤllig gleichguͤltig: denn in jedem Fall wird der Staat nur als Mittel, als bedingt und abhaͤngig begriffen. Alle wahre Conſtruction iſt ihrer Natur nach abſolut und immer nur auf Eines, auch in der beſondern Form, gerichtet. Sie iſt z. B. nicht Conſtru¬ ction des Staats als ſolchen, ſondern des ab¬ ſoluten Organismus in der Form des Staats. Dieſen conſtruiren heißt alſo nicht, ihn als Be¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/244
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/244>, abgerufen am 16.07.2024.